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Tour-Tag 11: Hamburg

Das große Finale der Deutschlandtournee findet heute Abend statt und ich war wahnsinnig aufgeregt. Die Jungs und die Crew waren bereits zeitig zur Markthalle gefahren, dort wo das Konzert stattfand.

Ich wiederum fuhr zum Bahnhof und holte meine Eltern ab. Es fühlte sich wie eine halbe Ewigkeit an, seit ich sie das letzte Mal gesehen habe. Als sie aus dem Zug stiegen und mich sahen rannte ich auf sie zu und schloss sie schnell in meine Arme. Nach einer langen Begrüßung und kurzen Smalltalk über ihre Reise gingen wir zum Auto. Ich fuhr sie zu ihrem Hotel, damit sie erst einmal ihr Gepäck abladen konnten. Ich sagte, dass ich noch mein Zeug holen musste und sie später wieder abholen würde. Doch meine Mutter bestand darauf mitzukommen. Also wartete ich in der Hotellobby auf sie. Ich schrieb Class eine Nachricht. Und auch Pi.

Als sie dann schon fertig für das Konzert waren fuhren wir los. Ich fand es niedlich, dass sie zu Shows sich immer etwas mehr wie Goths anzogen, zumindest trugen beide komplett schwarz. Sie haben Class und mich nie verstanden, wenn es um die Gothic Szene ging. Sie fanden es seltsam. Am Anfang hatten sie manchmal sogar nich Vorurteile über den neuen Stil den wir hatten. Doch je länger diese „Phase", wie sie es erst nannten, ging, desto mehr verstanden sie uns und gaben ihr Bestes, um irgendwie ein Teil davon zu sein. Einer der Gründe, warum unsere Eltern die coolsten sind.

Wir kamen bei Class' Wohnung an. Ich schloss die Tür auf und ließ die beiden hinein. „Macht es euch einfach im Wohnzimmer bequem. Es dauert nicht lange. Wollt ihr was trinken?", sagte ich. Beide verneinten. Papa setzte sich auf die Couch und unsere liebe Mama konnte es nicht lassen, und machte mich auf kleine Unordnungen in der Wohnung aufmerksam. Die 2 dreckigen Tassen in Spüle, der Fleck auf der Couch, oder ein T-Shirt, was nicht da war, wo es eigentlich hingehörte. „Du musst deinem Bruder mal sagen, er soll sich angewöhnen seine Sachen gleich in die Wäsche zu tun, wenn es schmutzig ist!", sagte sie und kam in mein, okay in Class' Zimmer hinein um es mir zu zeigen. Ich sah es an und lachte kurz. „Mama, das ist nicht Class' Shirt. Das ist von Pi.", sagte ich und nahm es ihr aus der Hand. „Wem?", fragte sie. „Ach ja, ihr kennt ihn ja noch nicht persönlich. Das gehört Pi, dem neuen Gitarristen der Band.", sagte ich lächelnd.
Zufälligerweise ist er auch mein neuer Freund., dachte ich, aber ich schätze es war wohl etwas zu früh um ihr das zu sagen.

„Oh ja, dein Bruder hat mir schon von ihm erzählt. Hatte ich vergessen.", lachte Mama. Ich hatte alles fertig gepackt und verließ mit ihr den Raum. Mein Papa saß immer noch auf dem Sofa und las eine Zeitschrift, die auf dem Wohnzimmertisch lag.
„Aber sag mal, wo schlaft ihr denn alle? Ihr seit 3 Personen und habt nur 2 Zimmer.", stellte meine Mutter verwundert fest. „Also das da am Ende des Flurs ist das Zimmer von Pi.", ich zeigte auf die verschlossene Tür, „Und ich schlafe in Class' Zimmer, seit er sowieso nicht mehr viel da ist.". „Er ist bei Kira stimmt's? Ich freue mich sie endlich kennenzulernen!", sagte meine Mutter und strahlte übers ganze Gesicht.

„Das heißt, du lebst hier also allein mit ihm?", schaltete sich nun auch mein Vater ein. Oh Mann...diesen Gesichtsausdruck kenne ich. „Ja, irgendwie schon.", sagte ich. „Ich hoffe nur für dich, dass er besser ist, als dieses Arschloch von Noah!", sagte er. Autsch! „Keine Sorge. Jeder ist besser als Noah. Und Pi ganz besonders.", war alles, was ich dazu sagen konnte. „Also, wollen wir los?"

Wir fuhren zur Markthalle. Durch den Hintereingang kamen wir hinein und suchten als erstes Class. Dieser war schon fertig angezogen, nur noch nicht geschminkt. Als er uns durch die Tür kommen sah strahlte er übers ganze Gesicht und schloss unsere Eltern in die Arme. „Das ist Kira.", sagte er und Kira stand auf und kam auf uns zu. Man merkte beiden an, der sie wohl ein bisschen nervös waren. Doch meine Mutter nahm sie gleich in die Arme und auch mein Papa war wirklich nett zu ihr.

Den Rest fanden wir im Nachbarzimmer, wo sie gerade etwas aßen und sich fertig machten. „Und das ist Pi.", sagte ich, als meine Eltern alle begrüßt hatten und nun vor meinem Freund standen. „Pi, das sind meine Eltern.", sagte ich. Pi lächelte sie an und gab ihnen die Hand. Natürlich entging mir nicht, das er etwas nervös zu sein schien. Immerhin wollte er einen guten ersten Eindruck hinterlassen. Und nach den Gesichtsausdrücken meiner Eltern nach zu urteilen, gelang ihm das auch ganz gut.

Ich ging nochmals in das Zimmer, wo ich meine Sachen abgestellt hatte und fing schon mal an, meine Kameras für die Show vorzubereiten. „Allyyy", hörte ich Class hinter mir. „Hast du nicht was vergessen?", fragte er und hielt mir den Hühnchen-Hut unter die Nase. Ich stöhnte laut. Irgendwie hatte ich gehofft, er würde es vielleicht vergessen, aber schließlich reden wir hier von Class!
„Kira hat mich jedoch überredet, dass nicht ich dir das Make-Up verpasse!", sagte er. Mein Kopf schnellte zu ihm. „Was?! Wer denn dann?", fragte ich schon fast panisch, aber auch gleichzeitig erleichtert.

„Das mache ich.", hörte ich die Stimme einer dritten Person. Ich drehte den Kopf in die Richtung, aus der die Stimme kam. Im Türrahmen stand Pi und grinste mich an. Sofort fiel mir ein Stein vom Herzen, doch gleichzeitig war ich immer noch etwas angespannt.
„Viel Spaß!", sagte Class, drückte mir den Hut in die Hand und ging an Pi vorbei aus dem Zimmer.

Pi kam auf mich zu und deutete auf den Stuhl, der neben mir stand. Ich setzte mich. „Keine Sorge, ich werd dir nicht dein ganzes Gesicht mit schwarzem Lippenstift vormalen.", sagte er. „Wie großzügig von dir!", lachte ich. „Vertraust du mir?". „Das muss ich ja wohl, oder?", sagte ich und lächelte ihn an.
„Ich geb ja mein bestes! Obwohl ich denke, du würdest selbst mit schlimmen Make-Up noch wunderschön aussehen.", sagte er leise. „Schleimer.", daraufhin mussten wir beide lachen.
„Gut, mach die Augen zu und lass mich einfach machen.", sagte er. Ich nickte und schloss meine Augen.
Ich musste kichern, als ich plötzlich ein Paar Lippen auf meinen spürte. „Okay, jetzt fang ich aber an.", sagte er lachend.

Pi gab sich richtig viel Mühe. Man konnte sehen, dass er wirklich hochkonzentriert war. Nach einer Weile fragte er: „Denkst...denkst du deine Eltern mögen mich?". Das war es also? Darüber machte er sich Sorgen?
Ich nahm seine Hand. „Hey, mach dir keine Sorgen. Sie scheinen dich wirklich zu mögen. Mein Vater versucht vielleicht dich etwas einzuschüchtern, da er mitbekommen hat, dass wir quasi allein in einer Wohnung leben.", Pi stockte. „Du hast ihnen also nichts gesagt?", fragte er. „Nein, zumindest nicht, solange es Class noch nicht weiß...", gab ich etwas leise zurück.
„Wann willst du es ihm denn endlich mal sagen? Ich will wirklich, dass es jeder von uns beiden weiß.", sagte er und sah schon fast etwas traurig aus. „Das will ich doch auch.", sagte ich und überlegte kurz.

„Okay, hör zu. Wir werden es ihm sagen. Zusammen. Und zwar noch bevor wir in 2 Wochen die UK-Tour beginnen. Ich verspreche es."

Pi's Gesicht erhellte sich. „Ich liebe dich Pi. Und es ist wirklich an der Zeit.", sagte ich.
„Ich dich auch.", antwortete er.
Und schließlich war er fertig. Ich stand auf und ging zum Spiegel.
„Wow.", war das einzige, was ich herausbrachte. Meine Augen waren dunkel geschminkt und durch mein rechtes Auge ging ein weißer Strich runter zu hindurch. Meine Lippen waren schwarz angemalt und auch über mein Kinn ging ein weißer Strich. Und ein Lord of the Lost Look wäre nicht komplett, ohne die schwarze Farbe, die meinen Hals hinunterging. Ich liebte dieses Look. „Danke.", sagte ich zu Pi.

„Gut, dann wollen wir mal.", sagte ich, und setzte mir den Hühnchen-Hut auf. Ich musste ja schon zugeben, jetzt, wo ich mich selber so im Spiegel sah fand ich es sogar ganz okay, wenn nicht sogar witzig.

Und ehe ich mich versah war auch schon Showtime. Ich ging vor die Bühne und wartete, bis das Konzert losging. In der ersten Reihe, natürlich genau in der Mitte stand Lilith. Ich ging zu ihr und begrüßte sie. Ich sah auch einige andere bekannte Gesichter in der Menge. Nach so vielen Jahren prägt man sich schließlich das ein oder andere Gesicht eben ein.

Während des Konzerts machte ich so viele Fotos wie möglich. Manchmal posierten die Jungs sogar für mich, was ich ziemlich lustig fand.
Danach stand ich mit bei meinen Eltern und sah mir den Rest der Show von der Seite aus an.
Nachdem sie das letzte Lied gespielt haben rannte ich auf die Bühne und stellte mich ganz nach hinten, wo ich einen super Blick auf die ganzen Menschen vor mir hatte. Die Band hockte sich vor mich und posierte ein letztes Mal. „3...2...1...", zählte ich rückwärts.
Die Fans streckten ihre Arme nach oben und jubelten noch einmal so laut sie konnten.

Ich muss sagen, einen schöneren Tourabschluss hätte es nicht geben können! Und nach heute Abend war ich mir sicher, dass alles gut werden würde.

My NightingaleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt