32 | Neuanfang

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Stumm saß ich alleine in dem Raum.
Grauwind lag immer noch neben mir, auf dem Boden zusammen gerollt und schlief.
Wenigstens einer konnte es.
Ich hatte es aufgegeben. Immer wenn ich die Nacht meine Augen geschlossen hatte tauchten die Bilder vor mir auf, wie er zusammenbrach, wie er leblos am Boden lag. In meinen Alpträumen war er Tod und jedes Mal riss ich vor Schreck die Augen auf, wenn mich die Erkenntnis traf.
Ich war froh, dass die Realität bei weitem besser aussah.
Leise lauschte ich dem kargen Atmen seinerseits. Es war schwach, doch es bedeutete, dass er lebte.
Robb war stark, das wusste ich. Er würde wieder vollständig gesund werden. Nur wie lange und wann es sein würden, konnte ich nicht sagen.
Doch er lebte und dafür dankte ich allen Götter, die es gab.
Mein Blick lag ruhig auf seinem Gesicht. Dadurch das er mehr oder weniger schlief sah er so friedlich aus, dass es ihn um Jahre jünger wirken ließ.
Der Krieg hatte ihn älter gemacht und seine Gesichtszüge hart und kalt aussehen lassen.
Ich konnte meinen Blick nicht von ihm abwenden, auch nicht als jemand leise in das Zelt trat.
An den zarten Schritte und dem überraschten, freudigen Atemzügen, als derjenige sah, wie Robbs Brustkorb sich hob und senkte, ließ mich wissen, dass es seine Mutter war.
,,Er lebt." flüsterte sie den Tränen nahe und kam langsam auf uns zu. Mit zittrigen Händen legte sie ihre Hand an die Wange ihres Sohnes.
,,Wie?" fragte sie ehrfürchtig und sah mich mit riesigen, glasklaren Augen an.
Wortlos schob ich die Decke beiseite und zeigte ihr den frischen, weißen Verband um seine Brust.
Ich bemerkte, wie sie einen tiefen, erschrockenen Atemzug nahm, als sie feststellte, was ich getan hatte.
,,Ihr habt ihn gerettet..", murmelte sie und fuhr mit den Fingern federleicht über den Verband. ,,Aber der Maester?"
,,Er hat gelogen." sagte ich knapp und erntete einen verwirrten Blick von ihr.
,,Die Pfeilspitze war nicht direkt neben seinem Herzen. Sie herauszuziehen hätte kein Risiko dargestellt." antwortete ich ihr und verschränkte meine Hand mit der von Robb.
Die Lady nickte stumm und sah zu ihrem Sohn.
Es herrschte Stille in dem Raum.
,,Weshalb habt ihr das getan?", fragte sie nach einer kurzen Zeit leise und sah mich an. ,,Ich meine, ihr wusstet das Risiko und habt es dennoch getan.
Liebt ihr ihn wirklich?"
Zum ersten Mal hob ich mein Gesicht an und blickte Catelyn Stark hart in die Augen.
,,Fragt ihr mich das ernsthaft?!" ging ich sie harsch an und blickte sie finster an. Sekunden später senkte sie den Kopf.
,,Natürlich tue ich das. Mehr als mein Leben!", Protestierte ich laut und schnaubte fassungslos auf.
,,Ich kann verstehen, dass ihr mich nicht leiden könnt.", meinte ich dann ruhiger und faltete meine Hände in meinen Schoß zusammen. ,,Doch mir dann noch vorzuwerfen, ihn nicht zu lieben!
Was denkt ihr von mir? Dass ich seine Krone will, unbedingt Königin sein möchte?!", fragte ich entgeistert.
,,Mir ist es egal, dass er König ist! Ich würde ihn auch lieben, wenn er ein einfacher Lord wäre oder nur ein Bürger von Westeros.
Ich liebe nicht die Krone, sondern ihn.
Seinen Charakter, seine Eigenschaften, seine Fehler!" rief ich schärfer als gedacht und sah Lady Stark eindringlich ein.
Sie gab keine Antwort darauf. Starrte stumm nach unten und rührte sich nicht.
,,Wieso hasst ihr mich eigentlich?" Die Frage lag mir die ganze Zeit schon auf der Zunge und es fühlte sich komisch an, sie endlich gestellt zu haben.
Sie seufzte plötzlich auf und verzog ihre Lippen zu einem Schmalen Strich.
,,Ich hasse euch nicht.", sagte sie schließlich. ,,Ich kenne euch nicht gut, doch ich beneide euch."
Langsam hob sie ihren Kopf an und drehte ihn zu mir herum. Meine Augen trafen genau auf ihre.
,,Wieso?" völlig verblüfft schaute ich sie an.
,,Ihr habt alles, was ich nicht mehr habe.", meinte sie leise und strich Robb sanft durch das das Haar.
Auf einmal wirkte sie zerbrechlich, als könnte sie kaum noch eine Last tragen.
,,Er ist der einzige, der mir noch bleibt und ich will ihn nicht verlieren."
,,An wen? Mich!", skeptisch zog ich eine Augenbraue hoch. ,,Wieso sollte ich ihn euch wegnehmen?"
,,Weil ihr seine Frau seid. Er liebt euch und würde euch immer vorziehen." wehmütig verzog sie das Gesicht.
,,Das bedeutet doch aber nicht, dass er euch weniger liebt.
Ihr seid seine Mutter! Das letzte, was er an Familie hat." energisch versuchte ich sie vom Gegenteil zu überzeugen.
,,Ihr seid seine Familie." erwiderte sie nur und verschränkte die Finger vor ihrem Bauch.
,,Doch nur, weil ich seine Frau bin, wie ihr es selbst gesagt habt!" inständig sah ich sie an, dann wandte sie jedoch den Kopf an und sah zur Seite.
,,Lady Stark!", ich stand auf, lief um das Bett herum auf sie zu und kniete mich vor ihr nieder, sodass ich ihr ins Gesicht schauen konnte. ,,Ich kenne euch als eine so starke Frau, die alles für ihre Kinder tun würde. Ihr habt ihn beschützt, sein Leben lang!"
,,Doch nun habt ihr ihm das Leben gerettet. Etwas, was ich nicht konnte." sagte sie und sah mir endlich entgegen.
,,Nur weil ich Heilerin bin." entgegnete ich und griff kurz darauf instinktiv nach ihrer Hand. ,,Die Liebe einer Mutter ist etwas ganz anderes, als die Liebe zu einer Frau. 
Sie ist vielleicht nicht stärker, doch sie ist enger!
Und auch wenn er es euch nicht oft zeigt, ihr seid ihm so unglaublich wichtig, das mögt ihr im Moment gar nicht glauben!" ein leichtes, mitfühlendes Lächeln bildete sich auf meinen Lippen, während ich sie ernstlich anblickte.
Einen kurzen Augenblick lang war es still, dann unterbrach Catelyn Stark die Ruhe.
,,Verzeiht mir.'', flüsterte sie plötzlich. ,,Für alles was ich euch angetan oder gesagt habe. Bitte, verzeiht mir!'' sie hielt meine Hand fest umschlossen.
,,Es gibt nichts zu verzeihen.'' sagte ich darauf glaubhaft.
,,Doch, für das hier zum Beispiel.'' Meinte sie dann, lies meine Hand los und holte aus der Tasche ihres Kleides eine zarte, silberne Kette hervor. Verwundert blickte ich erst sie, dann den Schmuck an.
,,Er gab sie mir für euch, kurz bevor er nach Königsmund aufbrach. Ich sollte sie euch geben, doch ich tat es nicht..
Es tut mir leid, dass mir nie aufgefallen ist, wie wunderbar und gütig ihr seid.
Ich bin euch eine Entschuldigung nötig und ich möchte euch um Verzeihung beten, dass ich dem Wunsch meines Sohnes nicht nach gekommen bin.'' erklärte sie mir dann mit Bedauern und ein Blick in ihre Augen sagte mir, dass sie es wirklich ernst meinte.
Wortlos legte sie mir die Kette in meine Handfläche und mein Blick glitt hinunter zu dem winzigen Anhänger an dem silbernen Band.
Ein Tiger war auf dem Anhänger eingraviert.
,,Ihr solltet nie vergessen, woher ihr kommt." meinte Catelyn Stark mir und ein ehrliches Lächeln schlich sich auf meine Lippen.
,,Vermutlich. Ich dank euch, dass ihr sie mir gibt.
Und ich verzeihe euch, auch wenn es für mich gar nicht nötig war.'' Ich hob mein Gesicht an und sah in die blauen Augen, welche mir so bekannt vorkamen. 
,,Wie wäre es mit einem Neuanfang, Lady Stark?'' Fragte ich dann schließlich sanft.
,,Catelyn.'', erwiderte sie auf meine frage bloß. ,,Nennt mich bitte einfach nur Catelyn.''
Ein gerührtes Lächeln erschien auf meinem Gesicht, während ich nickte.
Ich nahm ihre Antwort als Bestätigung und zum ersten Mal hatte ich wahrhaftig das Gefühl, dass sich unser Verhältnis bessern wird.

,,Und er wird wieder aufwachen?" fragte Lord Bolton und umgriff den Knauf seines Schwertes. ,,Ja, wann kann niemand sagen, doch er wird." erwiderte ich und verschränkte die Arme vor der Brust. Eine Hand strich gedankenverloren über die Kette.
,,Und dann werden wir nach Winterfell zurückkehren." fügte ich hinzu.
,,Euer Gnaden, der Norden ist immer noch von den Eisenmännern besetzt.", sagte Lord Bolton darauf und ich wandte mein Gesicht zu ihm herum. ,,Sie halten Maidengraben und die Burg ist der einzige Weg, um in den Norden zu gelangen." erklärte er mir.
Ich schluckte und nickte stumm auf seine Aussage.
,,Wie viele Männern sind unverletzt, Lord Bolton?" fragte ich schließlich.
,,Vielleicht die Hälfte." antwortete er mir.
,,Und reichen diese Soldaten aus, um die Eisenmännern zu vertreiben?" fragend blickte ich ihn an.
,,Sie kennen sich im Norden nicht aus, Euer Gnaden.
Es wird ein leichtes sein für uns, den Norden zu befreien." sagte er in seinem typischen, emotionslosen Ton und nickte entschlossen.
,,Sehr gut.", sagte ich und lächelte kurz. ,,Beauftragt Lord Umber mit dieser Mission und sagt ihm, dass er danach nach Winterfell reiten und es anfangen aufbauen soll.
Ihr seid der engster Vasall meines Ehemanns, ich möchte euch gerne hier wissen." teilte ich ihm mit.
,,Natürlich Euer Gnaden." er nickte als Antwort.
Ich schenkte ihm ein ehrliches Lächeln, ehe mich wieder abwandte und meinen Blick auf Robb richtete.
Mein Herz zog sich jedes Mal aufs Neue Schmerzhaft zusammen, wenn ich ihn so so.
,,Es ist verrückt..", murmelte ich plötzlich leise und hatte augenblicklich die Aufmerksamkeit des Lords neben mir.
,,Ich meine, ich bin Königin eines Landes, in dem ich noch nie zuvor gewesen war." seufzte ich nachdenklich und spielte mit dem Anhänger an meinem Hals.
,,Ihr sorgt euch um den Norden, wenn euer König es nicht kann und, dass heißt ihr macht eure Sache gut, auch wenn ihr noch nie dort wart. Außerdem haben eure Schiffe dazu beizutragen, dass wir Königsmund angreifen konnten.", entgegnete Lord Bolton darauf überaus zufrieden. ,,Und wenn ihr erst einmal im Norden seid, dann wird sich alles regeln. Die Menschen werden euch akzeptieren und lieben. Natürlich nicht alle, doch wenn ihr ihnen zeigt, dass sie euch nicht vollkommen egal sind, dann werdet ihr die Gunst von den Nordmenschen bekommen."
Ich seufzte kurz auf, dann drehte ich mich im Anflug von einem sanften Lächeln zu ihm herum.
,,Ich danke euch für eure Ehrlichkeit, Lord Bolton." sagte ich erfreut.
,,Natürlich. Meine Königin!" Er machte eine kurze, ergiebig Verbeugung.
Doch noch bevor ich etwas erwidern konnte, war er aus dem Zelt verschwunden.

You Belong To Me || Robb StarkWo Geschichten leben. Entdecke jetzt