Kapitel 11 "Tränen lügen nicht"

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Der letzte Urlaubstag lief ähnlich ab, wie die zuvor: viel Essen, eine Menge Sonne und hauptsächlich Nickerchen am Pool. Nach dem Mittagessen gab es ein sogenanntes „Frauensportprogramm“, bei dem Alex mitmachen wollte, denn auch sie fühlte sich durch den Urlaub schon träge und faul und wollte nicht ganz untrainiert wieder in den Dienst zurück kommen. Sie versuchte Gerrit zu überreden mitzumachen, aber der wehrte mit folgenden Worten ab: Was sollte er zwischen lauter Frauen? Am Ende würden sie sich alle in ihn verlieben und dann wäre Alex eifersüchtig. Diese Aussage trug ihm einen Schlag auf den Arm von Alex ein, die dann ein wenig schmollte. Als Entschuldigung gab Gerrit ihr einen langen, liebevollen Kuss, der sie beide den Atem kostete. Dann begleitete er sie zum Strand an dem das Sportprogramm stattfinden sollte. Er beobachtete, dass doch einige Männer dabei waren und er hoffte sehr, dass das nur Animateure waren. Der Kommissar schüttelte belustigt den Kopf, denn nun war es augenscheinlich an ihm, eifersüchtig zu werden. Dann wandte er sich um und googelte noch schnell den Weg, dann verließ er das Hotel durch den Seiteneingang. Nach einer Weile Fußmarsch kam er an der Adresse an, die ihm die Frau genannt hatte. Es war eine kleine versteckte Gasse und ihm wurde ein wenig unheimlich, hier in dem Slum alleine, ganz ohne Waffe und jemandem der wusste wo er war. Vorsichtig schlich er um die Ecke auf die Wohnhäuser zu und lauschte. Durch eine offene Tür waren streitende Stimmen hören, die Gott sei Dank deutsch sprachen: „Was hast du dir nur dabei gedacht, Philip! Ihr könnt doch keinen jungen Deutschen zu so etwas zwingen. Hast du überlegt, was passiert, wenn rauskommt, dass du da auch noch mitmachst? Es hat schon gereicht, dass du überhaupt damit angefangen hast! Messimo wird alles auf dich schieben, wenn etwas schief geht!“ Gerrit horchte auf, hatte er etwa schon die richtige Adresse gefunden? Ging es wirklich um den gesuchten Christoph?  Da die Namen Philip und Massimo gefallen waren, war er ziemlich überzeugt. Er schlich noch ein wenig näher heran, bis er direkt neben der Tür stand. „Juanita, du weißt, dass ich das alles nur für  dich und unser Kind mache. Ich werde bei Messimo aufhören, sobald wir die Info aus Deutschland haben, dass der Deal glatt gegangen ist, okay? Christoph hat ja keine Wahl, genauso wenig wie ich. Wir haben beide eine Familie, die wir beschützen müssen.“ 

Die Frauenstimme wurde leiser und Gerrit spitzte die Ohren, während er sich noch näher an die Hauswand presste. „Aber was mache ich, wenn du eingesperrt wirst! Was wird aus unser Familie, wenn Massimo beschließt, dass er dich nicht mehr braucht?“ Gerrit hörte Schritte und hörte dann denn Mann reden. „Schatz, hör auf zu weinen. Uns wird nichts passieren. Dieser Deal noch und ich bin aus der Sache draußen. Ich habe schon ein Angebot bei Mahmut, ich kann ihm gegen Bezahlung in seinem Laden helfen. Ich kann uns endlich legal über Wasser halten!“ Eine kleine Pause trat ein, in der Gerrit nur ein leises Schluchzen hörte. Dann flüsterte die männliche Stimme: „Ich höre jemanden im Hof. Bleib hier, ich sehe draußen nach.“ Gerrit spannte sich an, da er befürchtete dass Philip ihn meinte. Doch als er  hörte, wie sich schwere Schritte in die entgegengesetzte Richtung entfernten, setzte er alles auf eine Karte. Schnell huschte er um die Ecke und in das Haus hinein, aus dem er die Stimmen gehört hatte. Als er in das Zimmer kam, in dem das Gespräch stattgefunden hatte, fand er eine Frau vor, die an einem Kissenbezug nähte und ihm den Rücken zugedreht hatte. Vorsichtig klopfte Gerrit an den Türrahmen und die Frau drehte sich erschrocken um und ließ ihre Nadel fallen. Gerrit sah die Tränenspuren auf ihren Wangen und beschloss daher, sehr behutsam vorzugehen. „Bitte entschuldigen Sie“ fing der Bayer an, während er die Hände hob um zu signalisieren, dass er in guter Absicht da war. „Ich konnte nicht umhin, Ihr Gespräch mitzubekommen. Mein Name ist Gerrit. Ich bin ein deutscher Polizist und suche Christoph Dreher. Er ist ein Bekannter von mir und ich habe gehört, dass ihr Freund von ihm gesprochen hat. Bitte helfen Sie mir, Christoph wird vermisst. Ich muss unbedingt mit Philip sprechen. Eine ältere Dame gab mir diese Adresse, ich brauche doch nur ein kurzes Gespräch.“ Argwöhnisch sah ihn die Frau an und Gerrit wusste, dass sie in diesen entscheidenden Sekunden überlegte, ob sie ihm vertrauen konnte oder nicht. Scheinbar fiel ihre Bewertung zu seinen Gunsten aus, denn sie antwortete ihm: „Wenn mein Mann wieder hineinkommt, wird er mit dir reden. Christoph war in seinem Urlaub öfter bei uns. Ich mag ihn wirklich. Nicht auszudenken, was ihm alles passiert sein könnte.“ Gerrit bedankte sich bei der Frau und setzte sich auf einen Hocker. Noch während er überlegte, wie er sie in ein lockeres Gespräch verwickeln sollte, fiel ein Schuss.

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Gerrit sprang auf und wies der Frau an, dass sie sitzen bleiben solle. Dann schlich er in Richtung Hintertür des Hauses. Vorsichtig lugte er um die Ecke und dankte Gott, dass direkt vor der Tür ein Palmengewächs war, hinter dem er sich verstecken konnte, denn sonst hätten ihn die Gauner sofort gesehen. Gerrit umriss schnell die Lage: Drei Männer, von denen zwei wilde Bärte trugen standen im Hof, einer von ihnen hielt eine Waffe in der Hand. Gerrit konnte das Modell nicht erkennen, aber es hatte verdächtig Ähnlichkeit mit einer Pistole. Am Boden lag ein verletzter Philip. Das hübsche Gesicht des jungen Mannes war schmerzverzerrt und Schweiß glänzte auf seiner Stirn. Gerrit hatte keine Chance an ihn heran zu kommen, doch er sah sofort, dass der Mann eine böse Schusswunde im Bauch hatte und dringend Hilfe benötigen. Gerrit wollte hin zu ihm, schnell die Wunde verbinden, doch er sah keine Möglichkeit ohne sich in Gefahr zu begeben oder Preis zu geben, dass er ein unfreiwilliger Zeuge war. Stattdessen lauschte er, was gesprochen wurde. Nur leider sprachen die Ganoven türkisch und Gerrit verstand kein Wort. Als ihn eine Hand an seiner Schulter berührte schrak der Kommissar zusammen. Er wirbelte herum und hielt die Hand fest, die ihn berührte. Er lockerte seinen Griff sofort, als er die Freundin des jungen Mannes hinter sich stehen und einen Finger auf den Mund legen sah. Sie lief einfach um die Ecke und fing lautstark das Weinen und Schreien an. Sie schrie die Männer im Hof auf Türkisch an und kniete neben ihrem Freund nieder. Gerrit sah, wie sie die Wunde abdrückte und Tränen ihre Wangen herunter liefen. Die Männer lachten höhnisch und antworteten ihr abfällig – das konnte Gerrit anhand der Intonation feststellen. Während die Menschen im Hof noch lautstark miteinander redeten, biss er sich in Deckung auf die Zunge, so wütend und hilflos fühlte er sich. Der Kommissar konnte nichts weiter tun als zu warten, bis die Männer verschwunden waren. Sobald sie außer Sicht waren, kniete er bei dem Verletzten nieder. Juanita hatte ihr Handy in der Hand und informierte scheinbar den Rettungsdienst. Gerrit redete unterdessen Philip gut zu und drückte die Wunde mit Juanitas Tuch ab, das langsam blutdurchtränkt war. Als die junge Frau das Telefonat beendet hatte, fragte sie Gerrit nach seinem Namen und der Handynummer, um mit ihm in Kontakt bleiben zu können. Gerrit gab sie ihr abwesend und kümmerte sich weiter angestrengt um ihren Freund der immer blasser wurde. Juanita griff nach seiner Hand und sprach mit zittriger Stimme: „„Bitte nimm Massimo fest, wenn du kannst. Egal wie du es anstellst, sorg bloß dafür, dass er hierfür bezahlt.“, flehte sie ihn mit Tränen in den Augen an. Gerrit wusste nicht ob er so etwas versprechen konnte, nickte aber trotzdem. Juanita schluckte schwer und schickte ihn fort. Ihre Stimme klang beinahe ruhig und gefasst: „Sie werden bald da sein. Du solltest jetzt gehen.“ Wohl wissend, dass er Schwierigkeiten bekommen würde, wenn die Polizei kam und er noch vor Ort war, folgte er ihrer Anweisung und machte er sich auf den Weg zurück zum Hotel.

Bis ans Ende der Welt  Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt