Gerrit war unterdessen von der Wartungsleiter heruntergestiegen, hatte sich auf die nächste Box gesetzt und sich erst einmal die Schultern massiert. Das auf-dem-Bauch-liegen hatte dazu geführt, dass er die Schultern unnatürlich hoch gezogen hatte, was jetzt schon Rückenschmerzen zur Folge hatte. Und sehr viel hatte er ja auch nicht herausgefunden außer dass Christophs Frau hier irgendwo festgehalten wurde. Er brauchte dringend ein paar Kollegen, vielleicht sogar das SEK um hier ordentlich aufräumen zu können. Andererseits war wahrscheinlich keiner der Ganoven mehr hier, vielleicht ein oder zwei Mann zur Bewachung der Frau, der Rest musste ja auf Jagd nach Christoph sein oder die nächste Fuhre Drogen absichern. Gerrit hoffte sehr, dass Robert die Situation im Krankenhaus einigermaßen unter Kontrolle hatte. Aber er machte sich wohl wieder zu viele Gedanken, Robert war ein Polizist und kannte sich sehr gut aus. Gerrit musste endlich einmal lernen seinem Kollegen auch mehr zuzutrauen. Zu gerne erledigte er Dinge alleine und auf seine Art und überlegte auch schon wieder, ob er sich nicht zuerst allein auf dem Gelände auf die Suche nach Christophs Frau begeben sollte. Aber nein, er hatte Robert versprochen, dass er zum Auto ging und sich meldete. Daher stand er auf und tastete sich durch die Dunkelheit dahin zurück, wo er die schwere Feuerschutztür vermutete. Nur leider hatte er sich zu weit links gehalten und schubste einen Karton lautstark auf den Boden. Das Poltern musste durch die ganze Halle zu hören sein, so sehr hallte es nach. Gerrit hielt besorgt die Luft an und rührte sich nicht mehr. Er betete zu seinem Schutzengel, dass wirklich niemand mehr in der Nähe der Halle war und den Lärm hörte. Er wagte es beinahe fünf Minuten nicht, sich zu rühren. Als er sicher war, dass niemand auf einmal auf der Suche nach dem Grund für das Poltern hineinkam, tastete er sich weiter vor bis zur Tür. Seine Augen hatten sich wieder etwas an die Finsternis gewöhnt und so fand er die Tür schnell. Vorsichtig schob er das schwere Metall auf und blinzelte, da ihm die untergehende Sonne direkt ins Gesicht schien. Es war noch angenehm warm und die Feuerschutztür hatte etwas von der Sonnenenergie aufgenommen und strahlte etwas Hitze ab, daher lehnte sich Gerrit gegen die Tür und genoss den Augenblick. Er hatte lange schon nicht mehr einfach in der Sonne gestanden und sich entspannt. Ständig hatte er irgendetwas zu tun, huschte von einem Tatort zum nächsten und war sonst auch immer unterwegs. Er vermisste ein wenig Ruhe in seinem Leben und umso willkommener war ihm jetzt dieser Moment. Ein leises Lächeln spielte über seine Lippen während er so in der Sonne stand und einfach nur den Sonnenuntergang genoss.
Robert hingegen hatte im Krankenhaus nicht wirklich Ruhe und konnte auch die Sonne nicht genießen, denn er vermutete, dass er den Mann, der Christoph umbringen wollte, ausgemacht hatte. Der verdächtige Kerl scharwenzelte schon die ganze Zeit bei der Station herum und fragte immer wieder nach seinem Freund Christoph, der irgendwo hier sein musste. Das war allein schon sehr auffällig aber auch seine ganze Statur verriet, dass er eher der körperliche Typ war. Breite Rücken und Brustmuskeln, die Arme aufgepumpt, so sah kein gesunder Bodybuilder aus. Die Narbe auf der rechten Seite des Kopfes, die man gut sehen konnte, weil an dieser Stelle keine Haare wuchsen, machte das Bild perfekt. Für Robert war dadurch offensichtlich, dass dieser Typ Dreck am Stecken hatte. Sein Instinkt sagte ihm, dass er dem Mann jedoch unauffällig einen Tipp geben sollte und ihn zu einer dummen Tat anstiften sollte. Nur wie? Die Schwestern hatten jedenfalls Anweisung niemandem etwas von Christophs Anwesenheit zu erzählen und er konnte ja schlecht einfach hingehen und sich als Polizisten zu erkennen geben. Robert versteckte sich erneut hinter seiner Zeitung und überlegte fieberhaft, wie er den vermeintlichen Ganoven in einen Hinterhalt locken konnte. Schließlich kam ihm eine Idee und er zog sein Handy heraus und gab vor zu telefonieren. „Ja hallo Christoph! Na endlich ich warte schon Stunden auf eine Info von dir! Kann ich dich endlich besuchen kommen? Zimmer 401? Jetzt? Okay, dann bis gleich.“Robert stand auf und stiefelte den Gang hinunter. Schwester Gerda hatte Christoph ursprünglich in genau dieses Zimmer bringen wollen, bis sich durch Zufall das Zimmer 439 aufgetan hatte, was näher am Stationszimmer lag. Also musste Zimmer 401 immer noch leer sein und darauf baute Robert. Er war sich sicher, dass der Ganove sein Telefonat gehört hatte und ihm demnach folgen würde. Robert betrat das Zimmer und schloss die Tür sorgfältig hinter sich, dann begann er laut mit einem imaginären Christoph zu reden. Während er eine Geschichte vom Pferd erzählte, drapierte er einen Sichtschutz vor dem Bett zu seiner linken, sodass nicht gleich ersichtlich war, dass das Bett leer war. Dann suchte er über das Handy seinen Klingelton und spielte ihn laut ab. „Oh bitte entschuldige, Christian, das ist mein Chef, da muss ich ran. Ich komm dann gleich wieder.“, sagte er zum leeren Raum, dann wählte er die Telefonnummer der Kollegen, die ihn unterstützen kamen und verabredete sich mit ihnen am Ende des Ganges. Das Telefonat war schnell beendet und so musste Robert wieder mit seinem imaginären Chef telefonieren. Dabei verließ er den Raum und zog die Tür laut hinter sich zu, dass Messimos Handlanger das sicher hören musste. Dann schlenderte Robert total entspannt und plapperte irgendwelche Marketingzahlen in sein Handy. Aus dem Augenwinkel sah er einen Schatten hinter der großen Pflanze aber er ignorierte ihn. Er ging um die Ecke und an der Treppe warteten bereits seine Kollegen. Zu seiner Freude war Max dabei und er brachte sie schnell auf den aktuellen Stand. Max bekam den Auftrag nachzusehen, ob der Kerl noch im Gang stand und wartete, oder schon im Zimmer war. Der Kollege schlenderte los und kam nach einer halben Minute in leichtem Dauerlauf zurück: „Er ist gerade rein, jetzt zählt es.“ So leise wie möglich liefen die vier Polizisten los und postierten sich vor Zimmer 401. Leise und nur mit Handzeichen verständigten sie sich und warteten darauf, dass der Verdächtige heraus kam. Doch er kam und kam einfach nicht. Robert legte vorsichtig ein Ohr an die Türe und lauschte, doch er konnte nichts hören außer dem leisen Pfeifen des Windes. Des Windes? Vorhin war doch kein Fenster offen gewesen, wo kam dann der Wind her? Sofort richtete er sich auf, zog die Waffe und stürmte das Zimmer. Doch in dem Raum war niemand mehr. Einzig das Fenster war offen und die Vorhänge wehten leicht. Der Ganove musste sehr verzweifelt sein um sich auf den gefährlichen Weg über die Außenwand des Krankenhauses zu machen. Oder aber er war ein guter Kletterer. Robert schob sich zum Fenster und lugte hinaus. Doch er musste seinen Kopf schnellstens wieder zurück ziehen, denn in diesem Moment kam von oben etwa herunter gesaust. Robert befürchtete das schlimmste, als er erneut hinaus sah und den Blick gen Boden richtete. Er konnte nicht gut erkennen, was da nach unten geflogen war, doch es schien wenigstens kein Körper gewesen zu sein. Als Robert nach oben sah, staunte er nicht schlecht, denn der Verdächtige kletterte gerade an den Sicherheitsvorrichtungen und Fenstern des Krankenhauses in Richtung Dach. War der verrückt? Was genau dachte er sich dabei, er konnte jeden Moment abstürzen! Robert forderte seine Kollegen auf, den Mann am Dach abzufangen während er selbst mit Max auf das metallene Geländer vor dem Fenster kraxelte. Er hatte keine Ahnung wie der Ganove es geschafft hatte, so weit und schnell zu klettern, aber er war bereits eineinhalb Stock über ihnen und Robert wusste nicht, wie er vorgehen sollte ohne den Mann zu sehr zu erschrecken und ihn vielleicht zu Fall zu bringen. Max nahm ihm diese Entscheidung ab, denn er entsicherte seine Dienstwaffe und schoss zwei Mal schnell in die Luft. „Polizei, hören Sie sofort das klettern auf und warten Sie bis wir sie holen.“, rief er laut und energisch. Gespannt warteten die beiden Kommissare und beobachteten den Mann über ihnen, der einen kleinen Moment innehielt. Dann vernahmen sie ein lautes heiseres Lachen: „Ihr glaubt doch nicht ernsthaft, dass ihr mir etwas tun könnt? Wenn ihr mich anschießt falle ich und dann bin ich euch nicht mehr nützlich. Außerdem bin ich schneller auf dem Dach als ihr gucken könnt und dann bin ich auf und davon. Fangt mich nur erst einmal.“Mit diesen Worten langte er zum nächsten Fensterbrett und zog sich daran hoch. Die beiden Kommissare blickten bang nach oben, denn er hatte Recht – sie konnten ihm nichts tun. Der Ganove hatte nun bereits fünf Meter zwischen die Kommissare und sich gebracht, da passierte es. Die beiden anderen Kollegen tauchten am Rand des Daches auf und forderten den Ganoven ebenfalls auf, sich zu ergeben. Der Verbrecher verlor für einen winzig kleinen Moment die Konzentration und langte neben das Brett. Robert sah nur das Gesicht seiner Kollegen, das sich zu einer Maske des Erschreckens verzog, dann fiel der Mann stumm und wie ein Stein an ihnen vorbei in die Tiefe. Das letzte was Robert und seine Kollegen von ihm hörten war der dumpfe Aufprall. Robert musste sich stark zusammenreißen um sich über den Rand zu beugen und nach unten zu sehen. Dort ganz unten lag der Mann, die Glieder merkwürdig vom Körper weggestreckt. Vorsichtig stiegen Robert und Max ins Zimmer zurück, riefen ihre Kollegen der Spurensicherung und begaben sich auf den Weg zum Krankenhauseingang.
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Wie lange Gerrit vor der Halle in der Sonne stand, wusste er nicht aber als die Sonne beinahe untergegangen war und es langsam kalt wurde, öffnete er die Augen und wagte einen Blick auf die Uhr. Es war halb neun und die Sonne ging unter, relativ früh für die Jahreszeit eigentlich. Gerrit brauchte kurz um sein Hirn wieder zum Arbeiten zu zwingen und überlegte, was genau er jetzt eigentlich gerade machen wollte. Auto, heimfahren, Abendessen – Alex! Siedend heiß fiel Gerrit ein, dass er Alex ja heute Abend zum Essen eingeladen hatte – um acht Uhr hatte er bei Janis, dem Griechen einen Tisch bestellt und vorher wollte er sie abholen. Sie würde unglaublich sauer sein, dass er sie so versetzte. Ohne Rücksicht auf die Lautstärke hastete er um die Ecke zu der kleinen Tür durch die er vorhin hinein gekommen war. Nur leider war sie jetzt abgeschlossen. Einer der letzten Ganoven musste sie wohl abgesperrt haben. Na toll, das hatte ihm gerade noch gefehlt, er war schon viel zu spät dran und musste jetzt auch noch den Weg nach draußen suchen. Aber wo anfangen? Gerrit ging den Weg bis zu der Tür zurück, dabei überlegte er, wo er nun am besten hingehen sollte. Er entschied sich für weiter geradeaus laufen, denn es musste ja auf der Rückseite der Halle einen Ausgang, vielleicht ein Tor oder ähnliches, geben. Also hastete er los in Richtung des Hallenendes, doch ein paar Meter vor der Ecke blieb Gerrit abrupt stehen, denn jemand sprach mit ihm: „Ich danke dir, dass du mir die Arbeit einfach gemacht hast und mir gefolgt bist. Du wolltest doch zu mir, oder?“ Frank Messimos Gestalt schob sich um die Ecke und in Gerrits Gesichtsfeld und der Kommissar machte defensiv einen Schritt zurück. Die Pistole in Messimos Hand war direkt auf Gerrits Brust gerichtet und er konnte das hämische Grinsen auf dem Gesicht seines Gegenübers deutlich erkennen. „Ich hätte nie gedacht, dass du so dumm bist allein hierher zu kommen und uns zu belauschen. Aber im Nachhinein ist es wahrscheinlich einfacher so.“
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Bis ans Ende der Welt
AdventureUrlaubszeit für Alex und Gerrit! Doch was als schöne Entspannungswoche gedacht war, entwickelt sich zu einer Zerreißprobe für das K11-Team. Jemand überschätzt sich und die Bestrafung lässt nicht lange auf sich warten