Kapitel 12 "Schlechtes Gewissen?"

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Den ganzen Weg zurück lief Gerrit langsam, in sich selbst versunken und seine Beine bewegten sich wie von alleine. Er konnte keinen einzigen klaren Gedanken fassen. Was auch immer gerade passiert war, wie er sich da hatte hinein manövrieren können. Er hatte Urlaub, war mit Alex hier und nun hatte er ggf. einen Mord beobachtet und sollte helfen. All das war ihm ein Rätsel und er wusste nicht, wie er das vor Alex verheimlichen sollte. Die blutverschmierten Hände ließ Gerrit in den Hosentaschen, bis er an seinem Hotelzimmer angekommen war. Dort brach er beinahe vor dem Waschbecken zusammen, als er wie ihm Wahn seine Hände wusch. Ein Mensch war wahrscheinlich tot. Er hatte nicht helfen können. Er konnte Alex nichts sagen, ohne sie auch in Gefahr zu bringen. Was wäre wenn dieser Messimo erfuhr, dass er bei dem Schuss anwesend gewesen war, herausfand wo er wohnte und mit wem er und er Alex dann als Druckmittel benutzte? Wie oft war so etwas in Deutschland vorgekommen? Gerrit wollte nicht dafür verantwortlich sein, wenn Alex etwas passierte, schon gleich nicht hier im Ausland. Und all das, weil er Robert helfen wollte. In diesem Moment verfluchte er die Technologie, dass er in seinem Urlaub diese vermaledeite SMS bekommen hatte. Im nächsten Moment hatte er ein schlechtes Gewissen, immerhin konnte er Robert ja nicht einfach ignorieren. Ihm wurde schrecklich kalt und schlecht. Stöhnend ließ er sich zu Boden sinken und schloss die Augen. Nach einer ganzen Weile stand er auf und holte sich ein kaltes Wasser aus der Bar. Gerrit setzte sich auf die Couch und trank die Flasche in einem Zug leer. Doch die Übelkeit blieb ihm erhalten und so legte er sich hin und schloss die Augen. Keine Minute später war er eingeschlafen. 

Alex hatte sich derweil richtig ausgepowert, zuerst hatten sie am Strand ein Sand-Workout durchgeführt, das hatte sie jedoch nur sehr gut aufgewärmt, mehr war es nicht. Danach gab es ein Wettschwimmen  bis zu einer Boje in der Bucht bei dem sie Zweiter wurde – und das auch nur, weil sie einen Krampf in der Wade hatte. Nach einer kurzen Trinkpause ging es weiter mit Volleyball oder Boccia, Alex entschied sich natürlich für Volleyball, denn Boccia war in ihren Augen kein Sport. Zum Abkühlen gab es ein kurzes Wasserballspiel bevor sie wieder eine Pause einlegten. Zum Abschluss des Sporttages gab es noch eine Runde Wassergymnastik im Hotelschwimmbecken. Alex kam sich zwar anfangs sehr blöd vor, wie sie da mit ihrer Poolnudel im Kreis herumschwamm, doch bald machte es ihr richtig Spaß und sie fühlte sich danach wirklich entspannt. Sie unterhielt sich kurz mit einer ebenfalls deutschen Teilnehmerin und fachsimpelte ein wenig über den richtigen Einsatz der Poolnudel. Sie hatte eigentlich erwartet, dass Gerrit gegen Ende der Veranstaltung auftauchen und mitmachen oder sie einfach nur abholen würde. Doch irgendwie kam er nicht und so machte sie sich auf den Weg zum Hotelzimmer. Dort hängte sie ihre nassen Sachen erst einmal zum Trocknen in das Bad und zog sich um. Gerade als sie das Bad verließ fiel ihr ein Bluttropfen auf dem Boden auf. Sofort war sie alarmiert und ihr erster Gedanke war, Gerrit musste etwas passiert sein. Vorsichtig schlich sie um die Ecke ins Wohnzimmer und fand Gerrit dort – völlig verdreht auf dem Sofa liegend aber ruhig atmend. Alex war zwar irritiert, dass er drinnen schlief wo doch draußen so schönes Wetter war, doch sie dachte sich nichts Böses dabei. Sie hörte ein leises Brummen hinter sich und machte sich auf die Suche nach der Ursache. Schnell fand sie heraus, dass es Gerrits Handy war. Ihr erster Impuls war, darauf zu schauen und herauszufinden, wer etwas von ihm wollte. Doch andererseits war es auch nicht Rechtens, in fremde Handys zu sehen und sie wollte nicht sein Vertrauen missbrauchen. Daher schnappte sie sich ihr Buch und legte sich auf das Bett -  Gerrits Handy nahm sie mit und legte es auf den Nachttisch. Sie war ziemlich schnell in ihrer Fantasiewelt und erschrak daher sehr, als ein lautes Brummen ertönte. Gerrits Handy vibrierte erneut und durch die gute Akustik des Holzes auf dem es lag, war das Geräusch erheblich lauter. Erneut zwang Alex sich, nicht darauf zu schauen und versuchte sich auf ihr Buch zu konzentrieren. Doch immer wieder schweiften ihre Gedanken ab, weg von dem Buch und hin zu Gerrits Handy.

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Irgendwann legte sie ihr Buch weg und verschränkte sie die Arme vor der Brust um das Handy nicht anzufassen. Stattdessen überlegte sie, warum Gerrit schon schlief. Sie rief sich die letzten Tage in Erinnerung und ihr fiel auf, dass Gerrit ihr seit Dienstag komisch vorkam. Erst gestern war er nicht mit zur Massage gegangen, dabei hatte Michael ihr einmal erzählt, dass er Massagen eigentlich genoss. Und heute – was hatte er den kompletten Nachmittag getrieben? Was hatte ihn so fertig gemacht? Sie glaubte nicht daran, dass er sie betrog oder ähnliches aber sie hatte doch das Gefühl, dass er ihr etwas verschwieg. Erneut hörte sie das Vibrieren und diesmal hielt sie sich nicht zurück. Schnell drehte sie sich auf Gerrits Bettseite und nahm das Handy vom Nachttisch. Sie konnte nicht alles lesen, dafür war die SMS zu lang und der Bildschirm zu klein. Alles was sie sah war folgendes: Juanita hier. Ich musste dir jetzt schreiben. Es ist alles gut, niemand hat etwas gemerkt. Ich werde... Alex schnappte nach Luft und legte das Handy weg. Was zur Hölle war hier los? Wer ist diese Frau? Eine Verflossene aus Deutschland? Und dann schrieb sie ihm, wenn er hier im Ausland war? Das war ganz schön teuer. Hatte er sie hier kennengelernt und Nummern ausgetauscht? Nein, das war nicht möglich. Das würde ihm gar nicht ähnlich sehen – wenn er in einer Beziehung war, dann hatte er sich da auch für eingesetzt. Alex nahm ihr Buch wieder in die Hand und versuchte zu lesen. Doch erneut wollte ihr Hirn sie nicht in Ruhe lassen und kreiste stattdessen ständig um diese ominöse Juanita. Alex stierte in das Buch als wollte sie es mit ihren Augen verbrennen. Hatte er sich heute heimlich mit dieser Juanita getroffen? Woher kannte er sie? Sie war so sehr in ihre Gedanken vertieft, dass sie sich unheimlich erschrak, als neben ihr auf einmal das Bett wackelte. Gerrit war scheinbar aufgewacht und hatte sich neben sie geworfen. Nun schmiegte er sich an sie und legte ihr den Arm über den Bauch. Alex war zwar innerlich aufgewühlt und sehr verwundert über sein unerwartetes Kuschel-Bedürfnis, genoss aber trotzdem seine Nähe und nahm seine Hand in die ihre.  
Sie lagen eine ganze Weile so da und Alex döste nun ebenfalls ein wenig vor sich hin – schließlich hatte sie den ganzen Nachmittag über Sport gemacht und ihr Körper verlangte nach Ruhe. Gerrit hingegen konnte nicht schlafen. Er hatte immer noch Magenkrämpfe und die Übelkeit ließ ihn einfach nicht los. Vielleicht machte das auch sein schlechtes Gewissen Alex gegenüber. Er bezweifelte dies aber, denn als er geschlafen hatte, hatte er davon geträumt, dass das Blut an seinen Händen Roberts war. Gerrit drückte seine Augen mit großer Anstrengung zu um das Bild zu vertreiben. Er machte sich große Sorgen, obwohl er eigentlich Urlaub hatte und sich entspannen sollte. Vorsichtig drehte er sich weg von Alex und setzte sich an die Bettkante. Dabei entdeckte er sein Handy auf dem Nachttisch und wunderte sich. Hatte er es da vorhin abgelegt? Aber er war doch nicht im Schlafzimmer gewesen. Lag das Handy schon länger da? War er ohne unterwegs gewesen? Er zweifelte gerade an seinem eigenen Verstand, denn er konnte sich nicht erinnern. Abwesend aktivierte er das Display und seine Augen wurden groß, als er sah dass er drei Nachrichten hatte. Eine SMS von Robert, eine MMS und Nachricht von einer Nummer, die er nicht kannte. Zuerst las er die Nachricht seines Kollegen und musste schmunzeln: Robert klagte ihm sein Leid, dass Michael ihn nicht für ernst nahm und er die ganzen langweiligen Arbeiten übernehmen musste. Bin froh wenn ihr wieder da seid. Konntest du etwas herausfinden? Und danke, Gerrit. 
Das Bild öffnete er noch nicht sondern besah sich die SMS. Schnell und aufgeregt las er sie durch: Juanita hier. Ich musste dir jetzt schreiben. Es ist alles gut, niemand hat etwas gemerkt. Ich werde hier bei Philip bleiben, er ist noch nicht ganz über den Berg aber wach. Ich habe herausgefunden, dass Messimo wieder nach Deutschland fliegt. Das Bild soll ich dir von Philip schicken. Pass auf dich auf.
Gerrit wollte gerade das Bild öffnen, da regte sich Alex und schlug die Augen auf.

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