Als Michael an der ersten Tür klingelte dauerte es eine ganze Weile bis der Hausbewohner kam und sie öffnete. Ein großgewachsener Mann im Bademantel und nackten Füßen stand vor ihnen und rieb sich müde die Augen. „Sie wünschen?“, brachte er hervor bevor er laut gähnte. Alex starrte den Mann an und grübelte nach. Irgendwo hatte sie den Kerl doch schon einmal gesehen, oder? Sie starrte auf das Klingelschild. Pfeifer stand da. Aber irgendwo her kannte sie das Gesicht mit den dunkelbraunen Augen und Haaren. Doch es wollte ihr partout nicht einfallen. Sie konzentrierte sich nun auf das Gespräch, das Michael bereits mit dem Herren angefangen hatte – die üblichen Standardfragen „Wissen Sie, wohin es Herrn Hahn im Urlaub getrieben hat und wann er wiederkommt?“ Der Nachbar antwortete seinerseits schnell: „Aber natürlich, er hat es mir selber gesagt. Er wollte in der Türkei ein wenig entspannen. Ich erwarte ihn aber schon seit zwei Tagen aus dem Urlaub zurück und er hat sich bislang nicht gemeldet. Wäre es möglich, dass Sie mich informieren, wenn Sie ihn gefunden haben? Ich muss nämlich etwas sehr wichtiges mit ihm besprechen, wissen Sie.“, dabei wirkte er aber irgendwie entspannt und kein wenig besorgt. Alex fand, dass seine Augen einen lauernden Ausdruck hatten, doch sie verstand nicht wieso. Sie musste Michael unbedingt fragen, doch der führte erst einmal die Befragung weiter: „Wissen Sie, wo seine Frau ist? Haben Sie sie gesehen?“ Der Nachbar verneinte und gab auch bei weiteren, genaueren Fragen vor, nichts zu wissen. Es schien so als hätte ihn die Frau überhaupt nicht interessiert und als würde seine ganze Aufmerksamkeit nur Herrn Hahn gelten. Vielleicht hatte der Nachbar Alex‘ Argwohn bemerkt, denn als die beiden Polizisten sich verabschiedeten gab er sich sehr hilfsbereit: „Natürlich informiere ich Sie, falls er oder seine Frau nach Hause kommen sollten. Ihre Telefonnummer steht ja auf der Karte.“, dabei wedelte er mit der Visitenkarte vor ihren Gesichtern herum. Michael bedankte sich artig und wandte sich zum gehen. Alex folgte ihm, doch im Augenwinkel sah sie etwas aufblitzen und drehte sich ruckartig herum. Doch Herr Pfeifer stand nur lächelnd am Türrahmen und beobachtete wie die Kommissare sein Grundstück verließen, dabei schienen seine Augen nur auf der Kommissarin zu ruhen. Alex war verwirrt, hatte sie das Blitzen doch für den Lauf einer Pistole gehalten. Andererseits hätte es auch eine Armbanduhr sein können oder aber das Licht der Sonne, das sich in einer Scheibe gespiegelt hatte. Trotzdem hatte sie ein ungutes Gefühl, der Kerl hatte irgendetwas an sich, was sie alarmierte. Sie sah zu Michael, doch der schien ihr schlechtes Gefühl nicht zu teilen. Alex wollte ihren Verdacht erst einmal für sich behalten und abwarten. Vielleicht hatte ihre Unruhe ja gar nichts mit diesem Mann zu tun sondern war aufgrund ihrer privaten Situation entstanden. Sie konzentrierte sich auf den Weg und starrte auf das Klingelschild vor dem sie nun standen. Familie Sterning schien nicht zu Hause zu sein, denn die Kommissare warteten fünf Minuten und klingelten häufiger. Da niemand aufmachte, beschlossen sie die Streife später vorbei zu schicken. Also mussten sie wieder die Straße hinunter zu ihrem Auto laufen. Alex bekam Kopfweh vor lauter Grübeln. Sie war sich so sicher, dass sie diesen Herrn Pfeifer schon einmal gesehen hatte. Doch es wollte ihr überhaupt nicht einfallen und so gab sie das Nachdenken irgendwann auf. Michael war sehr schweigsam und hing ebenfalls seinen Gedanken nach. Wie sollte er sich nur Alex gegenüber verhalten? Er merkte, dass Sie sehr mit sich selbst beschäftigt war aber sollte er in sie dringen oder sie lieber in Frieden lassen? Und was war überhaupt mit Gerrit und Robert los? Die beiden meldeten sich überhaupt nicht in dieser Woche. Einzig der Zettel an der Fallmappe hatte gezeigt, dass die beiden da waren und arbeiteten. Ansonsten waren sie einfach abwesend und ließen auch nichts von sich hören. Michael war sich sicher, dass die beiden zusammen an etwas arbeiteten. Doch versuchten sie den Fall zu klären oder gingen sie einer eigenen Sache nach? Wenn sie eine eigene Sache bearbeiteten, könnten sie ihn ja einweihen, immerhin waren sie nicht nur Kollegen sondern auch Freunde. Aber konnte er ihnen helfen? Hatten sie ihn deswegen nicht eingeweiht? Der Kommissar hatte keinen Anhaltspunkt, wie er an seine Kollegen herantreten sollte. Weder bei Alex noch bei den anderen beiden hatte er das Gefühl, er sollte sich in die Sache einmischen. Also beschloss auch er zu warten. Die Stille im Auto war nun bereits greifbar, doch keiner wollte sie durchbrechen. Schlussendlich war es Michaels Magen, der einen lauten, grummelnden Ton von sich gab und Alex lachen ließ. Leicht verlegen doch grinsend sah Michael sie an und schlug vor ein Hähnchen zu essen. Es war ja bereits schon weit nach Mittag und Essen würde ihnen beiden gut tun. „Ein Hendl, Michi. Das solltest du doch langsam wissen.“, neckte Alex ihren Freund. Der zog einen Schmollmund und antwortete: „Und du weißt, dass ich das Wort nicht leiden kann. Es ist ein Hähnchen und fertig.“ Alex kicherte noch leise doch wiedersprach ihm nicht. Stattdessen drehte sie das Radio laut, denn eines ihrer Lieblingslieder lief gerade. Sie begann ein wenig lockerer zu werden und wiegte den Kopf im Rhythmus der Musik. Das hob ihre Laune so sehr, dass sie auch Hunger bekam und sich sehr auf ihr Hähnchen bei Albert freute.
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Gerrit erwachte und fühlte sich wie gerädert. Er hasste die Nachtschicht und ärgerte sich über sich selber. Er hätte ganz gemütlich die Frühschicht machen können und nicht seinen ganzen Biorhythmus durcheinander bringen müssen, hätte er Robert nichts versprochen. Dann hatte er sofort ein schlechtes Gewissen. Robert hatte ihn ja nicht zum Spaß die Nachtschicht machen lassen. Sie hatten ja ein Ziel und Robert war immer noch sehr nervös wegen der ganzen Geschichte. Ob sie wohl alle heil aus diesem Wirrwarr herausfanden? Wenigstens hatte ihm Alex geantwortet und ihre SMS hatte ihn aufgemuntert. Sie wollte morgen Abend gerne mit ihm ausgehen aber er hatte ihr auch Rede und Antwort zu stehen. Das war ja eigentlich genau das, was er machen wollte, er wollte reinen Tisch machen und ihr alles erzählen. Er konnte sie nicht durch Unwissenheit in Gefahr bringen. Der Kommissar stellte sich unter die Dusche um seine Lebensgeister zu wecken. Er blickte auf die Uhr vor seinem Spiegel und seufzte. Um seinen Schlaf stand es wirklich nicht zum Besten. Er wollte so lange wie möglich schlafen, doch er war jetzt schon wieder wach. Zwei Stunden früher als er hätte aufwachen wollen und jetzt musste er den Tag irgendwie überleben. Nach seiner Dusche organisierte er sich einen Kaffee und schaltete den Fernseher ein. Das Programm ließ zu wünschen übrig und so schweiften seine Gedanken ab. Wie sollten sie nun heute vorgehen? Gerrit musste unbedingt mit Robert reden. Er war sich sicher, dass Christoph noch irgendetwas wusste, doch wie sollten sie das aus ihm heraus kitzeln, wenn er nur nicken und den Kopf schütteln konnte? Das Krankenhaus wollte Robert informieren, sobald Christoph zur Befragung fit genug war. Doch wie schnell konnte so etwas gehen? Und dann war da noch Messimo. Gerrit hatte nichts mehr von ihm gehört doch war sich sicher, dass der vermeintliche Drogenboss noch immer Informationen erwartete. Gerrit hatte zwar keinesfalls vor ihm irgendetwas zu sagen aber er hatte ein ungutes Gefühl, dass er nichts mehr von ihm gesehen oder gehört hatte. Gerrit bevorzugte Feinde, die er im Blick behalten konnte, da konnte er mit umgehen. Aber so wusste er nicht, wann und ob eine Feindseligkeit ihm gegenüber zu erwarten war. Eine Explosion riss ihn beinahe von seinem Sofa herunter. Verwirrt und besorgt sah Gerrit sich um, dann stellte er fest, dass die Bombe nur im Fernsehen hoch gegangen war. Müde schüttelte der Kommissar den Kopf, dann schlurfte er in die Küche und holte sich noch einen neuen Kaffee. Als er zurück ins Wohnzimmer kam sah er die SMS von Robert.
R: Schläfst du noch?
G: Nein. Schlechte Nacht gehabt. Zu viel zum Nachdenken.
R: Geht mir auch so. Krankenhaus hat angerufen, Christoph kann jetzt befragt werden. Wann wollen wir hin?
G: Wenn, dann jetzt los. In 20 Minuten bin ich bei dir, dann schaffen wir es sogar noch vor Dienstbeginn.Schnell hatte Gerrit sich angezogen und seine Wertsachen in der Hosentasche verstaut. Keine 15 Minuten später stand der Skoda vor Roberts Haustüre. Gerrit stieg kurz aus und klingelte, dann setzte er sich wieder in den Wagen und wartete auf seinen Kollegen. Dieser kam auch kurze Zeit später und er sah heute wirklich etwas zerschlagen aus. Gerrit fühlte mit ihm, denn ihm ging es genauso. Als Robert eingestiegen war, fasste Gerrit den Mut seinem Freund zu sagen, was er am folgenden Abend mit Alex vor hatte. Robert starrte ihn missmutig an, doch sagte zum Erstaunen seines Kollegen: „Du hast ja Recht. Ich hasse es zwar, aber du hast Recht. Wir sollten es nicht vor unseren Partnerinnen geheim halten, das macht es nur noch schlimmer. Ich muss auch endlich den Mut finden, mit Julia zu reden. Wenn du es Alex morgen sagst, dann werde ich das auch tun.“Gerrit war beeindruckt von dieser Aussage. Robert schien es ebenso ernst mit Julia zu sein wie es ihm selbst mit Alex war. Die beiden gaben sich die Hand auf ihr Vorhaben und fuhren gemeinsam ins Krankenhaus um Christoph nun etwas genauer zu befragen, falls möglich.
Es dauerte nicht lange und die Kommissare standen vor dem Krankenzimmer und warteten darauf, dass der Arzt wieder heraus kam. Die Schwester hatte sie grimmig angesehen und ihnen befohlen draußen zu warten, da sie erst prüfen mussten ob der Patient überhaupt in der Lage für eine Befragung war. Doch es dauerte nicht lange und der Arzt gab das grüne Licht. Robert verschwand schon durch die Tür, da hielt der Arzt Gerrit am Arm fest: „Bitte gehen Sie vorsichtig mit ihm um. Er hat viel mitgemacht und wäre beinahe verstorben. Behalten sie seine Gesundheit im Auge.“Mit diesen Worten ging er den Gang hinunter und verschwand im Raum des nächsten Patienten. Gerrit kratzte sich verwirrt an der Augenbraue dann folgte er Robert und schloss die Türe hinter sich.
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Bis ans Ende der Welt
AdventureUrlaubszeit für Alex und Gerrit! Doch was als schöne Entspannungswoche gedacht war, entwickelt sich zu einer Zerreißprobe für das K11-Team. Jemand überschätzt sich und die Bestrafung lässt nicht lange auf sich warten