Kapitel 36 "Suche nach Vergebung"

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Im Krankenzimmer der Hahns war es ruhig und still. Erst als es klopfte hoben alle drei Hahns synchron den Kopf und blickten zur Türe. „Herein.“, forderte Christoph den noch unbekannten Besucher auf. Doch durch die Tür trat jemand, der allen gut bekannt war: Robert. Dieser schob sich mehr als zögerlich in den Raum und blickte dabei auf Julia, deren Gesicht von ihren Haaren verdeckt wurde. Was er nicht wusste war, dass Julia den Raum betreten, Christoph und Frederike umarmt und ihnen alles Glück der Welt für ihr Kind gewünscht hatte und nun seit einer Minute stumme Tränen der Erleichterung an den Hals ihres Bruders weinte. Sie saß halb auf dem Krankenbett und Christoph strich ihr beruhigend über den Kopf als Robert ihn anblickte. Er schenkte dem Kommissar ein aufmunterndes Lächeln und winkte ihn heran - Frederike, die ein Bett neben ihrem Mann saß und bereits wieder eine gesunde Gesichtsfarbe hatte, tat es ihm gleich. „Wie geht es dir?“, fragte Robert die Schwangere mit einem vorsichtigen Lächeln. Frederike Hahn lachte ihn entspannt an: „Sehr gut, das Kind ist wohlauf, mir geht es auch besser und die blauen Flecken werden schon auch bald wieder weg sein. Mein Mann wird so langsam auch immer gesünder im Gesicht, kurz: ich bin glücklich. Danke, Robert, dass du uns beiden geholfen hast. Hättest du dich nicht so für unsere Familie eingesetzt, wäre Christoph wohl nicht mehr hier.“ Der Genannte nickte ernst und gab Robert die linke Hand zum einschlagen, denn mit der rechten strich er seiner Schwester immer  noch über die Haare. „Ich bin froh, dass ich dir vertrauen konnte und du meine Frau gefunden hast. Ich bin mir sicher, dass Julia dein Vorgehen auch ein wenig nachvollziehen kann, wenn sie etwas darüber nachdenkt. Sie ist gerade noch sehr überwältigt von der Baby-Nachricht. Immerhin haben wir es lange genug vor ihr geheim gehalten. Es tut mir übrigens sehr leid, was mit deinem Kollegen passiert ist. Ich hoffe er kommt bald wieder auf die Beine!“ Robert nickte kurz, konnte aber nicht antworten, da sich ein dicker Kloß in seinem Hals gebildet hatte. Er war gerührt, dass Christoph und Frederike so dankbar waren und er hoffte sehr, dass Julia wirklich verstand, warum er sie nicht eingeweiht hatte. Und was Gerrit betraf hatte Robert noch einen wirklich schweren Gang vor sich. Denn er musste Alex noch beichten, dass Gerrit im Koma lag und dass die Verletzung seines Kollegen auch auf seine Kappe ging. Er wusste nicht, wie er das anstellen sollte und sein Blick musste verraten haben wie es in ihm aussah, denn die Hahns blickten ihn betreten und etwas mitleidig an. Robert stand etwas verwirrt im Zimmer herum, nicht wissend ob er jetzt einen Schritt auf Julia zugehen sollte oder einfach abwarten sollte. Dann hob Julia endlich den Kopf, schniefte und wischte sich die Tränen aus den Augen. Christoph zog seinen Arm zurück und die Laborantin rutschte vom Krankenbett hinunter um auf ihren Freund zuzutreten. Nicht wissend, wie er sich verhalten sollte blieb Robert einfach stehen und sah Julia aufmerksam an. Er sah, dass ihre Hände bebten und dass die rosa Flecken auf ihren Wangen langsam verschwanden. Und plötzlich, so schnell, dass er es kaum sah, hatte Julia ihm eine geklebt. Überrascht wollte Robert sich die Wange reiben, doch da hatte seine Freundin ihm schon die Arme um den Hals geworfen und so nahm er lieber sie in den Arm. Etwas verwirrt blickte der Kommissar zu Christoph und Frederike, die sich gegenseitig anlächelten und so musste Robert auch leicht lächeln. Als Julia den Kopf hob um ihn anzusehen, glänzten immer noch Tränen in ihren Augen aber ihre Miene war nicht mehr grimmig und so gestattete es sich Robert auch sie anzulächeln. „Ich verzeihe dir, weil du meine Familie gerettet hast, Robert. Aber mach so etwas ja nicht wieder! Solltest du so etwas noch einmal versuchen, dann hast du ein Problem. Uns solltest du mir noch einmal so eine große Sache verschweigen, kommst du nicht mit einer Ohrfeige weg. Verstanden?“, flüsterte Julia ihm zu und Robert gab ihr zur Antwort einen Kuss. Dann entwischte seiner Freundin ein Lächeln und sie nahm seine Hand in ihre. „Komm. Ich glaube, wir müssen jetzt zu Alex. Du solltest ihr endlich sagen, was mit Gerrit ist. Ich würde es wissen wollen, wenn dir so etwas passieren würde.“, sagte Julia nachdenklich, dann verabschiedete sie sich von ihrem Bruder und ihrer Schwägerin. Robert nickte beiden nur knapp zu, denn er war geistig schon dabei sich die Worte zu Recht zu legen, mit denen er Alex beibrachte, dass Gerrit im Koma lag.

Alex hingegen hatte nicht mal mehr einen Gedanken daran verschwendet ob Gerrit wohl schon aus dem OP draußen war. Max und sie hatten Messimo und seinen Prügelknaben ins Kommissariat gefahren, wo sie bereits erkennungsdienstlich behandelt und in Einzelzellen gesperrt worden waren. Während Alex noch ihre Fingerabdrücke durch die Datenbank jagte, hatte Michael den festgenommenen Drogendealer erfolgreich ausgequetscht und betrat das Büro um Alex zu informieren. „Hey Kollegin. Unser Vögelchen hat gesungen, und wie! Frank Messimo ist wohl der Kopf der Bande und hat ziemlich viel Dreck am Stecken. Neben Drogenhandel, Erpressung und Entführung steht wohl auch das Thema Menschenhandel in der Türkei auf der Liste seiner Vergehen. Ich habe den türkischen Kollegen bereits alle Informationen, die wir haben, weitergegeben und sie werden der Suche nach Messimo höchste Priorität geben. Wo warst eigentlich du die letzten zwei Stunden?“, trug der glatzköpfigen Kommissar verheißungsvoll vor, kaum dass er den Raum betreten hatte. Seine Kollegin grinste ihn schelmisch an und so hob er erstaunt eine Augenbraue. „Du kannst den Kollegen in der Türkei gleich wieder anrufen, ich habe den Gesuchten vorhin festgenommen. Max und ich haben einen Einsatz in einer Arztpraxis bekommen und schwupp hatten wir unseren Hauptverdächtigen inklusive seines Schlägertypen im Sack. Sie sitzen in bereits in Zelle drei und vier. Und der Computer vergleicht gerade die Fingerabdrücke mit denen aus offenen Fällen.“, fasste Alex grinsend zusammen. Michael pfiff bewundernd durch die Zähne: „Kollegin, du warst wirklich nicht untätig. Ich bin durchaus beeindruckt, da werden wir diesem Messimo wohl einen ordentlichen Strich durch die Rechnung machen. Aber sieh, der Computer hat seine Suche beendet.“ Tatsächlich war auf dem Bildschirm eine Liste aufgetaucht. Alex filterte sie und so wurden ihr die Fälle für Frank M. und seinen Handlanger separat angezeigt. Die Fingerabdrücke des Drogenbosses waren auf sechs alten, ungeklärten Fällen zu finden und die seines Handlangers sogar bei acht. Michael war beruhigt, so hatten sie hieb- und stichfeste Fakten, mit denen sie die beiden Verbrecher konfrontieren konnten. „Sollen wir anfangen?“, fragte er Alex, die den Rest ihres Kaffees hinunterstürzte und entschlossen nickte.

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Keine zwei Minuten später saßen die beiden Kommissare mit Frank Messimo im Vernehmungszimmer, das heißt Alex stand an die Wand gelehnt gegenüber und Michael saß direkt neben dem mutmaßlichen Verbrecher. Sie hatten beschlossen, dass Michael die Gesprächsführung übernehmen sollte und so stellte er zuerst Fragen nach seinem genauen Namen und seinem Beruf. Reine Routinefragen, die Messimo auch relativ zügig und offen beantwortete. Sobald Michael ihm die Vorwürfe des Drogenhandels aus der Akte vorlas, fing der Ganove an zu protestieren und sich fürchterlich aufzuregen. Alex konnte sich ein hämisches Lächeln nicht verkneifen. Sie wusste genau, dass Michael ihn noch ein wenig schimpfen lassen würde um ihm anschließend zu verklickern, dass einer seiner Handlanger ihn schon längst verpfiffen hatte. Sie freute sich auf den Moment, wenn Messimo verstand, dass er richtig in der Tinte saß. Der Anblick würde ihr bestimmt helfen die Geschickte hinter sich zu bringen. Und wahrscheinlich würde sein entsetzter Gesichtsausdruck auch künftig verhindern, dass sie ihm in eben dieses schlagen möchte. Doch leider kam Alex nicht mehr dazu, denn neben ihr ging die Tür auf und Roberts Gesicht schob sich hinein. Er sah seine Kollegin direkt neben sich stehen und flüsterte leise um das Verhör nicht zu stören: „Alex, könntest du bitte mal kommen?“ Nach einem kurzen Blick zu Michael, der das Verhör kurz unterbrach und einem bestätigenden Nicken seinerseits, verließ Alex das Verhörzimmer. Mit einem mulmigen Gefühl folgte sie Robert zum Büro. Ihr Kollege hielt ihr die Türe auf und zog sie hinter sich zu. Zu Alex‘ großer Verwunderung saß Julia in der Ecke auf dem Sofa und blickte zu ihnen herüber. Aus dem mulmigen Gefühl wurde ein ganz schlechtes und so drehte sich Alex abrupt zu ihrem Kollegen um und fragte beklommen: „Robert, was ist los? Ist etwas mit Gerrit? Jetzt sag schon!“ Als der junge Kommissar nicht mit der Sprache herausrückte verlor Alex etwas die Fassung: „Du erzählst mir jetzt sofort was los ist!“, fauchte sie und trat mit gehobenen Fäusten auf ihren Kollegen zu. Dieser blickte seine Kollegin immer noch unsicher an und schien die Sprache verloren zu haben. Alex kam ihm immer näher und hätte ihm wohl bald eine auf die Nase gegeben wenn sich nicht Julia zwischen sie gestellt hätte. Behutsam legte sie Alex den Arm auf die Schulter und hielt sie so in einigem Abstand zu Robert. Dann forderte sie ihren Freund auf, zu reden. Robert rang immer noch nach Worten und schlussendlich rutschte ihm nur noch heraus: „Gerrit muss länger im Krankenhaus bleiben. Er liegt im Koma.“  Alex klappte der Mund vor Erstaunen auf  und sie war plötzlich froh, dass Julia neben ihr stand, denn ihr wurde ein wenig schummrig. Vorsichtig führte Julia die Kommissarin zum Sofa, wo sie sich niederließen und Alex bittere Tränen am Hals der Laborantin. Robert vergrub seine Fäuste in den Taschen, damit er nicht auf irgendetwas neben ihm stehendes einschlug. Es dauerte lange, bis Alex sich beruhigte und Michael sie schlussendlich heimfuhr.

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