Das rote Glück

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Wir flogen über die Stadt hinweg. "Muss ich echt einen Menschen trinken?", fragte ich Manuel, der meine Hand während des Fluges hielt. "Nein. Wir fliegen weiter raus. Dort gibt es einen Bauernhof. Der hat Hühner. Die sind leicht zu fangen und schmecken gut." Ich sagte daraufhin nichts. Ich war nicht scharf darauf Blut zu trinken. Aber anders konnte ich mich nicht ernähren. Und das Kratzen im Hals war wirklich schlimm. Mein Magen fühlte sich auch leer an.

Wir landeten neben einer Scheune. "Also. Ich würde dir die Hühner empfehlen. Du kannst aber auch ein Pferd nehmen oder Kaninchen. Die Schweine sind zu laut, wenn wir hingehen. Das würde der Bauer bemerken." Manuel ging voran. "Hühner", nuschelte ich und folgte Manuel, bis wir vor einem Stall ankamen. "Und, wie mache ich das?", fragte ich ihn, mit dem Blick auf die schlafenden Tiere. "Du nimmst dir eins, hältst es fest und beißt in den Nacken. Pass aber auf, dass es dich nicht pickt. Das tut weh." Manuel kicherte und öffnete die Tür zum Stall. Ich bekam Gänsehaut. "Die sind ganz lieb. Ich esse häufiger hier. Abwechslung muss sein." Wir gingen in den Stall und schlossen die Tür wieder hinter uns. Manuel ergriff auch gleich ein Huhn, welches sich lautstark beschwerte, hielt aber den Kopf des Tieres fest und biss dem Huhn in den Nacken. Ich starrte ihn an und regte mich nicht. Der Vampir hatte die Augen geschlossen und man erkannte an seinem Kehlkopf, dass er trank. Und das Gleiche müsste ich auch gleich machen. Aber nicht nur heute. Sondern jede Nacht.

Manuel setzte ab und stellte das Huhn zurück auf den Boden. Sofort fiel es zur Seite um und blieb liegen. "Das braucht paar Minuten." Er drehte sich grinsend zu mir um. An seinen Zähnen klebte das Blut des Tieres. "Jetzt du." "Ich trau mich nicht." Ich sah auf die Hühner die aufgeregt gackerten. Manuel seufzte und schnappte sich ein braunes Huhn. Er hielt es fest. "Hier." Manuel streckte es mir zu. "Ich halte, du trinkst." Ich schüttelte den Kopf, woraufhin er genervt stöhnte. Du kannst auch verhungern, das ist dir klar." Er streckte das Huhn noch weiter vor. Zögerlich machte ich meinen Mund auf. "Ich sage dir, wenn du aufhören musst. Es stirbt nicht, keine Angst." Leicht nickte ich auf seine Worte, setzte dann meinen Mund an das Huhn an. Die Federn rochen stark. Dann bohrten sich meine Zähne in das Tier herein. Sofort schmeckte ich das süßliche Blut. Es lief mir in den Mund. Es schmeckte gut. "Saugen", hauchte Manuel mir zu. Ich fing an zu saugen. Die rote Flüssigkeit rann meinem Rachen herunter, spülte das Kratzen weg und füllte meinen Magen. Sofort hörten meine Schmerzen im Hals und Nacken auf. Auch fühlte ich mich stärker und wacher. Als hätte ich sehr lange geschlafen und dazu ganz viel Koffein zu mir genommen. "Okay." Manuel zog das Huhn von mir weg und setzte es ab. Wie auch sein Huhn, fiel es zur Seite um und blieb liegen. 

Ich wischte mir die Mundwinkel ab. "War es so schlimm?", fragte Manuel mich. Ich schüttelte den Kopf. "Ging eigentlich." "Warte erst ab, bis du mal einen Menschen probierst. Gerade so einen wie Dennos Blutgruppe. Es schmeckt so gut." Manuel streckte das "so", als würde er deutlich machen wollen, wie krass lecker diese Blutgruppe war.

Wir verließen wieder den Stall und gingen langsam, Hand in Hand, über den Bauernhof. Es war erstaunlich, wie ich sehen konnte. So hell und klar. Auch roch ich die Tiere, die sich in der nähe befanden. Ich roch ihr Blut. Mal mehr süßlich, mal eher sauer. Manche mehr nach Eisen, manche weniger. Die Schweine rochen aber eher mehr nach Mist, als lecker. Manuel beschrieb ihren Geschmack, als würde man auf einem Stück Heu kauen. 

"Können wir Denno besuchen?", fragte ich Manuel, als wir uns in die Lüfte schwangen. "Wenn du das willst", antwortete er. "Ja, will ich. Ich muss mit ihm reden." Manuel nickte und so flogen wir zusammen zu Denno, der vermutlich schon schlief.

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