Manuel war noch immer nicht bei Bewusstsein. Ich zerrte ihn aus den Schneemassen. Auch wenn er so dünn war, wog er gerade eine gefühlte Tonne. Und diese Tonne machte mir Sorgen. Als ich ihn aus dem großen Schneehaufen gezogen hatte, kniete ich mich neben sein Kopf. "Manuel, wach auf!" Ich klatschte leicht gegen seine Wange. Ich wusste nicht was mit ihm war. Wusste nicht mal, das Vampire ihr Bewusstsein verlieren konnte. War es Erschöpfung? Oder gar eine Krankheit? "Manuel!" Ich packte seine Schultern und rüttelte. Und dann hustete er. Er hustete stark, sodass er sich aufrichten musste. "Was ist passiert?", fragte er mit rauer Stimme, als er sich umsah und erkannte, dass wir uns am Boden befanden. "Sind abgestürzt. Du warst Ohnmächtig." Ich war erleichtert. "Abgestürzt? Ohnmächtig?" Wiederholte er verwirrt.
Ich erzählte ihm, was passiert war. Und er kratzte sich nur am Kopf und schwieg. Dann stand er auf. Fassungslos beobachtete ich sein vorhaben. "Wir müssen weiter." Er hob ab und wartete einen Meter über dem Boden, dass ich mich auch in die Luft begab. Doch ich blieb stehen. "Du willst weiter fliegen? Du bist grade abgeschmiert." Ich war wütend darüber, dass er sich selbst so wenig Beachtung schenkte. "Patrick, wir müssen es bis nach Zabrze schaffen. Sonst scha..." Ich fiel ihm ins Wort. "Eine Nacht länger oder nicht tut es auch nicht zur Sache. Wir suchen uns hier einen Unterschlupf."
Manuel landete. "Und wo bitteschön?" Er verschränkte die Arme. "Ja, das weiß ich auch nicht." Ich sah mich um. In der ferne erkannte man ein Dorf. Doch da gäbe es wohl kein Ort, an dem kein Sonnenlicht hinkam. Kein Ort, an dem wir komplett vor dem Tod geschützt sind. "Lass uns was suchen." Bittend sah ich Manuel an, der schon wieder anffing zu husten. "Wie geht's dir?", fragte ich ihn. Ich machte mir Sorgen. Er seufzte. "Mein Kopf schmerzt und mir ist schlecht. Ich glaube das Blut von dem Kind war nicht gut. Ich glaube das Kind war krank. Sah auch echt nicht so gut aus, das Ding." Seine grünen Augen sahen mich verzweifelt an. "Ich kann jetzt nicht krank werden. Dann verhungern wir beide. Du, weil ich dir nichts zu trinken holen kann und ich, weil ich nichts zu trinken holen kann. Man!" Er griff sich an den Kopf und drehte sich um. Ich blieb stehen. In mir kamen Schuldgefühle auf. Hätte ich den Blutrausch nicht, wäre Manuel nicht krank und wir nicht in dieser misslichen Situation. Ich würde ihm etwas zu trinken bringen. Doch ich vertraute mir selbst zu wenig um zu glauben, dass ich das schaffte.
Langsam ging ich zu Manuel und umarmte ihn von hinten. "Lass uns erstmal eine Unterkunft suchen. Sonst stehen wir hier noch bis die Sonne aufgeht."Wir flogen ein gutes Stück. Vielleicht sogar eine Stunde. Immer in Flugrichtung nach Rumänien. Ich hielt Manuels Hand, wärend wir flogen. Ich wollte ihn halten können, falls das Geschehen von eben sich wiederholen sollte.
Und dann erkannte ich ein anscheinend leerstehendes Gebäude. "Guck mal!", rief ich Manu zu und deutete auf das kleine Häuschen am Rande eines Waldes. "Lass uns nachsehen", bestätigte er mir somit meine Idee.Das Haus hatte ein halb eingestürztes Dach. Man konnte erahnen, dass dort die Helligkeit durchscheinen würde. Im Badezimmer jedoch war kein Fenster. Es war ein kleiner Raum. Gerade mal so groß das man zu zweit auf den Boden sitzen konnte. Und dann berührten sich schon die Knie. Doch es war besser als nichts.
In das Schlüsselloch stopften wir Zeitung, welche im Wohnraum rumlag. Manu fand eine alte Decke, die er auf den Boden vor die Tür legte. So konnte auch da kein Licht durchscheinen. Jetzt standen wir in diesem ekligen alten Badezimmer. "Wenn man hier keine Platzangst bekommt", seufzte Manu und setzte sich auf den maroden Holzboden. "Du hast Platzangst?", fragte ich und setzte mich ihm gegenüber. Wie schon gedacht, berührten sich unsere Beine. Doch das war nicht schlimm. "Ein wenig", schmunzelte er beschämt. Ich presste meine Lippen zusammen, konnte aber nicht anders. "Klaus, klaus, klaus", kicherte ich also. Doch von Manu kam nur ein verwirrter Blick zurück. "Klaus?" Es war klar das er den Witz nicht kannte. Aber wenn ich es ihm erklärte, war er danach genauso schlau wie vorher. Also winkte ich ab. "Egal. Wie geht's dir?" Manuels Wangen waren Rosa. Fast schon Menschlich. Das hatte ich bei einem Vampir noch nie gesehen.
Manuel lehnte seinen Kopf gegen die verbretterte Holzwand. "Gar nicht gut." Er schloss die Augen. Besorgt sah ich ihn an und strich über sein Knie. "Du hast ganz rote Wangen." Manuel schlug die Augen auf und legte seine Finger an sein Gesicht. "Na toll. Das fehlte uns noch. Patrick, ich muss schlafen und mich erholen." Er runzelte die Stirn. Ich wusste nicht, was das zu bedeuten hatte. "Okay", brachte ich also nur heraus. Manuel nickte und schloss wieder die Augen, um in den Vampirschlummer zu fallen. Ich mustere ihn.
Sein Gesicht sah eingefallen aus, trotz dieser rosa Wangen, die ihm etwas so Menschliches gaben. Ich wusste nicht, was man tun muss, wenn ein anderer Vampir krank war. Ich wollte Manu helfen, doch ich konnte nicht.
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Leben als Vampir
FanfictionZweiter Teil von meiner Geschichte "Der Vampir" Es lohnt, den ersten Teil vor diesem hier zu lesen. Patrick, der Junge, der sich in einen Vampir verliebt hat und somit viele Risiken eingegangen ist, ist nun selbst einer der blutsaugenden Wesen gewor...