Gespräch vorm tanzenden Feuer

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Ich hatte mich auf dem großen Sessel vor dem Kamin bequem gemacht und starrte auf die tanzenden Flammen wie im Trance. Meine Gedanken waren bei meiner Familie und Denno. In meinen Erinnerungen waren sie so Jung. Dabei waren sie alle schon lange tot. Denno hatte vermutlich eine Frau und Kinder. Vermutlich haben seine Kinder schon Kinder und vielleicht deren Kinder auch schon welche. Wie alt mein Vater wohl geworden ist? Wie lange er mit den Gedanken leben musste, dass sein Kind nie wieder kommen würde? Aber dennoch täglich die Hoffnung hatte, das sein Kind an die Scheibe klopfen würde? Vielleicht war es sein letzter Gedanke im Sterbebett gewesen. Ich, sein Kind.

Erneute Tränen stiegen mir in die Augen und ich zog meine Beine nur noch dichter an meinen Körper heran. Ob er und Hilde bis zum Ende zusammen geblieben sind? Ob mein Vater trotzdem glücklich sein konnte?

Ein Klopfen riss mich aus meinen kreisenden Gedanken. Ich schaute zu Tür, die sich gerade öffnete. Es war Manuel, der seinen Kopf durch den Spalt steckte und prüfend zu mir sah. Sofort schlich sich ein grinsen auf sein Gesicht und er trat ein. "Du erkennst mich doch, oder?", fragte er. Ich nickte und stand auf. Wir gingen aufeinander zu und fielen uns letzendlich in die Arme. "Scheiße, habe ich dich vermisst", hauchte Manuel gegen meine Schulter. "Jetzt bin ich wieder da." Ich musste lächeln. Ein echtes Lächeln. Er war gerade mein einziges Glück. "Du bist geheilt, baby", sagte Manuel und löste sich von mir. Er legte seine Hände an meine Wangen. "Und so wunderschön." Dann drückte er mir einen liebevollen Kuss auf. Ich seufzte in ihn. Auch wenn ich nichts von dem langen schlaf mitbekommen hatte, fühlte es sich an, als wäre ich in seinem Arm endlich wieder zuhause.

Wir machten es uns auf den roten Teppich bequem. Manuel legte sich eine Decke über die Schultern. Das flackernde Licht warf Schatten auf sein Gesicht. "Wie ist es dir ergangen die letzten hundert Jahre?", fragte ich ihn mit einem Kloß im Hals. Manuel schaute zu mir und lächelte leicht. "Wir sind umgezogen mit der ganzen Sippe. Wir wohnen jetzt hier in Rumänien. Es hat sich sehr viel verändert. Mein Bruder Stephan ist weg, nachdem er eine Vampirfrau kennengelernt hatte. Er zog zu denen in die Gruft. Kennengelernt haben sie sich auf einer Feier, vor gut fünfzig Jahren." Ich nickte leicht. Ich freute mich für Stephan, das er jemanden kennengelernt hatte. Dann schoss mir aber wieder meine Frage in den Kopf. "Und, und mein Vater? Ina, hilde? Und Denno?" Ich knetete nervös meinen Daumen und wartete auf die Antwort von Manuel.

Dieser seufzte. "Hilde ist sehr früh gestorben. Sie hatte Krebs im Endstadium. Nach ihrem Tod ist Ina nach Amerika gegangen und der Kontakt zu deinem Vater ist abgebrochen.
Denno ist mit achtzig gestorben. Ruhig eingeschlafen. Ich habe ihm erzählt, was mit dir ist. Er wollte vor seinem Tod unbedingt hierher kommen. Doch leider war er nach einem Schlaganfall nicht mehr in der Lage dazu." Er brach ab und musterte mich. Ich starrte einfach in sein Gesicht. Mein inneres zog sich zusammen, nachdem ich das gehört hatte. "Dein Vater hat sich nach Hildes tod und den Abbruch von Inas Kontakt dazu entschieden, ein Vampir zu werden. Ich habe ihn oft besucht, ihn aufgeklärt um dich. Ich wusste das du es nicht gewollt hättest, wenn ich deine Familie im unklaren gelassen hätte. Er ist hier im Schloss."

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