Park

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Ich schlug meine Augen auf. Wieder war der Holzdeckel dicht über meinem Kopf. Seufzend klappte ich ihn von innen auf. Ob ich mich jemals daran gewöhnen würde, dass ich nicht mehr von Sonnenstrahlen geweckt wurde oder von meinem Vater, in meinem warmen weichen Bett? Jetzt wachte ich allein, in dem harten Sarg auf und das im Dunkeln. Ich würde nie wieder die warme Sommersonne auf meiner Haut spüren. Nie wieder im Hellen am See sitzen, mit Denno lachen und das Glitzern der Sonne auf dem Wasser sehen. Nie wieder mit Papa spazieren gehen, im Auto sitzen und dem Regen zusehen, wie er an der Fensterscheibe entlang fließt. Nie wieder.

"Gute Nacht", grinste Manuel mich an. Er saß auf seinem geschlossenen Sarg und bürstete sich die Haare. Müde rieb ich mir die Augen. "Moin", murmelte ich krächzend. Mein Hals war Rau. "Da hat wohl jemand durst. Wir fliegen gleich. Ich muss nur kurz die Bürste zurück tun. Die gehört nicht mir." Augenzwinkernd wandte er sich ab und machte den Sarg auf, der weiter hinten stand. Währenddessen stieg ich aus meinem und machte gleich darauf den schweren Deckel zu. Mein Blick blieb an dem hölzernen Kasten hängen. Mein Vater hatte ihn für mich ausgesucht. Es war ein hübscher Sarg. Ich würde meinen, der hübscheste in der ganzen Gruft. Mit schnörkeln im Holz. Die Griffe waren aus Eisen gefertigt. Rustikal und dennoch Edel. "Was ist?" Manuel trat neben mir und rieb mir über den Rücken. "Ich vermisse meinen Vater." Tränen sammelten sich in meinen Augen. "Wir fliegen. Komm, zieh deinen Umhang über und los geht's." Manuel ging zu dem Schrank aus altem Holz, der in der Ecke der Gruft stand. Dort hingen die Vampirumhänge über den Tag hinweg. Meinen warf er mir zu. "Aber zuerst, essen wir. Heute Mensch?" Manuel grinste. Kopfschüttelnd warf ich mir den Umhang um die Schultern. "Ne, das, ne." "Dann fahren wir in den Park und jagen uns Kaninchen. Da gibt es viele. Und du musst das Jagen üben, sonst kommst du nicht weit im Leben." Er stieg die Treppe empor. Ich holte kurz Luft und folgte ihm die Steinstufen hinauf. Unsere Tritte hallten in der Gruft wieder. Dumpf, wie in einer Tropfsteinhöhle.

Wir landeten auf den Ästen eines Baumes. "Siehst du kleine süße Hässchen?", fragte Manuel. Unsere Blicke wanderten über den Park hinweg. "Nein", antwortete ich frustriert. Mein Hals kratzte schon fast unausstehlich. "Vielleicht ist es ihnen zu kalt." Manuel klapperte mit den Zähnen. "Da!", rief ich dann aufgeregt. Zwei kleine Kaninchen hoppelten über die Rasenfläche, wo man vereinzelnd Schnee liegen sah. Schnee, der Tagsüber taute. "Und wie fangen wir die jetzt?", erkundigte ich mich. Manuel hatte sich schon in die Lüfte geschwungen. "Sturzflug. Wie ein Adler." Somit flog er los. Ich hinter ihm her. Wir schafften eine beachtliche Höhe, bis Manuel "Jetzt" rief und nach unten sauste. Ungeschickt klemmte ich meine Arme an den Körper, um ihm nachzumachen. Doch ich blieb in der Luft stehen. Langsam fing ich an mit den Armen zu wackeln, mein Gewicht wieder zu verlagern und dann, nach einer gefühlten Ewigkeit, ging ich in den Landeanflug. Jedoch hatte ich mein Kaninchen verpasst. Ängstlich, war es hakenschlagend abgehauen und unter dem nächsten Busch verschwunden. Manuel hingegen, hielt ein zappelndes Tier in den Armen und presste es gegen seine Brust. 

"Du musst noch viel lernen", keuchte Manuel. Das Kaninchen in seinen Armen hatte die kleinen Äuglein panisch aufgerissen. Es sah aus, als würden die Augäpfel jede Sekunde raus fallen. "Trink du das. Während du bei deinem Vater bist, hole ich mir einen Menschen. Die nähren besser." Er schritt auf mich zu. "Und, und wie?" Ich sah auf das arme Tier. Langsam hörte es auf zu zappeln. "Wie bei dem Huhn. Nur musst du die Haut glatt ziehen. Die haben ziemlich viel Haut dort. Und Speck. Du musst tief rein gehen mit deinen Zähnen. Und trink das nicht Blutleer. Sonst bringst du es um." Ich nickte und legte meine zitternden Hände auf das weiche Fell des braunen Kaninchens. Langsam kam ich dann mit dem Kopf näher, öffnete meinen Mund, zog dabei die Haut straff und biss dann in das Tier hinein. Es zappelte auf, weswegen Manuel seinen Griff verstärkte. Doch ich unterbrach trotz allem mein trinken nicht. Das warme Blut löschte das Kratzen in meinem Hals aus. Es schmeckte besser als das Huhn. Süßlicher, weicher. Viel besser. Ich schloss meine Augen und trank und trank, bis Manuel das Kaninchen von mir wegriss. "Stopp, du tötest es." Schnell drückte er seine Hand auf die Verletzung. Das süße Ding hing schlapp in den Armen von Manuel. "Ich warte, bis es wieder etwas zu Kräften gekommen ist. Sonst kommt noch eine Katze oder so und erlegt es. Flieg du zu deinem Vater. Du weißt ja, wo er wohnt." Böse funkelte Manuel mich an. Ich wischte mir kurz das Blut aus den Mundwinkeln raus, nickte dann und stieg in die Lüfte. "Wir treffen uns an der Gruft. Und denk daran, dass es auch wieder Hell wird." "Ich denk dran." Dann drehte ich mich um und flog los, zu meinem Vater. Nach Hause.

Leben als Vampir Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt