Gespräch in der Gruft

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Ich landete auf dem Friedhof neben der Kapelle. Sofort glitt ich an der Backsteinwand hinab und hielt mir die Hände vor mein Gesicht. Ich zog die Knie dicht an meinen Körper und weinte. Meine Brust zog sich zusammen, als würde sie mir jemand zudrücken. Ich konnte nicht begreifen was mit mir los war. Wieso ich erst das Huhn und dann den Mann umgebracht habe. Und dann wollte ich für einen kurzen Moment das Selbe mit seiner Frau machen. Ich wischte mir unter der Nase lang. Ich begriff nicht, was mit mir war. Wieso meine Augen sich so anfühlten, wieso mein Rachen so brannte und mein Hunger nicht aufhörte. Ich hatte ein Huhn leer getrunken und einen ganzen Menschen. Doch mein Magen fühlte sich leer an und mein Hals rau und trocken. Als hätte ich die ganze Nacht nichts getrunken. Keinen tropfen Blut bekommen.

Ich lehnte meinen Kopf gegen die Wand und sah in den Himmel hinauf. Er war klar. Sterne leuchteten und ich erkannte das Sternenbild des Orion. Es war Halbmond. Eine einzelne Wolke glitt vor dem Mond vorbei und bedeckte ihn für einen kurzen Augenblick. Ich senkte meinen Blick auf meine Knie und umgriff sie mit meinen Armen, um sie nur noch dichter an meinen Körper zu ziehen. "Patrick?" Die Stimme von Manuels Mutter erklang. Ich traute mich nicht aufzusehen. Ich schämte mich. So verheult und voller Blut. So klein und zerbrechlich mich zeigen zu müssen vor einem Vampir, den ich kaum kannte. Auch, wenn wir zusammen wohnten. Hier unten in der Gruft. Ich hatte doch nur mit Manuel zutun, weil wir beide meist die letzten waren, die die Gruft verließen, um uns was zu Essen zu suchen. "Was ist mit dir?" Sie hockte sich neben mich hin. "Was ist passiert?" Ihre Hand legte sich an meine Schulter. Sie wollte das ich sie ansah. Und das tat ich auch. Ihre Augen sahen erschrocken aus. "Komm mit." Anstatt sich erklären zu lassen was war, griff sie nach meiner Hand und zog mich auf die Beine und schließlich hinter sich her, runter in die Gruft. Dort drückte sie mich auf einen der Särge und lief zum Schrank. Sie wühlte kurz dadrin und kam mit einem Lappen wieder. Diesen Tunke sie in eine Pfütze am Boden. "Hier, wisch dir das Blut vom Gesicht." Sie reichte mir den Lappen. Zögerlich nahm ich ihn und rubbelte ihn mir über die Wange, die Nase, stirn und Mundwinkel. "Und jetzt erzähl, was ist passiert? Wieso siehst du so aus?" 

Ich erzählte ihr, was ich getan hatte. Sie hörte mir geduldig zu. Als ich fertig gesprochen hatte, nickte sie. "Das ist etwas seltenes. Es kommt nur bei besonderen Vampiren vor." Überlegend sah sie auf den Steinboden. "Besonderen Vampiren?", schniefte ich. Dabei wischte ich mir noch etwas Blut von den Armen und Händen. "Es gibt Vampire, die verlieren die Kontrolle über sich selbst. Das nennt sich Blutrausch. Sie töten, können nicht aufhören zu trinken. Und in der Zeit, wo sie so sind, sind sie nicht sie selbst. Sie würden sogar ihre liebsten umbringen, nur um Menschliches Blut und das eines Tieres zu trinken. Ich bin erstaunt darüber, dass du dich selbst aus dem Rausch gerissen hast. Das du die Frau nicht umgebracht hast." Ich verkrampfte mich. Blutrausch. Nicht aufhören zu töten. Ich könnte in dem Zustand Manuel umbringen. "Ich bin ein Monster." Schlaff ließ ich meinen Kopf hängen. Monika legte ihre Hand auf meine Schulter ab. "Nein. Wir bekommen das hin, dass du nicht noch einmal in den Blutrausch verfällst." "Und wie?" Fragend sah ich sie an. Doch sie seufzte nur. "Ich werde mit dem Obervampir sprechen. Vermutlich musst du nach Transsilvanien fliegen, um von deiner besonderen Art wegzukommen." Ich presste meine Lippen aufeinander und stach mich dabei mit meinen eigenen Zähnen. Meine besondere Art, dachte ich. Nach Transsilvanien. "Okay", sagte ich dann aber nur.

Wenn es so kommen sollte, dass ich so weit fliegen musste, dann würde ich es tun. Ich wollte niemanden mehr umbringen und erstrecht nicht, dass ich Manuel wehtun könnte. 

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