Das Erwachen

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Das erste was ich spürte, war eine Decke, die auf meinem Körper lag. Unter meinem Kopf lag ein weiches Kissen. Langsam öffnete ich meine müden Augen. Ich sah einen Schrank, der neben mir stand. Ich lag auf einem Bett. Verwirrt sah ich mich um. Noch zu müde, um mich zu bewegen. Ich wusste nicht, wo ich war. Aber was ich wusste war, dass ich allein war. Nur wo?

Langsam richtete ich mich auf und verspürte sofort Trockenheit in meinem Rachen. Ich griff mir sachte an den Hals und sah mich weiter um, versuchte mich zu erinnern. Ich war im Schloss bei Graf Dracula. Ich kam hierher, um den Blutrausch zu behandeln. Mit Manuel, meinem Freund. Wo er nur war? Und wo war der Graf und dessen Gattin?

Ich warf die Decke mit einem Schwung von meinem Körper und stand auf. Sofort wurde mir schwindelig und ich musste mich wieder auf mein Hintern fallen lassen. Ein leichtes ächzen kam aus mir raus. Ich fühlte mich schwach an, als hätte ich mich eine Ewigkeit nur von Luft ernährt. Also schloss ich meine Augen und blieb sitzen, um Kraft zu sammeln. Aber bevor ich nochmal versuchen konnte aufzustehen, ging die Tür zu diesem Zimmer auf und die Frau des Grafen kam hinein. Sie sah mich und fing an, breit zu grinsen.

"Da bist du ja endlich", sagte sie und stellte das Tablet mit einem Krug und einem schlauch drauf, ab. Ich roch den süßlichen Duft von Blut. "Trink erstmal was. Das ist Blut eines Menschen. Gesund und gutes alter. Hier." Sie reichte mir den Krug, den ich sofort in die Hand nahm und an meinen Mund ansetzte. Ich trank einen großen Teil weg, bevor ich keuchend absetzte und mir den Mund abwischte.

"Wo ist Manuel?", fragte ich sie dann. "Gerade auf der Jagd. Zur Zeit ist es nicht so einfach an gutes Blut zu kommen und wir versuchen das, was es gerade hier in der Gegend noch gibt, zu finden und aufzubewahren. Gerade jetzt im Sommer, wo selbst Nachts die Temperaturen auf diese Höhe klettern." Ich runzelte die Stirn. "Wieso?" Die Frau zog einen Stuhl zum Bett und setzte sich mir gegenüber. "Du hast ganze hundertzwanzig Jahre geschlafen, Patrick. Auf der Welt hat sich viel verändert."

Ich war geschockt. Mein ganzer Körper verkrampfte sich und mein Kinn fing an zu zittern. Meine Augen wurden Nass und meine Gedanken überschlugen sich. "Was?", fiepste ich und merkte, wie die erste Träne mein Auge verließ.
Hundertzwanzig Jahre geschlafen. Das hieße, dass jeder aus meiner Familie tot war. Mein Vater, Hilde und auch Ina. Es hieß, dass mein bester Freund Denno nicht mehr am Leben war. Alle die ich kannte waren Tod. Und ich konnte mich nicht verabschieden, ihnen nicht erzählen wieso ich nie wieder zu Besuch kam. Ich weinte bitterlich los und die Frau nahm mich tröstend in den Arm. Vermutlich wusste sie, was in meinem Kopf vorging und somit auch in meinem toten Herzen.

Der Gedanke an meinem Vater zeriss mir mein Inneres. Er hatte sein restliches Leben auf mich gewartet, doch ich kam nie durch das Fenster, welches er offen stehen lassen wollte. Er hatte mich zwei Mal verloren. Einmal, als ich als Mensch starb. Er dachte, er hätte sein einziges Kind verloren. Und ein zweites Mal, als er wusste ich lebte. Aber nie wieder zu ihm kam. Er hatte sich bestimmt gefragt wieso. Bestimmt hatte er sich Vorwürfe gemacht. Ich krallte mich an die Schultern der Frau. Mein ganzer Körper bebte vor Trauer. Sie hatten mich verloren. Alle meine Freunde und meine ganze Familie. Und nun habe ich sie verloren. Alle auf einen Schlag.

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