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"Und?", empfing Ella mich am Montagmorgen im Bus. "Warst du bei deinen Nachbarn?" Ich ließ mich zuerst auf dem Platzt neben ihr fallen und schüttelte den Kopf. "Ich habe ja keinen Persönlichen Gegenstand von ihnen.", fügte ich hinzu. "Warst du sonst noch mal im Korridor?", wechselte Ella das Thema. "Ja, in der Nacht auf Sonntag.", erwiederte ich und erinnerte mich mit leichtem Schaudern an das Treffen mit Anabel. "Ich habe Anabel Scott getroffen. Leider wurde ich aufgeweckt, bevor ich etwas interessantes aus unserem Gespräch entnehmen konnte. Miranda hatte ihr Fenster auf und etwas Rauch von dem Sternenfeuer in der Marienstraße ist in ihr Zimmer gekommen. Ihr Rauchmelder ist los gegangen. Wie einmal, als ein Experiment von diesem einem Lehrer falsch gelaufen ist und es in der Schule Feueralarm gab." Ella grinste. Damals mussten wir dann alle raus. Und die gesamte 12. Klasse musste eine Matheklausur wiederholen. "Und in der letzen Nacht?" "Ich habe meine Türe nicht gefunden." Obwohl ich mir fest vorgenommen hatte, Anabel oder sonst jemanden wieder zu finden, war es mir nicht gelungen, die rote Tür zu entdecken.

Quälend langsam zogen die Worte von Frau Tua an mir vorbei. Sie erzählte irgendetwas von Steigerungen im Französischen, wobei ich ziemlich schnell abdriftete. Ella neben mir passte gezwungen auf. Sie behauptete seit Beginn des Schuljahres, Frau Tua hätte sie auf dem Kicker. Das stimmte aber absolut nicht. Ich hatte einmal auf dem Gang gehört, wie sie mit unserer Englischlehrerin darüber gesprochen hatte, dass Ella, wenn sie sich anstrengte viel mehr konnte als das, was sie zeigte. Sie wollte das vermutlich einfach aus Ella herausholen.
"Cahier d'activité page trentehuit numéro sept s'il vous plaît.", tönte Frau Tuas Stimme in meine Gedanken. Ich schlug in meinem Arbeitsheft die Seite 38 auf und sah auf die Nummer 7. Nachdem wir 15 Minuten lang diese und andere Aufgaben gemacht hatten, klingelte es endlich zu Pause. Ella und ich machten uns auf den Weg in die kleine Schulbücherei, die unser absoluter Lieblingsplatz in der Schule war. Hier konnte man ungestört lesen und sich ruhig unterhalten, ohne brüllen zu müssen. In der normalen Pause war es zwar etwas lauter, aber in der Mittagapause war es meistens absolut ruhig. Das machte den Mittwoch mit den 2 Stunden Sport am Nachmittag doch um einiges erträglicher. Vermutlich, weil es dann keine 5. Klässler, die versuchten Essen hereinzuschmuggeln, gab.
Doch im Treppenhaus wurden wir von Lucy, einem weiteren Mitglied in Carinas Zickenverein, aufgehalten. Sie war noch die erträglichste von Carinas Hofstaat, man konnte sich mit ihr manchmal normal unterhalten. Allerdings nur, wenn Carina nicht in der Nähe war. Und diese kam jetzt leider mit Alice die Treppe herunter. "Ach, super, Lucy!", rief sie grinsend. "Du hast die beiden gefunden." Ich verdrehte die Augen. Was wollte Carina von uns? Wohl kaum, zu ihrem Geburtstag einladen. Nun baute sie sich vor uns auf. "Ich nehme an, ihr habt es auf dem Infoscreen gelesen.", begann sie. "Dass wir morgen kein Informatik haben?", entgegnete Ella ironische. Darauf wollte Carina nämlich bestimmt nicht hinaus. Außerdem hatten wir gar nichts am Infoscreen gelesen. Dass wir morgen Frau Blume als Vertretung anstelle von Informatik hatten, hatten wir lediglich durch ein Gespräch von Tom und Michael erfahren. Carina warf ihre Haare in den Nacken. "Natürlich nicht.", schnaubte sie. "Am Mittwoch ist Motto-Mittwoch und ich möchte nicht, dass ihr der Klasse wieder die Chanche auf den Klassenpreis versaut!" Meine Laune sank augenblicklich. Ich hasste Motto-Mittwoche. An diesen Tagen bekamen alle, die etwas zu einem bestimmten Motto trugen eine kleine Packung Gummibärchen und die Klasse, in der der größte Anteil an Mottos war, bekam für den Rest der Woche (also Donnerstag und Freitag) keine Hausaufgaben auf. Es gab die verschiedensten Mottos. Einmal sollten alle in Jogginghosen und ein mal in Grün kommen. "Und was ist das Motto?", fragte Ella gelassen. Ihr waren sämtliche Sticheleien von Carina egal. "Ein gestreifter Pullover. Das bekommt ihr wohl auf die Reihe." Carina fauchte nun förmlich. Dann drehte sie sich mit einer schnellen Bewegung um und ging. Lucy und Alice folgten ihr, wobei Lucy uns noch einen entschuldigenden Blick zuwarf. Ella grinste nur. "Ich habe einen wunderschönen Pünktchen Pullover zu Hause. Du nicht auch?", spottete sie. Ella trug an Motto-Mittwochen seit der 5. Klasse demonstrativ das Gegenteil des Mottos. Am Jogginghosen Tag hatte sie sogar einen Jeans Rock an, obwohl sie Röcke ansonsten verabscheute. Und am Grün Tag trug sie ein Pinkes T-Shirt. Ich zog an diesen Tagen eigentlich immer das an, was ich auch normalerweise anziehen würde. Dann war es eben am Weihnachtlichem Tag ein Schneemann Pulli. Das war mir dann auch egal.

Silber- Das vierte Buch der TräumeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt