Livs Haargummi? Check.
Mias Armband? Check.
Graysons Schal, der mir eh nichts bringen wird? Check.
Henrys Kissen? Check.
Mirandas Socke? Check.
Ich dachte kurz nach. Ja, ich müsste alles haben, was ich haben könnte. Perfekt. Auch wenn ich vermutlich merkwürdig aussah, aber nun ja, mich würde ja niemand sehen. Ich lehnte mich zu meinem Nachttisch um meine Lampe auszuschalten. Dabei fiel mein Blick auf ein Lederarmband. Ich runzelte die Stirn. Dann fiel mir wieder ein, dass Ella es mir mal gegeben hatte. In der Nacht, in der ich den Korridor entdeckt hatte. Warum war es noch hier? Ich musste danach komplett vergessen haben, es ihr zurück zu geben. Ich lächelte. Perfekt. Vielleicht konnte ich so in ihren Traum. Einfach so, als Diana. Hatte sie nicht selbst einmal gesagt, dass man auf diese Art herausfinden konnte, was jemand wirklich von einem hielt? Dass sie Carina im Traum manchmal sagte, wie sehr sie sie hasste? Auf diese Art könnte ich perfekt herausfinden, was sie über mich momentan dachte. Und sie würde sich hoffentlich nicht einmal daran erinnern. Und wenn doch denken, es wäre ein total normaler Traum. Ich band mir das Band um. Vielleicht könnte ich auch auf diese Art meinen Stand bei anderen Leuten ausprobieren. Wie wäre es mit Tom? Oder Carina? Es sollte nicht allzu schwer sein, etwas von ihnen zu bekommen. Ich könnte mein Federmäppchen vergessen und nach einem Stift fragen. Den könnte ich dann vergessen zurückzugeben, dann damit in einen Traum gehen und ihn am nächsten Tag zurückgeben.
Ich schaltete das Licht aus und starrte in die Dunkelheit. Ich erinnerte mich daran, dass ich noch immer keine Idee für eine Sicherung hatte. Es sollte ein Rätsel sein. Nicht zu leicht. Vielleicht das mit den Brüdern aus Momo? Nein, das kannte jeder, der Momo kannte. Und wie wäre es mit einer Kombination? Erst das Momo Rätsel und dann... Das Rätsel der Sphinx! Und dann noch das Rätsel, dass diese Sphinx im vierten Teil von Harry Potter Harry stellt. Im Labyrinth. Genau, das war gut. Und dann noch welche vom verwunschenen Kind. Warum denn nicht? Weil es zu viel wäre. Bis man alle Teile gehört hätte, wäre es Morgen. Wie wäre es mit... plötzlich hatte ich eine Idee. Sie war wäre aufwändig und würde definitiv Nachdenken meinerseits erfordern. Aber es wäre echt schwer und -zugegeben- ziemlich genial. Ich griff zu meinem Lichtschalter und klipste das Licht wieder an. Dann stand ich auf und ging zu meinem Schreibtisch. Ich kramte einen Block, einen Kugelschreiber und meinen Taschenrechner aus meinem Schulranzen und begann zu überlegen, zu tippen und zu schreiben. Als ich eine Stunde später fast fertig war, hatte ich eine weitere geniale Idee. Ich öffnete eine Schreibtischschublade und suchte ein wenig nach einer kleinen Tabelle. Dann klopfte ich zum probieren ein wenig auf meinen Schreibtisch, nicht zu laut, um niemanden zu stören. Ja, das sollte funktionieren. Als ich endlich fertig war, betrachtete ich ziemlich zufrieden mein Ergebnis. Ich versuchte, es auswendig zu lernen, als ich jedoch endlich zugedeckt und einschlafbereit im Bett lag, merkte ich, dass ich die Hälfte schon wieder vergessen hatte. Ich wollte jedoch nicht nochmal aufstehen, weshalb ich beschloss, meine Tür erst in der Nacht danach zu sichern. Diese Nacht würde ich sowieso genug mit Miranda und Ella zu tun haben.Ich stand auf einem wackeligen Boot. Mir war übel und zur Sicherheit stand ich schon an der Reling. Hinter mir stritten sich Miranda und Carina, wer sich besser um Brokoli kümmern konnte. Als ich mich umdrehte, um ihnen zu sagen, dass Brokoli sowieso ekelhaft sei, entdeckte ich eine bekannte rote Tür auf dem sonst dunkelblauem Schiff. Ich seufzte erleichtert. Ich träumte nur. Ich lief sofort darauf zu, allerdings versperrte mir die Traum-Carina den Weg.
,,Diana!", rief sie. ,,Sag deiner Schwester, dass sie sich nicht um Brokoli kümmern kann! Sie behauptet, man müsse nur zweimal täglich mit ihm spazieren gehen! Man muss mindestens viermal täglich mit ihm raus!"
,,Dafür behauptet sie, dass man Brokoli mit Kunstblumen füttern muss! Das ist kompletter Schwachsinn! Jeder weiß doch, dass Brokoli nur feinste Flummis frisst!", entgegnete Miranda entsetzt.
Ich stöhnte. Na großartig. Ich versuchte, die beiden in das erste zu verwandeln, das mir einfiel. Meerschweinchen. Aber blöderweise gelang mir dies nicht ganz, sodass daraufhin zwei Meerschweinchen mit den Köpfen von Miranda und Carina vor mir saßen. Beides war in Orginalgröße, sodass ihre Köpfe etwa Zehn mal so groß waren, wie ihr Körper.
,,Hey Diana! Was soll das? Verwandelt uns wieder zurück!", rief Miranda mir zu, während ich den Katzentürgriff berührte.
,,Tschuldigung...", murmelte ich und verschwand auf den Korridor. Endlich.
Ich sah mich um. Der Korridor sah anders aus als noch letze Nacht. Neben mir war eine pastellfarbene Tür mit Blumenverzierungen. Vielleicht gehörte sie Lucy. Dafür war die Tür mit Snape fast am anderen Ende vom Korridor. Die wunderschöne bemalte Tür war in meiner Nähe. Okay, zu wem sollte ich zuerst? Miranda oder Ella? Ich entschied mich für Miranda. Ich war mir noch nicht sicher, wie ich mich bei Ella verhalten sollte, also wäre das vermutlich unklug.
Ich ging auf die Tür zu und blieb kurz davor stehen. Was, wenn sie mich gleich sah? Und es vielleicht sogar plötzlich zwei Dianas gab? Ich warf diesen Gedanken ab. Dann würde sich Miranda wenn dann fragen, was sich ihr Unterbewusstsein da ausgedacht hatte. Oder, was wahrscheinlicher war, sie hatte den Traum eh vergessen.
Als ich die Tür vorsichtig öffnete, empfing mich sofort Vogelgezwitscher und Waldgeruch. Ich war in einem Wald gelandet. Bei genauerem Hinsehen erkannte ich ein kleines Wäldchen, das in der Nähe von unsere Stadt lag. Es gehörte einem Bauern namens Joachim Schmidt und er wurde fuchsteufelswild, wenn er jemanden dort erwischte, der sich vorher nicht die Erlaubnis geholt hatte, den Wald zu betreten. Wenn man ihn allerdings davor fragte, durfte man dort sogar Zelten. Das wusste ich von Miranda, die das vor zwei Jahren mal gemacht hatte. Ersteres wusste ich im Übrigen aus meiner eigenen unschönen Erfahrung. Ich war mit Ella einmal hineingelaufen und wir hatten dort verstecken gespielt, bis Joachim mich gefunden hatte, bevor Ella dies tat und sich dann mit verschränkten Armen vor die noch immer suchende Ella gestellt. Seitdem hatte wir auch nie gefragt, ob wir in den Wald durften, da er uns immer böse ansah, wenn er uns zufällig in der Stadt sah. Zu unserer Verteidigung konnte man jedoch hinzufügen, dass wir damals erst acht waren und Joachim wirklich nachtragend sein konnte. Also war es das erste Mal seit fünf Jahren, dass ich diesen Wald betrat, was sich irgendwie merkwürdig anfühlte. Ich wusste, dass ich hier nicht erwünscht war und hatte das merkwürdige Gefühl, dass sich Miranda wohl auch nicht freuen würde, mich zu sehen. Ich atmete tief durch und setzen den ersten Schritt auf den Waldboden. Als ich etwas weiter eingedrungen war, sah ich meine Schwester, die auf einem gefällten Baumstamm saß, schließlich. Sie war jedoch nicht allein. Bei ihr war ein Junge. Ich runzelte die Stirn. Wer das wohl war? Eigentlich interessierte sich Miranda nicht für Jungs. Sie sagte immer, ein Freund würde sie viel zu viel ablenken, außerdem habe sie gar keine Zeit. Allerdings konnte es auch sein, dass diese Exemplar nur eine Traum Kreation war. Ich betrachtere ihn ein wenig. Er hatte schwarze Locken, die ihm ein wenig ins Gesicht hingen und fast bis zu seinen dunkelgrünen Augen reichten. Er war ziemlich groß und trug eine Jeans und ein T-Shirt, das die gleiche Farbe wie seine Augen hatte. Ich überlegte, ob ich ihn schon einmal gesehen hatte, kam aber auf kein Ergebnis. Er sagte etwas und Miranda lachte. Ziemlich laut, für ihre Verhältnisse. Ich kam etwas näher, doch unglücklicherweise sah mich Miranda in diesem Augenblick. Sie runzelte die Stirn.
,,Diana, was machst du hier? Das ist gerade echt unpassend." Ich öffnete meinen Mund, um etwas zu sagen, doch der Junge kam mir zuvor.
,,Du bist also Mirandas Schwester? Sie hat schon Mal von dir erzählt. Ich bin Louis."
Er hielt mir seine Hand hin. Ich schüttelte sie etwas unbeholfen.
,,Ich bin seit letzter Woche neu an Mirandas Schule. Kurzfristiger Umzug, echt nicht so toll in der Oberstufe."
Aha, das war es also. Ich hatte ihn möglicherweise am Montag kurz gesehen, allerdings war ich mir nicht ganz sicher. Ich war mit andren Dingen beschäftigt gewesen. Und dann sind wir schon zum Bahnhof aufgebrochen. Es war also gut möglich, dass Louis echt war.
,,Diana, bitte geh wieder.", sagte jetzt Miranda.
Ich seufzte und ging den Weg zurück, den ich gekommen war. Allerdings blieb ich stehen, sobald ich aus ihrem Sichtfeld war. Dann dachte ich mit aller Kraft an eine Fliege. Tatsächlich gelang mir die Verwandlung ohne Fehler. Ich flog kurz in die Luft um mich daran zu gewöhnen. Dann nahm ich wieder Kurs auf Miranda und Louis und ließ mich auf Mirandas Kopf nieder. So würden sie mich vermutlich nicht einmal sehen, auch wenn blonde Haare vielleicht nicht unbedingt das genialste Versteck für eine Schwarze Fliege waren. Miranda erzählte Louis gerade eine Geschichte. Ich brauchte kurze Zeit, bis ich verstand, dass sie von mir handelte. Genauer gesagt davon, wie ich im Kindergartenalter einmal in den Teich im Park gefallen war. Ich wollte gerade ,,Hey! Lass das!" rufen, als mir glücklicherweise noch rechtzeitig einfiel, dass ich eine Fliege war. Louis lachte über die Geschichte und ich bereute es, kein Tier genommen zu haben, dass Miranda jetzt zerfetzen konnte. Meine Kindergartengeschichten gingen keinen was an! Egal ob im Traum oder in der Realität!
In diesem Moment beugte sich Louis plötzlich vor und küsste Miranda. Anstatt zurückzuschrecken, küsste sie ihn zurück. Ich hob sofort ab und schwirrte zu Mirandas Traumtür zurück. Dort verwandelte ich mich zurück und verschwand aus Mirandas Traum. Als ich wieder im Korridor stand, atmete ich auf. Verdammt. Ich hatte das ungute Gefühl etwas gesehen zu haben, was nicht für meine Augen bestimmt war. Ich versuchte, mir einzureden, dass Louis einfach nur von Mirandas Unterbewusstesein erfunden war, allerdings glaubte ich nicht wirklich daran. Das einzig gute an diese Sache war, dass Miranda keine Ahnung hatte, dass ich wirklich in ihrem Traum gewesen war. So wusste sie immerhin nicht, dass ich sie gesehen hatte. Allerdings hatte ich deshalb vorerst keine Chance herauszufinden, ob Louis real war. Ich konnte ihn erst vielleicht nach den Ferien sehen. Oder eben nicht. So ein Mist.
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Silber- Das vierte Buch der Träume
FanfictionDiana Puckle ist ein verträumtes, 13-jähriges Mädchen. Seit sie die Silber-Trilogie gelesen hat, lässt sie von dem Wunsch, ihre Traumtür zu finden nicht mehr ab. Als dieser Wunsch jedoch in Erfüllung geht, muss sie feststellen, dass Arthur erneut se...