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Ich warf einen angstvollen Blick zu Ella und Lucy.
,,Ich habe ein Problem.", sagte ich mit brüchiger Stimme.
,,Was denn?", fragte Ella.
,,Der Schlüssel. Er  liegt in unserem Zimmer."
,,Ohhh. Nicht du hast ein Problem,wir alle haben ein Problem."
,,Und jetzt?" Lucy klang panisch. ,,Was machen wir denn jetzt?"
,,Nun ja...", sagte Ella. ,,Ich...Ich habe keine Ahnung."
Wir standen mittlerweile vor dem Haupteingang der Jugendherberge und blieben stehen und sahen uns an.
,,Es gibt verschiedene Optionen.", fasste Ella zusammen, während Lucy ihren Blick herumschweifen ließ bis er an einer Stelle hängen blieb. ,,Entweder wir gehen ohne meine Jacke zurück und warten bis heute Nachmittag. Dann, wenn die anderen rein wollen, lassen wir uns was einfallen. Oder wir sagen hier jemandem Bescheid. Aber dann könnte Diana echt Ärger bekommen..."
Ella schaute zweifelnd zu mir.
Lucy durchbrach schließlich die entstandene Stille.
,,Oder einer klettert auf den Balkon. An diesen geschnitzten Ausschmückungen vom Balken kann man sich gut festhalten. Die sind auch da am Geländer. Wenn man da rüberklettert, kann man durch die Balkontür ins Zimmer.Das Fenster haben Bianca und Mia aufgelassen."
Ella und ich sahen und an. Wir beide hätten niemals gedacht, dass Lucy so einen gewagten Plan vorschlagen würde.
,,Naja...", fügte sie hinzu, als wir nichts sagten. ,,Vielleicht ist das auch eine dumme Idee."
,,Nein, überhaupt nicht.", widersprach Ella. ,,Das ist genial. Wer würde es versuchen?"
Lucy blickte weg.
,,Ich entwerfe so einen Plan lieber nur theoretisch.", murmelte sie.
,,Okay.", sagte ich. ,,Ich kann das machen. Ich bin Schuld, weil Ich den Schlüssel vergessen hab."
,,Du musst aber nicht. Ich hatte wirklich Lust auf ein kleines Abenteuer."
Ellas Augen funkelten, so wie es in so einer Situation nur bei Gryffindors möglich war.
,,Ehrlich? Okay, wenn du meinst.", erwiderte ich.
Ella nickte und ging auf den Balkon zu. Ich erkannte an ihrer betont festen Art zu gehen, dass sie doch ein wenig Angst hatte.
,,Pass auf.", sagte ich als sie ihren rechten Fuß an die unterste Auskerbung setzte. Sie nickte erneut und zog sich ein wenig hoch. Sie tastete mit dem linken Fuß nach Halt, als sie diesen gefunden hatte kletterte sie weiter. Sie blickte nach unten, als ihr Kopf in etwa drei Metern Höhe war und klammerte sich daraufhin noch fester an den Balken. Mit einer Hand begann sie, nach dem Balkonboden zu tasten. Sie zog sich etwas höher und schließlich konnte sie den Balkon erreichen. Sie hielt sich an einem der dortigen Balken fest und zog ihre Füße hinauf. Oben angekommen klammerte sie sich am Geländer fest. Ich sah deutlich, wie sie zitterte. Sie schwang ein Bein nach oben und saß auf der Brüstung. Dann kletterte sie vollständig auf den Balkon und öffnete die Balkontür. Lucy und ich liefen los um zur normalen Tür zu kommen. Als wir ankamen, schloss Ella gerade die Tür auf. Wir fielen uns in die Arme. Im selben Moment hörten wir eine Stimme:
,,Was fällt euch eigentlich ein, so etwas gefährliches zu tun?!"
Es war Frau Blume.

Es stellte sich heraus, dass wir während der ganzen Aktion nicht gemerkt hatten, dass Frau Blume zurück zur Jugendherberge gekommen war und gerade noch gesehen hatte, wie Ella über die Brüstung geklettert ist. Sie ist uns gefolgt, als sie merkte, dass wir nicht mehr rechtzeitig zum Bus kamen, da um 9.28 immer noch nichts von uns zu sehen war. Ella hatte 15 Minuten zum Klettern gebraucht und Frau Blume war Lucy und mir, natürlich stocksauer, ins Gebäude gefolgt. Nun saßen wir alle drei Frau Blume am Tisch in unserem Zimmer gegenüber und wussten nicht so recht, was wir sagen sollten.
,,Ich bin mehr als nur enttäuscht.", sagte sie gerade. ,,Wenn Diana schon den Schlüssel vergessen hat, was eigentlich genug ist, hättet ihr wenigstens dem Leiter hier Bescheid geben können. Er hätte euch aufgesperrt. Aber nein, ihr müsst eine Klettertour starten und euch in Lebensgefahr begeben. Ich werde mir mit Frau Müller und Herr Ruß etwas für euch überlegen. Ehrlich, ich hätte besseres von euch erwartet. Dowas geht echt gar nicht!"
Wir schrumpften während ihrer Strafpredigt förmlich in uns zusammen.
,,Außerdem wirst du, Diana, den Schlüssel nicht länger behalten. Du hattest die Verantwortung. Du hättest ihn mitnehmen müssen. Du hättest jemandem Bescheid sagen müssen. Du hättest Ella davon abhalten sollen. Lucy wird ihn vorerst nehmen. Mal sehen, ob es so bleibt."
Lucy nahm schüchtern den Schlüssel entgegen.
,,Dabei ist es meine Schuld.", piepste sie. ,,Ich hatte die Idee. Es war mein Plan."
,,Aber wir sind selber Schuld, dass wir mitgemacht haben.", widersprach ihr Ella. ,,Du kannst nichts für unsere Dummheit. Ehrlich, wir hätten gleich Nein sagen sollen. Aber ich musste ja unbedingt mal ein wenig Abenteuer haben. Ich wollte unbedingt hoch. Ich bin Schuld." Sie lächelte gequält.
,,Schwachsinn. Das war mutig von dir. Frau Blume hat Recht. Ich hätte an den Schlüssel denken müssen und die Konsequenzen dafür tragen müssen. Es tut mir leid,es war dumm von mir.“
,,Schon gut. Das könnt ihr ja später besprechen." Frau Blume klang immerhin nicht mehr ganz so wütend. ,,Also den Bus hätten wir jetzt verpasst."
Ich warf einen Blick auf die Uhr an der Wand. Es war 9.40 Uhr.
,,Um halb elf fährt ein anderer, natürlich werden wir uns dort dann beeilen müssen, um zu den anderen zu kommen. Aber es sollte möglich sein. Wir gehen in einer halben Stunde los."

Silber- Das vierte Buch der TräumeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt