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Die Ansage am Bahnhof kündigte die baldige Ankunft unseres Zuges an. Frau Müller zählte erneut durch und kam erneut zu dem Schluss, dass wir nicht vollzählig waren. Sie dachte die ganze Zeit darüber nach, wer fehlte. Keiner aus unserer Klasse machte sich die Mühe ihr mitzuteilen, dass dies Lennart war. Frau Blume stand währenddessen einfach nur da und wechselte ab und zu ein paar Worte mit Frau Müller. Herr Ruß fuhr nicht mit uns mit dem Zug sondern separat mit seinem Auto, damit wir im Notfall ein Auto hatten. Als ob die Jugendherberge in Oberstdorf am Ende der Welt liegen würde.
Ein paar Jungs bewarfen sich gegenseitig mit kleinen Kieselsteinen, es war nur eine Frage der Zeit, dass das Ärger geben würde. Carina und ihr Zickenverein standen in einer Gruppe zusammen und unterhielten sich über irgendetwas. Lucy warf uns dabei immer wieder verstohlene Blicke zu.
Ella stand die ganze Zeit auf Zehenspitzen und sprang auf und ab, um den Zug zu sehen. Ihre schlechte Laune, bezüglich der Tatsache, dass Frau Müller mitkam, hatte sie glücklicherweise abgelegt. Allerdings fragte ich mich, ob das lange so bleiben würde, da Frau Müller ihr jetzt schon genervte Blicke zuwarf.
,,Ella, lass das Gehupfe jetzt mal sein, so kommt der Zug auch nicht schneller.", sagte sie nun auch.
,,Blöde Spaßbremse.", zischte Ella mir zu, als sie unten blieb. ,,Kann ihr doch egal sein, wenn ich hüpfe."
,,Alles ist super.", entgegnete ich. ,,Wir haben jetzt kein Englisch sondern fahren gleich weg. In Lotties Heimat. Ich freue mich auf Mittwoch. Es wird großartig werden, Liv und Mia zu treffen. Die letzten Nächte habe ich leider nicht wirklich geträumt, ich muss heute noch den Rest mit ihnen ausmachen."
Wie in letzter Zeit immer drehte sich Ella halb weg, als ich das Thema Träume ansprach. Sie gab vor, wieder nach dem Zug Ausschau zu halten, der wirklich endlich aufblitzte. In diesem Moment kam Lennart um das Bahnhofsgebäude geschlurft.
,,Sorry, hab verpennt.", murmelte er und begrüßte Luis und Dominik.
Dank der Einfahrt des Zuges blieb ihm eine Strafpredigt Frau Müllers erspart.
Der Zug war, zu Ellas Begeisterung, ein Zug mit lauter Abteilen. Ella rief die ganze Zeit wir würden nach Hogwarts fahren, was sowohl bei einem Großteil unserer Mitschüler, als auch bei Frau Müller zu verdrehten Augen führte.
Ich beobachtete, wer mit wem in ein Abteil ging, während Ella und ich uns eines suchten.
Die Zwillinge, Bianca und Mia, teilten sich eines mit Jenny, Xenia und Franziska.
Carina, Alice, Sandra, Sarah, Katherina und Laura gingen auch in eines, sowie Lennart, Luis und Dominik, Mark, Rafael, Nikolas, Julius und Thomas und Tom, Max und Michael.
Ella schob eine Abteil Tür auf.
,,Überall sonst ist voll.", sagte sie mit verstellter Hermine-Stimme.
,,Ja, neee. Nur sitzt hier nirgends Ein Professor R. J. Lupin.", erwiederte ich grinsend. ,,Ich sitze in Fahrtrichtung am Fenster!"
Ella seufzte. ,,Na schön.", sagte sie.
Ich ging zum Fensterplatz und ließ mich fallen.
Ella ging auf den Platz gegenüber von mir und ließ ihren Blick über den Bahnhof schweifen, als es leise an der Tür klopfte. Es war Lucy, die jetzt schüchtern ihren Kopf ins Abteil streckte.
,,Hi. Ist bei euch noch was frei?", fragte sie.
,,Bei Carina sind schon 6. Und ich möchte nicht alleine sitzen."
Sie lächelte uns an.
,,Klar.", sagte Ella. Sie wirkte froh über Lucys Anwesenheit. Ich fragte mich, warum. ,,Komm einfach rein."
,,Danke." Lucy ging in unser Abteil und setzte sich neben mich.
,,Nichts zu danken.", sagte ich.

Wir unterhielten uns einige Zeit und irgendwann begannen wir zu lesen. Lucy las Harry Potter und die Heiligtümer des Todes und Ella sah sie die ganze Zeit begeistert an. Ich holte Silber aus meinem Rucksack. Um mich ein wenig weiter zu bilden. Ella las die Tribute von Panem. Plötzlich schrie Lucy auf.
,,Nein! Bitte nicht! Nein!" Sie begann zu weinen.
,,Lucy!", rief ich. ,,Was ist los?"
,,Es ist nur...", schniefte sie. ,,Dobby ist tot!"
Ella wirkte, als würde sie auch gleich anfangen zu heulen. Das tat sie schließlich auch.
,,Ella, Lucy.", sagte ich. ,,Beruhigt euch. Bitte."
Ella murmelte irgendetwas, dass verdächtig nach ,,Muggel" klang.
In diesem Moment öffnete sich die Abteil Tür.
Frau Müller stand dort und sah verstört auf unser Abteil. Kein Wunder, denn Ella und Lucy weinten immer noch.
,,Was ist denn hier los?", fragte Frau Müller. Ich erinnerte mich, dass das auch der erste Satzt gewesen war, den sie in der ersten Deutschstunde zu unserer Klasse gesagt hatte.
,,Dobby ist tot.", sagte Lucy unter Tränen.
Frau Müller starrte sie an, als sei sie nicht mehr ganz bei Troste.
,,Das ist nur ein Buch.", sagte sie trocken.
Wenn Blicke töten könnte, wäre sie jetzt unter Ellas Blick gestorben. Es war ein wirklich durchbohrender Blick.
Frau Müller schien das allerdings nicht im Geringsten zu interessieren.
,,Alsoooooooo. Wir haben uns Gedanken um die Zimmeraufteilung gemacht. Hier ist eine Liste. Es wird nicht getauscht und ganz oben steht derjenige, der den Schlüssel aufbewahrt. Wenn derjenige unverantwortlich damit umgeht, bekommt ihn ein anderer."
Frau Müller ging wieder aus dem Abteil als wäre sie froh, endlich von uns Hohlköpfen weg zu sein. Lucy lächelte wieder und Ella brach in lautes Lachen aus.
,,Oh Mann.", sagte sie. ,,Na das war ja der perfekte Moment."
,,Wir sollten mal auf die Listen schauen.", sagte Lucy. Frau Müller hatte sie ihr in die Hand gedrückt.
Ella nahm sie und sah darauf. Das Entsetzten stand ihr ins Gesicht geschrieben.
,,Boah, ich glaube ich spinn. Das hat Frau Müller eingeteilt. Garantiert. Weil sie mich einfach hasst."
Sie reichte die Listen an mich. Ich warf einen Blick darauf. Lucy streckte ihren Kopf zu mir.

Silber- Das vierte Buch der TräumeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt