~23~

78 5 1
                                    

Ich entdeckte die rote Tür, während der kleinen Nachtmusik, die ziemlich schräg von einem Orchester, welches ich gezwungen wurde zu dirigieren, kam. Ich dachte nicht lange nach sondern floh direkt. Draußen atmete ich erstmal tief durch. Bis ich eine Stimme vom Ende des Korridors hörte.
,,Diana!"
Ich drehte mich um. Es war Liv, die winkend auf mich zugelaufen kam.
,,Da bist du ja mal wieder! Du warst die ganzen letzten Nächte nicht da. Warum? Wir haben zwar versucht, einfach in deinen Traum zu kommen, aber wow, dein Rätsel ist echt gut. Nichtmal Mia ist auf die Lösung gekommen. Was sind bitte ,,glückliche Zahlen"? Und wer, um alles in der Welt, ist Kaiser Vespian?"
,,Also ich sage jetzt garantiert nicht die Lösung meines genialen Rätsels vor meiner Tür. Dann hätte ich mir das überlegen nämlich auch gleich sparen können und meine Tür einfach ungesichert lassen können.", antwortete ich zuerst auf die letzten Fragen.
,,Und warum ich nicht da war... Also das ist eine längere Geschichte, die ich nur einmal erzählen möchte. Gehen wir zu Mia und Henry?"
Liv nickte.
,,Von Grayson gibt es nichts neues, oder?", fragte ich auf dem Weg.
,,Nein, und seine Traumtür ist immer noch verschlossen. Bei deiner Nachbarin auch?"
,,Ja.", sagte ich, während wir in einen anderen Gang gingen. ,,Ihr Vater sagt, dass... was ist?"
Liv war plötzlich stehen geblieben und ich sah sie fragend an. Sie starrte geschockt auf das Ende des Ganges. Ich folgte ihrem Blick.
Dort stand ein Junge, etwa siebzehn Jahre, mit blonden Engelslöckchen. Obwohl ich ihn noch nie zuvor gesehen hatte, erkannte ich ihn sofort.
,,Arthur.", sagte ich leise.
Liv nickte. Sie schien nicht dazu in der Lage zu sein, einen Ton heraus zu bringen. Arthur hatte uns auch entdeckt und lief langsam auf uns zu. Was tat er hier? Wie war er aus dem Traum entkommen? Wie konnte das alles sein? Und vor allem, Warum hielt er sich in diese Ecke des Korridors auf? Hier war meine Tür. Seine war vermutlich weit weg.
,,Liv.", sagte er gefährlich leise, als er bei uns ankam. ,,Und die neue Träumerin. Wir hatten noch nicht das Vergnügen." Er lächelte mich betont freundlich an und streckte seine Hand aus. ,,Ich bin Arthur Hamilton. Schön, dich kennenzulernen. Vielen Dank für deine Hilfe."
Ich ergriff weder seine Hand, noch stellte ich mich vor.
,,Was meinst du damit?", fragte ich stattdessen. ,,Welche Hilfe?"
,,Ich habe meine Pläne. Für die habe ich einen neuen Träumer gebraucht. Ohne dich wäre ich nie so weit gekommen. Wie heißt du gleich? Dina? Dora? Es war irgendwas mit D, nicht wahr? Natürlich habe ich auch andere Hilfe gebraucht. Ich musste ja erst einmal von diesem beschissene Meer weg kommen. Ich kann in meinem ganzen Leben keinen Strand mehr sehen, wirklich. Aber wenn ich erstmal fertig bin, werde ich nie wieder irgendwas müssen. Ach ja, Liv, genieße das Leben. So lange du noch kannst."
Er grinste. Eine merkwürdige Kälte ergriff auf einmal Besitz von mir. Woher kannte Arthur meinen Namen? Dina war nämlich gar nicht so falsch. Es fehlte lediglich ein a.
,,Also gut, ich will euch nicht weiter aufhalten. Außerdem habe ich auch noch ein paar Angelegenheiten zu regeln. Man sieht sich, nehme ich an."
Arthur hob die Hand zum Gruß und ging an uns vorbei.
Liv löste sich aus ihrer Erstarrung.
,,Wir müssen zu den anderen!", sagte sie sofort. ,,Henry ist bei Mia in ihrem Traum. Wie müssen ihnen davon erzählen. Verdammt, wie ist er aus dem Traum gekommen?"
Sie begann zu rennen. Ich folgte ihr.
Außer Atem kamen wir in der Gegend an, in der die Türen von Liv und den andere waren. Mia stand im Rahmen einer Hellblauen mit einer Eule. Ihre Augen weiteten sich, als sie uns angerannt kommen sah.
,,Was...?", fragte sie, als wir an ihr vorbeirannten, direkt in ihren Traum, der aus einem gemütlichen Wohnzimmer bestand.
Henry saß auf dem Sofa, Liv setze sich sofort zu ihm. Ich setzte mich auf einen der beiden Sessel, Mia kam auf den anderen, nachdem sie ihren Posten an der Tür verlassen hatte.
,,Schön, dass du wieder da bist, Diana. Aber was ist los? Warum seid ihr gerannt als wäre der Teufel persönlich hinter euch her?"
Mia schaute fragend zwischen uns hin und her.
,,Das trifft es ganz gut.", sagte ich trocken.
,,Arthur.", fügte Liv hinzu.
,,Was?", fragten Mia und Henry gleichzeitig.
,,Aber wie...?" Henry sah Liv entsetzt an.
,,Alles der Reihe nach. Diana, erzähl erstmal, Warum du so lange nicht da warst.", antwortete Liv.
Und ich erzählte ihnen von meinem Treffen mit Anabel. Davon, dass sie mich auf den merkwürdigen Zufall hingewiesen hat und auf meine darauf folgenden Gedanken. Davon, dass ich dachte, sie würden mich vielleicht hassen und von meiner Besorgnis, wieder zu ihnen zu kommen.
,,So ein Schwachsinn.", sagte Liv, als ich geendet hatte. ,,Anabel sieht wie immer irgendwo Dinge, die absoluter Schwachsinn sind. Super, du bist aufgetaucht, bevor Josefa eingeschlafen ist. Na und?"
,,Dann wäre das geklärt.", sagte Mia. ,,Was ist jetzt mit Arthur?"
,,Er ist uns entgegengekommen, als ich Diana vor ihrem Traum aufgegabelt habe. Er hat etwas von irgendwelchen Plänen gesagt. Außerdem sagte er..." Liv stockte in ihrer Erzählung. ,,Er sagte, ich soll das Leben genießen, so lange ich noch kann. Ich bin mir sicher, er hat etwas mit den Schläfern zu tun. Wahrscheinlich ist er sogar daran Schuld. Was er mit zweiterem meinte, da habe ich keine Ahnung."
,,Und er hat sich für meine Hilfe bedankt. Vielleicht hat mein Auftauchen doch in irgendeiner Form mit den Schläfern zu tun. Und mir ist noch etwas aufgefallen. Vielleicht hat jemand anderes die Rolle, die ich mir zugesprochen habe. Irgendjemand muss ihn schließlich rausgelassen haben. Ist euch irgendjemand aufgefallen? Hier im Korridor? Jemanden, den ihr nie davor gesehen habt. Außer mir, meine ich."
Mia und Henry schüttelten die Köpfe. Liv jedoch zögerte.
,,Vor zwei Wochen...", begann sie vorsichtig. ,,Ich dachte, dass wäre nicht wichtig. Aber ich habe eine Frau gesehen. Sie war vielleicht fünfundzwanzig. Braune Haare, Brille. Als sie mich gesehen hat, ist sie weggelaufen, bevor ich etwas sagen konnte. Seitdem habe ich sie nicht mehr gesehen. Aber sie könnte etwas damit zu tun haben. Oder sie war ein einmaliger Besucher. Das ist auch möglich." Liv zuckte die Achseln.
,,Warum hast du das niemandem gesagt?", Henry sah sie verwundert an. ,,Wenn wir das gewusst hätten..."
,,Ich dachte, wir hätten genug zu tun, mit den Schläfern und so. Warum hätte ich euch von einer Frau, die möglicherweise nur einmal im Korridor war, erzählen sollen, wenn ich nichtmal wusste, dass Arthur frei war?"
,,Wir sollten dringend herausfinden, wer diese Frau war und ob sie was mit Arthur zu tun hat. Außerdem müssen wir irgendwie gegen ihn vorgehen. Er wird sich nicht nochmal in Mrs Honycutts Traum locken lassen. Irgendwelche Ideen? Vorschläge?"
Mia schaute fragend in die Runde.
,,Vielleicht könnten wir ihm Schlaftabletten ins Essen rühren. Solche, die mit traumlosen Schlaf werben.", schlug ich schließlich vor.
,,Genau, wir vergiften ihn!"
Liv lachte, wurde jedoch sofort wieder ernst.
,,Nein, das würde vielleicht einmal klappen, aber nach kurzer Zeit würde er kapieren, was los ist. Kann man Traumtüren verschließen?"
Henry runzelte die Stirn.
,,Keine Ahnung.", antwortete er. ,,Wir können versuchen, dass herauszufinden."
Liv schüttelte den Kopf.
,,So bringt das nichts. Was wir brauchen, ist ein Plan. Einen richtig guten, funktionierenden Plan, dem Arthur nichts entgegenzusetzten hat. Einen, der funktioniert. In jedem Fall. Ohne so einem Plan sind wir verloren. Oh, und Diana. Wie funktioniert jetzt eigentlich dein Rätsel?"
Ich lächelte.
,,Mit glücklichen Zahlen meine ich positive. Glücklich, positiv. Positiv, glücklich. Das ist ähnlich, wenn man nur richtig denkt. Vespian war ein Römischer Kaiser. Naja, so oder so, wenn man die Rätsel gelöst hat und die Zahlen in einen Taschenrechner eingibt, muss man diesen umdrehen. Man sieht dann das Wort Eisglas, also die Zahl 5.479.513. Das muss man dann in Morsezeichen anklopfen. Einmal kurz, zweimal kurz, dreimal kurz. Zweimal kurz einmal lang, kurz lang kurz kurz. Kurz und lang und dann nochmal drei mal kurz. Ist das eine gute Sicherung?"
Mia nickte.
,,Ja, man muss doch ein bisschen überlegen, bis man an die Lösung kommt. Nichtmal ich habe es in den zwei Nächten geschafft. Aber jetzt kommen wir rein."
Plötzlich fiel mir etwas ein. Wollte ich nicht noch irgendwann in Ellas Traum schauen? Ich hatte das komplett vergessen, Louis hatte mich einfach aus meinen Plänen gehauen. Allerdings war es zu einer Art Routine für mich geworden, sämtliche persönliche Sachen, die ich besaß, zum Einschlafen anzuziehen. Also sollte ein kleiner Besuch kein Problem für mich darstellen.
,,Ich wollte noch was erledigen. Ist es okay für euch, wenn ich gehe?", sagte ich also.
,,Klar.", antwortete Liv. ,,Aber verwandle dich besser in irgendwas. Falls du Arthur begegnest ist es vielleicht besser, wenn er dich nicht erkennt."
Ich nickte und überlegte kurz. Dann verwandelte ich mich probehalber in Ruby. Perfekt, das klappte. Ich verwandelte mich zurück in Diana und lächelte.
,,Ist das so okay?", fragte ich.
,,Ja, so sollte es gehen. Was war das für eine Katze?", fragte Mia.
,,Ruby, wir haben sie erst seit zwei Wochen und sie ist echt toll.", antwortete ich, wobei ich immer noch lächelte.
Dann winkte ich noch kurz und verließ anschließend den Traum. Auf dem Korridor atmete ich kurz durch und verwandelte mich dann wieder. Dann lief ich in die Richtung, aus der wir gekommen waren.
Überraschend schnell fand ich die von Severus Snape bewachte Tür. Auf dem Weg begegnete ich glücklicherweise niemandem.
,,Was bekomme ich, wenn ich einem Wermutaufguss geriebene Affodillwurzel hinzufüge?", fragte mich Snape.
Ich fragte mich, warum Ellas Unterbewusstsein ausgerechnet ihn zur Bewachung ihrer Tür ausgewählt hatte. Ella hasste ihn doch eigentlich.
,,Den Trank der lebenden Toten.", antwortete ich, als ich mich wieder zurückverwandelt hatte. Snape nickte nur und trat zur Seite. Ich zögerte kurz. Wollte ich wirklich in Ellas Traum?
,,Willst du jetzt rein oder nicht?", blaffte Snape.
Nun ja, Ellas Snape war auch nicht der freundlichste. Ich musste mich also nicht um die Gesundheit ihres Verstandes kümmern.
,,Ich mach ja schon.", antwortete ich schnell und öffnete die Tür, ohne lange weiter zu überlegen.
Mich umfing eine Eiseskälte, als ich den Traum betrat. Ich sah mich um. Ella träumte offenbar von einem Schneesturm, doch ich konnte sie nirgendwo entdecken. Ich passte mich also möglichst schnell den Umständen an. Eine dicke Thermohose und eine Winterjacke zu hohen Stiefeln. Außerdem einen Schal, eine Mütze und Handschuhe. Dann entfernte ich mich von der Tür und begab mich mitten in den Sturm. Plötzlich sah ich Ella, auf einem von Huskys gezogenen Schlitten an mir vorbeirasen. Um ihren Hals ihr Gryffindor Schal. Sie schrie laut, ob vor Freude oder vor Angst könnte ich nicht erkennen. Dann sah sie mich. Ihr Schrei erstarb und dann wachte sie auf und ich fiel, wobei ich keine Luft mehr bekam. Dann war ich in meinem Bett und keuchte auf. Wie ich dieses Erlebnis hasste!

Silber- Das vierte Buch der TräumeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt