,,Diana, wenn du jetzt nicht sofort aufstehst, dann schütte ich einen Wassereimer über dir aus!"
Ich drehte mich genervt auf die andere Seite. Ich war so verdammt müde. Ich fragte mich, ob ich überhaupt irgendwann mit diesem Nachteil des luzidem Träumens klarkommen würde. Ich hatte nicht den Eindruck.
,,Diana, ich meine es ernst."
Miranda zog mir energisch die Decke weg. Ich stöhnte, setzte mich schließlich aber auf. Heute war immerhin der letzte Schultag des Jahres. Danach konnte ich ausschlafen. So wenig es auch half, wenn ich dabei ebenfalls luzide träumte. Es würde heute nicht viel passieren. Und es wurde wirklich dringendst Zeit. Ella hatte nämlich nicht mehr aufgehört, die übrigen Frau Müller Sekunden zu zählen. Sie hatte tatsächlich die Nerven, sich zu freuen, 10.800 Sekunden verpasst zu haben, während sie schlief und später noch in Krankenhaus war.
Ich machte mich im Schneckentempo fertig und hatte deshalb natürlich wieder keine Zeit, zum Frühstücken oder um mir einen Zopf zu machen. Ich rannte, um den Bus zu erwischen, der allerdings fünf Minuten Verspätung hatte. Immerhin war es nicht so kalt wie im Winter. Die Sonne schien jetzt schon warm auf mich und der Wetterbericht kündigte ähnliches Wetter für die nächsten Tage an. Der Einstieg in die Sommerferien war nahezu perfekt. Als der Bus endlich um die Ecke trudelte, waren doch zehn Minuten vergangen. Wozu hatte ich mich eigentlich so beeilt? Ella winkte mir fröhlich zu.
,,Endlich der letzte Schultag. Keine Frau Müller mehr, sechs Wochen keine Carina. Herrlich."
Ich lächelte.
,,Ja, das ist es."
In der Schule gingen wir zuerst in den Gottsdienst. Wie jedes mal sang niemand bei den Liedern mit und wie jedes mal unterhielten sich die meisten einfach.
Wieder in unserem Klassenzimmer hielt Herr Ruß eine Ansprache, wie schön das Jahr mit uns war, obwohl, und dabei sah er in Ellas und meine Richtung, wir nie den Motto-Mittwoch gewonnen hatten.
Dann gab es die Zeugnisse. Ella bekam ihres wie immer vor mir und Xenia merkte, dass sie vergessen hatte, eine Mappe für ihres mitzunehmen. Ich war mit meinem Resultat eigentlich ganz zufrieden. Ich hatte eine Eins in Geschichte und sonst zweier und dreier.
Dann durften wir gehen. Ella, Lucy und ich gingen gemeinsam aus dem Raum.
,,Tja.", sagte Ella zufrieden. ,,Ich würde dann mal sagen: Friede, Freue, Eierkuchen. Ich glaube, jetzt ist wirklich alles gut."
Am Ende vom Gang, erblickte ich Frau Blume. Mir fiel ein, dass sie als Studienreferendarin im nächsten Schuljahr, nicht mehr hier sein würde. Ich wollte noch ein mal mit ihr reden.
,,Ihr könnt schon vorgehen.", sagte ich zu Ella und Lucy. ,,Ich möchte noch kurz mit Frau Blume reden. Du brauchst nicht auf mich zu warten."
Ella sah mich einen Augenblick an, ging dann jedoch los. Ich ging auf Frau Blume zu. Seit jenem Montag, an dem sie mir versprochen hatte, nicht mehr in den Korridor zu kommen, war sie mir aus dem Weg gegangen. Sie ignorierte mich, wenn sie mich auf dem Gang sah und rief mich nur selten im Unterricht auf. Aber jetzt war meine letzte Gelegenheit, mit ihr zu sprechen.
,,Diana.", sagte sie, als ich vor ihr stand. ,,Ist alles wieder in Ordnung? Ich habe mich vom Korridor ferngehalten, wie ich es gesagt habe, und werde das auch weiterhin tun. Vermutlich."
,,Naja, es war eine Kunst, Arthur wieder in den Traum zu bringen. Aber wir haben es geschafft. Beziehungsweise Anabel hat das. Er hat die Schläfer wieder aufgeweckt. Sein Plan war es, sie zu kontrollieren. Aber auch das hat er aufgegeben. Wir wissen nicht genau, warum. Aber als er abhauen wollte, hat Anabel ihn gefangen und in Mrs Honycutts Traum zurückgebracht. Wir haben ihn nicht mehr gesehen und es ist nichts allzu komisches mehr passiert."
,,Das ist gut. Weißt du, ich habe die Bücher dann wirklich gelesen und du hattest Recht. Arthur ist nicht gut. Auch, wenn eine Unterteilung in ,gut' und ,böse' blöd ist."
,,Ja, das stimmt." In meinem Kopf hörte ich Voldemort sagen, dass es kein gut und böse gab, sondern nur jene, die Macht haben und jene, die zu schwach sind, danach zu streben. Ich verfluchte Ella dafür.
,,Du weißt sicherlich, dass ich nächstes Jahr nicht mehr hier an der Schule sein werde. Also Diana. Auf Wiedersehen. Vielleicht sehen wir uns irgendwann in Träumen. Aber das nehme ich wirklich nicht an. Ich habe daraus gelernt."
,,Auf Wiedersehen, Frau Blume.", sagte ich. Dann ging ich weiter, um den Bus nicht zu verpassen.,,Diaaaaanaaaaa? Koooooomst duuuuu zu miihiiiiir?"
Josefas nervige Stimme wollte mich aus Gewohnheit ,,Nein" sagen lassen, doch dann hielt ich inne. Was wollte ich denn sonst tun? Ich hatte nichts vor, außer vielleicht zu lesen. Aber lesen konnte ich in den nächsten sechs Wochen noch genug. Immerhin hatten die Ferien gerade erst angefangen, ich kam erst von der Bushaltestelle zurück. Also nahm ich kurz entschlossen meinen Rucksack, gegen den ich heute früh meinen Schulranzen getauscht hatte, und warf ihn in unseren Garten.
,,Gerne.", sagte ich und kam zu ihr. In der Zeit, in der sie geschlafen hatte, hatte ich gemerkt, wie sehr Josefa mir gefehlt hatte. Auch wenn sie manchmal unheimlich nervig war, sie war trotzdem meine liebe kleine Nachbarin.
,,Schau mal.", sagte sie jetzt stolz und führte mich zu einem Platz in ihrem Garten. Dort lag ein kleines, zwanzig Centimeter langes Flugzeug aus Styropor. ,,Das habe ich von Papa fürs Zeugnis gekriegt. Willst du ihn auch mal fliegen lassen?"
Ich zögerte. Wollte ich? Ja.
,,Ja.", antwortete ich. ,,Klar, Gerne. Wie geht das denn?"
,,Ganz einfach, schau. Nehm einfach deine Hand." Sie nahm das Flugzeug und legte es in meine rechte Hand. ,,Und mach deine Finger so drum." Sie verschob meine Finger ein wenig. ,,Und jetzt rennst du ein bisschen und lässt es dann fliegen."
,,Ich glaub, ich hab's verstanden.", sagte ich lächelnd.
Dann lief ich los. Ich stieß meine Beine vom Boden ab und kam so immer weiter vor, immer schneller. Dann hob ich meine rechte Hand und stieß das Flugzeug in die Luft. Es flog. Es machte einen Looping, dann noch einen. Und dann landete es mit einem dumpfen Laut auf dem Rasen.
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Silber- Das vierte Buch der Träume
FanfictionDiana Puckle ist ein verträumtes, 13-jähriges Mädchen. Seit sie die Silber-Trilogie gelesen hat, lässt sie von dem Wunsch, ihre Traumtür zu finden nicht mehr ab. Als dieser Wunsch jedoch in Erfüllung geht, muss sie feststellen, dass Arthur erneut se...