- Komisch, ungewohnt und fremd. Aber schön. -
Es war gerade einmal sieben Uhr, als ich in meinem fliederfarbenen, viel zu kitschigen Morgenmantel die Cafeteria betrat. Mum hatte ihn mir zu meinem letzten Geburtstag geschenkt. Ich hatte keinen anderen. Weshalb dieser hier meine einzige Option war. Wohl oder übel. Aber ich hatte mich an ihn gewöhnt. An meinen Füßen waren wie immer die weichsten Schuhe der ganzen Welt. Zwei schneeweiße Fell Puschen, die auch nach Jahren wie ungetragen aussahen. Wahrscheinlich lag es daran, dass die Reinigungskräfte gefühlt jede Minute über den hellen Boden wischten, damit sich auch ja keine Bakterien, oder was weiß ich, dort absetzen konnten. Ich hasste die Klinik dafür, dass sie so weiß war. An sich mochte ich die Farbe. Sie war so aufgeräumt und hoffnungsvoll. Aber nicht hier. Innerhalb dieser Wände war sie vielmehr kalt und unheimlich.
Zuhause, mit meiner Möchtegern-Hausfrau-Chaoten-Mutter, war es nie perfekt aufgeräumt und geputzt. In der Spüle stapelten sich Berge von Tellern und Geschirr. Im Wäscheraum lagen ungewaschene Körbe voller Wäsche. Dafür saßen wir beide gemütlich zusammen auf dem Sofa und aßen Chips und sahen uns Serien an. Überall lag etwas herum. Aber gerade das machte es so perfekt. Belebt und voller Erinnerungen. Ich sah von meinen Puschen auf und zog das Band des Morgenmantels fester, damit man nicht den noch viel grässlicheren Krankenhausschlafanzug sehen konnte. Ich hatte mal einen Eigenen. Mehrer sogar. Ich war aus allen herausgewachsen. Aber das war mir egal, den diie meiste Zeit verbrachte ich in meinen geliebten Jogginghosen. Ich griff nach dem Tablett und holte mir ein Sandwich mit Wurst und Käse. Mein nahrhaftes Frühstück. Immerhin war es besser, als das Frühstück, welches ich zu schlechteren Zeiten an mein Bett geliefert bekommen hatte. Für die Anderen in der Klinik, denen es möglich war den gesamten Innenhof zu durchqueren, gab es eine Cafeteria. Keine Sterne Küche, aber immerhin besser, als das matschige Brot.
Ich holte mir noch schnell einen wässrigen Orangensaft und setzte mich an einen der kleinen Tische im hinteren Bereich.
Auch wenn sich hier zu dieser Zeit nur sehr wenige bis gar keine Leute aufhielten, mochte ich es meine Ruhe zu haben. Sowieso gingen nicht viele hier her. Die meisten in dieser kleinen Klinik waren zu schwach, um sich das Essen selbst holen zu gehen. So oder so wurden die meisten der Patienten von ihren Eltern mit mitgebrachtem Essen umsorgt. Keiner den ich hier kannte, war über 25. Die meisten waren Kinder. Vor allem die, bei denen man noch Hoffnung hatte. Ja das hatten die Ärzte hier tatsächlich. Krebspatienten von denen nur knapp die Hälfte überlebte. Wie gesagt waren die Meisten große Notfälle, Sowie auch ich damals. Bis man mein Ende aus dem Blickfeld verloren hatte. Wie so ziemlich alles, was mich betraf. Es war so, als würde ich an den ganzen Menschen vorbei Leben. Als würde keiner, außer Dr. Cartney mich überhaupt bemerken. Ich war schließlich im Moment kein Notfall, zumindest fühlte ich mich wie keiner. Vielmehr, wie eine lebendige Tote.Ich hatte gerade meinen Saft ausgetrunken und wollte aufstehen, um mir einen neuen zu holen, als sich ein Schatten an dem Tisch neben mir nieder ließ. Verwundert darüber, dass jemand um diese Uhrzeit in die hintere Ecke der Cafeteria kam und sich zudem direkt neben mich setzte, obwohl doch der gesamte Saal fast frei war, zögerte ich in der Bewegung und ließ mich zurück auf den Stuhl fallen. Stattdessen biss ich nur in die zweite Hälfte meines Brötchens und versuchte unauffällig die Person am Tisch neben mir zu erkennen. Auch wenn sie schräg zu mir saß, musste ich nur auf die Dunklen, vollen Haare sehen, um zu erkennen, wer es war. Der Neuling, der mit einem Atemzug meine Aufmerksamkeit gepackt hatte. Ob ich ihn mit Cath verglich, wusste ich zu dem Zeitpunkt nicht. Ich hatte nur, zum ersten Mal das große Interesse von einem Patienten die Lebensgeschichte zu erfahren.
Eigentlich interessierte ich mich immer grundsätzlich wenig für die anderen Leute hier. Ich wollte mit niemandem in Kontakt geraten, der übermäßig viel oder wenig vom Leben hielt und mich in irgendeine Spur bringen würde. Auch, wenn die Ärzte immer sagten, es wäre gut und wichtig, sich auf andere ein zu lassen, um sich von ihren Ansichten und Erkenntnissen inspirieren lassen. Beachteten sie dabei nur nicht, dass dadurch ein gerade positiv gesteuerter Patient, durch einen anderen, prinzipiell eher schnell vom Weg abkommen könnte. Nach dem Vorfall mit Cath, die mir im Nachhinein meine Ansicht zu dem ,,Patienten-Freundschafts-Ding" bestätigt hatte, ließ ich keinen mehr an mich heran, der theoretisch daran interessiert wäre, sich mit mir zu befreunden. Und somit hatte ich auch genau so wenig Interesse an den anderen. Mit Ausnahme von ihm. Denn er war anders. Das spürte ich. Ob nun von einer positiven oder negativen Seite.

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Herzenskämpfer
Teen Fiction»Wenn jeder Atemzug zu einem Geschenk wird« Seit sieben Jahren leidet Loucy an Leukämie. Ihr halbes Leben lang kämpft sie mit dem Tod. Ihre Kraft und ihr Glaube daran, gesund zu werden, sind längst verblichen. Dann trifft sie auf Davis. Ein Tumor, d...