- Es tut mir leid. So unfassbar leid. Ich werde dich nie vergessen. Folg mir nicht. -
Wieder ein mal ließ ich den Stift sinken. Wieder saß ich auf meinem Bett und wieder starrte ich auf die weißen Wände. Ich hatte das Gefühl, einen Kulissenwechsel zu benötigen. Es konnte nicht Tag für Tag dasselbe passieren. Bald würde ich es nicht mehr aushalten. Ein Umfeld, welches mir nicht gefiel, dass mich einengte. Selbst der Park und der See, die mich früher so oft inspiriert und begeistert hatten, waren mittlerweile zu meinem Alltag geworden. Und es fiel mir immer schwerer diesen zu mögen, wenn ich mein ganzes Leben nicht immer sonderlich mochte. Durch Davis wurden die Wände immerhin ein kleines bisschen bunter und die Stimmung ein winziges bisschen besser. Dass ich nun hier heraus kommen sollte, wenn auch nur für einen Abend in ein kleines Restaurant, schien so viel zu verändern. Der Gedanke, für ein paar Stunden davonzukommen und so zu tun, als sei mein Leben zumindest zu einem Bruchteil normal. Ich würde dass Essen essen, das jeder aß. Ich würde unter Menschen kommen, die gesund waren, die einen schönen Abend verbringen wollten, um ihrem Alltag zu entfliehen. Ich wollte ihn erleben. Den schweren und anstrengenden Alltag, den sich die Menschen wünschten abzulegen, wenn sie essen gingen. Seien es auch nur Stunden. Ich wollte Davis Leben kennen lernen. Und das war der erste Schritt dazu.
Ich legte Stift und Papier in die Schublade meines Nachttisches. Ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass die Zeit noch immer zu stehen schien. Keine Nachricht aus dem OP, kein Bessuch von Dr. Cartney, die ich förmlich gezwungen hatte, mir Informationen zu geben. Wenn ich mir vorstellte, dass die Ärzte vermutlich gerade dabei waren Davis Kopf auf zu schneiden, wurde mir schlecht. Ich stand auf, da ich dringend eine Ablenkung benötigte. Nur blöd, dass Davis der einzige war, der mich momentan ablenken konnte.
So sehr ich es auch versuchte, sie aus meinem Kopf fern zu halten, gelang es mir nicht, Cath zu verbannen. Ich wollte nicht daran denken, aber das Gefühl überkam mich viel zu plötzlich.Der Schmerz, der unerwartet auftaucht. Du weißt, dass eine Person tot ist. Du hast dich davon überzeugt, es verkraftet und akzeptiert. Und dennoch überrollt er dich, wenn du am wenigsten damit rechnest. Der Schmerz und das Gefühl, dass du weißt, dass diese Person nicht mehr da ist. Sie lebt nicht mehr. Kein Lächeln, keine ihrer lustigen und ermutigenden Worte. Nichts.
Sie war tot.
Und das seit vielen Monaten. Dennoch hatte ich das Gefühl, sie säße direkt neben mir. Ich sah auf die zu gezogenen Vorhänge. Wie sie jeden Morgen in mein Zimmer stürmte und sie aufriss, weil sie sagte, die Sonne würde scheinen. Und egal, ob die Sonne schien oder es gewitterte, jedes mal schaffte sie es, dass ich meine Augen öffnete und nach sah. Tatsächlich nur durch sie war ich zum Frühaufsteher geworden. Ich dachte daran, wie wir gemeinsam auf meinem Bett hockten und uns Geschichten erzählten. Wie ich mich manchmal tatsächlich fragte, wie so ein lieber und gutherziger Mensch, ihr eigenes Leben so zerstören konnte. Sie passte nicht in dieses Bild. Sie war anders, dass erkannte ich. Und wahrscheinlich war ich damit auch die Einzige. Ihre Eltern oder Freunde kamen sie nie besuchen, keine Ahnung wieso. Nur ein mal, da besuchten sie ihre Großmutter. Seit ihre Enkelin jedoch angefangen hatte, Drogen zu nehmen, hatten sie sich von ihr abgewandt. Das war offensichtlich. Sie hatten nicht ein mal versucht, das alte Mädchen in ihr zu erkennen. Ich denke, ich war die Einzige, die die alte Cath kennen lernen durfte. Sie sprach nicht über Drogen oder Alkohol. Es war als hätte es das nie in ihrem Leben gegeben. Darum wunderte es mich auch nicht, dass ich niemals den Grund erfahren hatte, wieso sie überhaupt damit begonnen hatte. Denn das war nicht sie. Ein anderer Mensch in einer anderen Zeit. Und dennoch konnte ich nie vergessen, dass das der Grund war, weshalb sie gestorben war.
Ich erinnerte mich an die Momente, als seinen sie gestern passiert. Der Moment, in dem sie das letzte mal in meinem Zimmer war. In dem ich das letzte mal mit ihr gesprochen hatte, ohne es zu wissen. Ich konnte mich nicht sicher an das letzte Wort erinnern, was ich zu ihr gesagt hatte. Dafür erinnerte ich mich an ihre noch zu genau.

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Herzenskämpfer
Ficção Adolescente»Wenn jeder Atemzug zu einem Geschenk wird« Seit sieben Jahren leidet Loucy an Leukämie. Ihr halbes Leben lang kämpft sie mit dem Tod. Ihre Kraft und ihr Glaube daran, gesund zu werden, sind längst verblichen. Dann trifft sie auf Davis. Ein Tumor, d...