- Und es ist in Ordnung, denn es sind schöne Erinnerungen. -
Ich hatte immer noch nicht die geringste Ahnung, wo Davis Zimmer war. Bestimmt würde ich es herausfinden können. Spätestens, wenn ich Dr.Cartney fragen würde. Doch mein Kopf und mein Geist waren viel zu überwältigt. Leider muss es erst Mittag gewesen sein. Zu früh, um schlafen zu gehen. Mich in mein Bett zu verkriechen und aus lauter Mitleid zu mir selbst nicht mehr heraus zu kommen.
Einen Mittagsschlaf machte ich nicht. Ich konnte nicht schlafen oder mich ausruhen und dann mit neuer Energie in den selben Tag starten.
Würde ich jedoch weiter einfach nur stumm in meinem Zimmer sitzen, dann würde ich womöglich verrückt werden oder doch in Selbstmitleid ertrinken. Also war der letzte und eigentlich einzige Ausweg Davis. Seitdem Mum das Zimmer nach einer letzten langen Umarmung verlassen hatte, hatte ich mich nicht von der Stelle bewegt. Ich trug meinen Morgenmantel, immer noch vom Frühstück. Das Rührei lag schwer in meinem Magen und ich schmeckte noch immer den Orangensaft in meinem Mund.Als ich Aufstand, hatte ich das Gefühl, umzukippen. Viel zu überwältigt war ich von all dem. Vorsichtig stützte ich mich an meinem Nachttisch hoch und schlüpfte in meine Hausschuhe, die ich während dem Gespräch mit Mum von meinen Füßen hatte fallen lassen. Mit müden, schweren Schritten lief ich den, mir heute so endlos lang vorkommenden, Weg zu meiner Zimmertür. Mit einem schweren Atemzug drückte ich die Türklinke herunter. Dann zog ich sie langsam in meine Richtung auf und zu meinem Überraschen blickte ich nicht in den kalten leeren Flur. Der Anblick bereitete mir fast ein Lächeln auf die Lippen, ließ mich jedoch andererseits zusammenbrechen.
,,Davis", hauchte ich, als ich die große Gestalt in meiner Tür entdeckte. Er hatte seine Hand gehoben und war wahrscheinlich gerade dabei gewesen an zu klopfen. Warum wusste er so genau, wann ich ihn brauchte? Einen Moment starrte wir uns beide nur überrascht an. Auf seinen Lippen lag ein Lächeln. Ich wusste nicht, ob ich mich freuen sollte oder viel mehr an Mum denken sollte. An meine Trauer und meinen Schmerz. Meine Unterlippe zitterte. Wie angewurzelt stand ich da. Dann viel ich ihm in die Arme. Ohne Vorwarnung. Ich brauchte es einfach. Und mir war es egal, dass wir uns nicht kannten. Vielleicht konnten wir uns noch nicht ein mal Freunde nennen. Doch ich brauchte diese Umarmung mehr, als alles andere. Und so war es viel mehr ein Reflex, als ein Verlangen, denn als durch meinen Kopf nur der kleinste Fetzen dieser Idee gezuckt war, setzte ich es in eine Handlung um. Ich ließ meinen Kopf auf seine Schulter sinken und legte meine Arme um seinen kräftigen Rücken.
Für einen Moment schien er überrasch, fast schon verkrampft. Doch als ich ihn nach wenigen Sekunden noch immer nicht losgelassen hatte, spürte ich auch seine Hände an meinem Rücken.,,Hey", flüsterte er. ,,Was ist denn los?" Er sah auf mich hinab, als Zeichen, dass ich auch ihn ansehen sollte. Langsam drehte ich meinen Kopf, um in sein Gesicht sehen zu können. Mein Mitleid erregender Ausdruck, der wahrscheinlich fast schon einem nörgelnden Kleinkind ähnelte, ließ ihn mich nur noch verwunderter ansehen. Ich schüttelte nur den Kopf.
,,Ich glaubs einfach nicht.", ich versuchte meine Stimme nicht in ein quietschend hohen Ton kommen zu lassen. ,,Ich kann nicht...", ich brach ab. Ich wollte nicht weinen. So war ich nicht und so wollte ich nicht sein. Ich musste stark bleiben. So wie ich es immer tun musste. Und in den letzten Monaten war es okay gewesen. Ich hatte mich an dieses langweilige Leben gewöhnt. Nicht akzeptiert, aber ich hatte gelernt die Dinge einfach so hinzunehmen, wie sie kamen. Und auch wenn ich mir immer ein wenig Abwechslung gewünscht hatte, wollte ich jetzt mein altes Leben zurück. Das Leben, in dem Mum stark gewesen war oder zumindest so gewirkt hatte. Ich wollte sie in den Arm nehmen, wenn sie Samstags zu mir kam. Nachdem ich Davis kennengelernt hatte dachte ich, es würde vielleicht besser werden. Wenn ich mich selbst nur davon überzeugen konnte, mich mit ihm anzufreunden. Vielleicht würde alles ein kleines bisschen besser werden, dachte ich. Doch ich hatte mich getäuscht. Das Neue kam, das alte gewohnte - meine Familie - ging.
Und es tat weh. Sehr sogar.
DU LIEST GERADE
Herzenskämpfer
Teen Fiction»Wenn jeder Atemzug zu einem Geschenk wird« Seit sieben Jahren leidet Loucy an Leukämie. Ihr halbes Leben lang kämpft sie mit dem Tod. Ihre Kraft und ihr Glaube daran, gesund zu werden, sind längst verblichen. Dann trifft sie auf Davis. Ein Tumor, d...