- Es ist eine Gabe. -
Ohne es überhaupt beabsichtigt zu haben, schlugen meine Augen auf. Die ersten Sonnenstrahlen, schienen durch die Vorhänge und blendeten mich, als würde man einen viel zu grellen Scheinwerfer zehn Zentimeter vor meinem Gesicht auf mich richten. Verbittert kniff ich die Augen zusammen und rollte mich mühsam auf die andere Seite. Erst nach mehreren Minuten schaffte ich es, klarer zu denken.
,,Scheiß Sonne", kam mir als erstes in den Sinn.
,,Samstag", war das zweite und deutlich größere Problem. Ein weiterer Samstag ohne Mum. Ohne ihr mitgebrachtes Essen und ohne ihre liebe Umarmung. Sie musste längst in Virginia angekommen sein. Gemeldet hatte sie sich kein mal bei mir. Nicht mal eine verdammte Nachricht. Ich bezweifelte stark, dass sie ihr Handy vergessen hatte. Vielmehr war ich mir sicher, dass man ihr in dieser dummen Anstalt dazu riet seinem Kind nicht zu schreiben und sich dafür einzig und allein auf sich selbst zu konzentrieren. Ich seufzte leise. Warum waren das die ersten Gedanken am Tag, jeden einzelnen Morgen? Ich konnte nicht mehr. Meine Gedanken und meine Kraft damit zu verschwenden und an sie zu denken, jede freie, langweilige Sekunde, wenn ich doch eh keine Antwort darauf bekommen würde. Ich drehte mich zurück auf den Rücken. Wieder seufzte ich.
Komischerweise, war mein nächster Gedanke ein anderer.
Davis.
Heute vor einer Woche hatte ich ihn kennengelernt. Es fühlte sich wie eine halbe Ewigkeit an. Schön, mit welcher Person, die man kennen lernte verbrachte man gleich zu Anfang eine ganze Woche ununterbrochen zusammen. Es war Wahnsinn, dass er mich so gut verstand, ohne mich auch nur ein bisschen zu kennen. Dasselbe von meiner Seite aus. Ich konnte nicht sagen was es war, aber irgendetwas an ihm schaffte es, mich jeden Morgen seit einer Woche wenigstens für ein paar Minuten meine Sorgen vergessen zu lassen. Ich dachte an das gemeinsame Frühstück. Ja selbst auf das Frühstück, dass ich sonst liebend gern ausfallen ließ, freute ich mich. Ich mochte den Gedanken, nicht allein in der hintersten Ecke sitzen und mein trockenes Toast anknabbern zu müssen. Ich wusste, dass ich am Nachmittag in den Park zur Bank gehen würde und er wäre da. Wie viele Stunden ich in meinem Leben schon ganz allein auf dieser Bank verbracht hatte. Und wie mir die letzten Tage mit ihm auf der Bank um Jahre mehr vorkamen. Ich wusste garnicht, ob wir wirklich immer sprachen, oder einfach nur gemeinsam schwiegen. Als es gestern das erste mal seit Wochen geregnet hatte, war Davis hereingelaufen und hatte uns eine riesige Decke geholt, sodass wir weiterhin auf das glänzende Wasser sehen konnten. Und obwohl wir am Ende des Schauers mehr, als nur durchnässt waren, trocknete uns anschließen die wiedererschienene Sonne. Ich hatte das Gefühl, noch nie so viel den warmen Sonnenstrahlen ausgesetzt gewesen zu sein, wie in den vergangen sieben Tagen. Wahrscheinlich hatte ich längst einen Sonnenbrand auf der Nase bekommen. Sah ich natürlich nicht. Einen Spiegel mied ich weiterhin. Und ich würde es an seiner Reaktion bemerken, würde er lachen und mich mit einem Clown vergleichen.Langsam richtete mich auf. Ich hätte das Gefühl, dass mir das Aufstehen noch nie so leicht gefallen war, wie im den vergangenen Tagen. Ich mochte die gebrochenen Sonnenstrahlen, die durch die Vorhänge in mein Zimmer und in mein Gesicht schienen, auch, wenn ich mich jeden Morgen darüber beschwerte, dass sie mich aus dem Schlaf rissen. Ich mochte sogar meinen grässlichen Morgenmantel und ich freute mich einfach auf das Frühstück mit ihm.
Ich musste nicht auf die Uhr sehen. Mein Schlafrhythmus war zuverlässig. Seiner wahrscheinlich auch. Denn jedes mal, wenn ich die Kantine betrat, saß er schon längst auf seinem Platz. Auch, wenn er sich jeden Morgen bei mir beschwerte, wie sehr er es hasste so früh aufzustehen. Und ich ihm nur antwortete, dass er auch ruhig wieder ins Bett gehen konnte. Wohingegen er natürlich nur zu lachen begann.Schnell griff ich nach meinem Mantel, schlüpfte in meine Schuhe und band noch während ich das Zimmer verließ, meine Haare zu einem kleinen Dutt zusammen.
Ich lief den, noch leeren, Flur entlang und stieß eine Tür nach der anderen mit einem Schwung auf. Wie lange ich früher für den Weg in die Kantine gebraucht haben musste. Den Fahrstuhl mied ich und eilte stattdessen die Treppen nach unten.
Mit fast schon einem kleinen Schmunzeln auf den Lippen und einem knurrenden Magen betrat ich den großen Saal. Meine Schritte waren lang und ich lief hungrig auf den hinteren Teil zu, auf einen Tisch, an dem ich bereits von dieser Entfernung eine Silhouette erahnen konnte.

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Herzenskämpfer
Ficção Adolescente»Wenn jeder Atemzug zu einem Geschenk wird« Seit sieben Jahren leidet Loucy an Leukämie. Ihr halbes Leben lang kämpft sie mit dem Tod. Ihre Kraft und ihr Glaube daran, gesund zu werden, sind längst verblichen. Dann trifft sie auf Davis. Ein Tumor, d...