Kapitel 47

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Sie stand also dort oben, lehnte eine Hand am Gerüst der Treppe und ließ den Blick über die Gruppe schweifen, die sich hier im Raum versammelt hatte. Ich habe mir oft vorgestellt was ich ihr sagen würde, wenn sie noch leben würde. Ich dachte oft darüber nach, wie es sich anfühlen würde, ihr jeden Tag zu erzählen wie mein Tag war. Ich überlegte, ob Dad Dad gewesen wäre, wenn Mom am Leben gewesen wäre.

Aber, was wenn die Person die du am Meisten liebst, sich als die grausamste Person herausstellt, die du je kennengelernt hast. Was, wenn diese Person nicht die Person ist, die sie zu sein scheint.

Was, wenn diese grausame Person, deine Mutter ist?
Ich lebe noch. Ich atme. Ich liebe. Mein Dad hat mir viele Sachen angetan, wobei ich um die aufzuzählen, wohl Tage brauchen würde. Und meine Mutter war am Leben während all dieser Zeit und hat nichts dagegen unternommen. Rein gar nichts.

Sie hat zugesehen, wie ihre zwei Söhne Tag für Tag, Minute für Minute, von ihrem Vater verprügelt werden und hat nichts getan, um das zu verhindern. Sie hat sich als eine tote Frau ausgegeben. Sie hat so getan, als wäre sie nach meiner Geburt gestorben. Und jetzt, nach beinahe 18 Jahren meines Lebens steht sie dort oben an der Treppe und sieht mich an. Sie sieht mich aber nicht so an, wie eine Mutter ihr Kind ansehen sollte. Sie sieht mich so an, als ob ich ein Fremder wäre. Als ob ich der Feind wäre.

Ich hatte vor langer Zeit einmal, als Dad geschlafen hatte, seine Geldbörse durchsucht, weil ich Geld brauchte um etwas zu Essen zu kaufen, weil er in seinem Zustand unfähig war. Und, als ich seine Geldbörse durchsuchte, fiel ein Bild heraus. Ich sah es mir an und wusste, dass es meine Mom war.

Ich trage das Bild heute noch bei mir und ich weiß nicht wieso, aber eine Welle der Enttäuschung überkam mich. Ich hatte mehr erwartet. Mehr als das.

" Mom?", fragte Adam nochmal und schleuderte mich somit aus der Vergangenheit wieder in die Gegenwart.

Sie sah uns herablassend an und stieg langsam die Stiege hinab. Sie ließ sich Zeit, so als ob sie nicht zum ersten Mal in ihrem Leben ihre eigenen Kinder sah. Nein, ihr war das alles hier vollkommen egal und ich kriegte nicht in meinen Kopf was falsch mit ihr war.

" Mein Name ist Azura. Ich bin eure Mutter, das stimmt. Aber ich bin ebenso der Boss hier. Wenn ihr hier seid um Kate zurück zu holen, dann tut es mir leid. Aber das kann ich nicht zulassen."

Ich sehe sie an und versuche durch ihre kalte Fassade hindurch zu blicken, sehe aber nur Bitterkeit. Eine verbitterte, kalte Frau soll meine Mutter sein.

" Du bist nicht unsere Mutter.", sagte ich. Sie wendete sich mir zu und um ihre Lippen bildete sich ein kleines Lächeln.

" Doch das bin ich.", widersprach sie.

" Nein, bist du nicht. Weißt du was den Begriff Mutter ausmacht? Ich sehe dich heute zum ersten Mal in meinem Leben und das Einzige was du mir sagt, ist deinen Namen und, dass ich meine Freundin nicht mitnehmen kann. Das ist das Einzige, was du mir sagst. Also nein. Du hast kein Recht, dich als meine Mutter zu bezeichnen."

Sie schluckte. Versuchte sich als unbeeindruckt und unkümmernd zu überbringen, aber ich wusste, dass diese Worte sie trafen. Tief trafen.

" Dad hat uns Tag für Tag verprügelt, hat uns das Leben gezeigt, wie es nicht schlimmer sein könnte, hat uns kein Funken Liebe spüren lassen, während du am Leben warst? Du kannst dich in meinen Augen nicht einmal als Menschen bezeichnen.", machte ich weiter. Ich hatte mir diese Begegnung anders vorgestellt. Doch nun verwandelte sich all die Enttäuschung in Wut. Unfassbare Wut.

" Ich habe Blut geweint, während du was gemacht hast? Deine FIngernägel gefeilt hast?", Adam griff mir an die Schulter, um mir zu signalisieren, dass ich einen Gang runterschalten sollte, aber da hatte er sich geschnitten. Ich bin gerade erst warm geworden.

Bad Boy goes wild.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt