Kapitel 7

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Es gibt Tage, die verlaufen genau nach deinem Plan. Das sind die Tage, in denen ich widerstehen kann die Schlummer-Taste meines Weckers zu drücken und stattdessen mit einem Lächeln aufwache. Tage, an denen es so scheint als würde mir alles zufliegen und als wäre das Glück plötzlich auf meiner Seite. Die Schlange, auf die ich morgens beim Bäcker treffe, löst sich dann gerade auf, wenn ich den Laden betrete und die Ampeln auf dem Weg zur Schule werden nacheinander grün, sobald ich in ihre Nähe komme. Im Radio läuft eins meiner Lieblingslieder und ich komme mir nicht dumm dabei vor, wenn ich den Rhythmus auf dem Lenkrad mittrommle. Manchmal sind es aber auch die Tage, an denen sich jemand zuerst bei dir meldet, den du abends nach langer Zeit mal wieder anrufen wolltest. Alles ergibt an diesen Tagen auf einmal einen Sinn, alles fügt sich zu einem Ganzen zusammen und du weißt das Leben, das du führen darfst ausnahmsweise mal zu schätzen. Dann sind es die kleinen Dinge, die dir plötzlich wieder auffallen und die letzten Sonnenstrahlen, die nicht nur deine Haut, sondern auch dein Herz erwärmen. An diesen guten Tagen fühlt sich Atmen für mich wie Freiheit an, ich bekomme Luft und fühle wie sich die Luft in meinen Lungen ausbreitet.                                                            Ich war mir, als ich aufwachte sicher, dass heute genau einer dieser Tage werden würde. Doch mein Gefühl hatte mir einen Streich gespielt, vielleicht war meine Intuition, die sich bei mir meldete. Denn neben diesen gelungenen Tagen gibt es auch diese, die alles durcheinanderbringen und das zerstören, was du eigentlich als unerschütterlich in deinem Leben angesehen hast. Es sind die Tage, die dich und deine Gefühlswelt völlig aus dem Gleichgewicht bringen und manchmal reicht genau eine Person aus, um einen so vermeintlich guten Tag zu einem katastrophalen zu machen.

Als ich morgens aufwachte, brauchte ich noch nicht einmal die Augen zu öffnen, um zu wissen wo ich gerade war. Ich hörte Lanas momentane Lieblingsband leise aus der Küche erklingen und die Kaffeemaschine übertönen. Wenn ich eins sicher von Lana wusste, dann dass sie morgens nur ihren Kaffee und Musik brauchte, um gut in den Tag zu starten. Ich überlegte kurz, ob ich mir etwas überziehen und zu ihr in die Küche gehen sollte. An mir runterzuschauen brauchte ich erst gar nicht, ich wusste auch so noch ganz genau, dass ich nackt war und lächelte bei dem Gedanken an die letzte Nacht. Wiederwillig öffnete ich trotzdem die Augen und suchte den Boden nach meinen Anziehsachen ab und warf mir das Wichtigste über. Ich wollte heute jede Sekunde mit Lana ausnutzen, bevor sie am Abend für eine Fortbildung nach Oldenburg fahren musste. Als ich Barfuß das Schlafzimmer verließ, kam mir Lana schon mit zwei Tassen entgegen und stieß fast mit mir zusammen. „Wolltest du mir den gerade ans Bett bringen?", fragte ich mit einem breiten Grinsen und nahm den Kaffee entgegen. „Ausnahmsweise mal, ja.", lachte Lana und gab mir einen kurzen Kuss. Das gemeinsame Kaffeetrinken im Bett war mittlerweile ein kleines Ritual von uns beiden geworden. Wir verbrachten an den Wochenenden gerne noch eine Weile morgens im Bett, unterhielten uns über Gott und die Welt und schliefen manchmal sogar nochmal kurz ein. Das waren die Stunden, die nur uns beiden gehörten und nicht unseren alltäglichen Problemen oder dem Stress auf der Arbeit. Lana hatte in letzter Zeit viele Überstunden machen müssen und durch ihren Schichtdienst, in dem sie teilweise arbeiten musste, war nicht immer viel Zeit für uns beide übrig geblieben. So starteten wir auch heute in den erstmal letzten gemeinsamen Tag und versuchten die Zeit zu genießen.

„Können wir bitte einfach den ganzen Tag liegen bleiben?", fragte Lana und kuschelte sich näher an mich. Der Kaffee war mittlerweile ausgetrunken und ich spürte, wie Lana kleine Küsse auf meinem Hals verteilte. Ich schloss die Augen und reckte meinen Hals ein Stück nach oben, damit Lana mehr Platz hatte und spürte dabei ihr Lächeln in meiner Halsbeuge. Behutsam wanderten ihre Hände meinen Bauch entlang und schoben sich unter mein Shirt, das ich erst vorhin wieder angezogen hatte. Animiert von dem, was sie in mir auslöste, drehte ich mich zu ihr um, schaute in ihre blauen Augen, in denen sich so viel Wärme spiegelte und ich nur hoffen konnten, dass meine auch nur ansatzweise so viel Emotionen durchscheinen ließen. Schnell legte ich meine Hand an Lanas Hinterkopf und zog ihr Gesicht zu meinem, damit ich meine Lippen auf ihre legen konnte. Mit all dem Verlangen, das ich für sie empfand küsste ich sie und ließ meine Hände ihren Körper erkunden. „Könnten wir schon, aber hast du mal aus dem Fenster geschaut? Das Wetter ist endlich mal wieder sonnig.", sagte ich zwischen unseren Küssen und streichelte mit meinen Fingern durch ihre Haare. Das ganze Schlafzimmer wurde so sehr von dem Sonnenlicht, das durch das Fenster schien geflutet, sodass man sogar den Staub in der Luft fliegen sehen konnte. Die letzten Tage hatte es größtenteils geregnet und auch heute Abend hatte der Wetterbericht wieder welchen angesagt. „Und das heißt, dass wir nicht hier im Bett bleiben können?", hakte Lana nach und zog ihre Augenbrauen hoch und fuhr mit ihren Fingerspitzen meinen Oberschenkel auf und ab. Ich biss mir auf die Lippe und versuchte sie dennoch von meinem eigentlichen Plan zu überzeugen. „Das heißt, dass wir das Wetter nutzen sollten, um endlich nochmal dieses eine Restaurant am Strand auszuprobieren, das letztens keinen Tisch mehr freihatte. Danach könnten wir noch ein bisschen am Wasser spazieren gehen und später helfe ich dir dann beim Packen, damit du auch nichts vergisst." „Kann ich dich nicht einfach einpacken?" Vor ein paar Wochen hätte ich mich bei so einer Aussage womöglich unwohl gefühlt und vor allem eingeengt. Ich war so lange Zeit nicht bereit dazu gewesen, jemanden wieder in mein Herz zu lassen und hatte immer früh genug einen Schlussstrich gezogen. Ich wollte mich schützen, um nicht wieder so enttäuscht zu werden und hatte lange Zeit nicht gemerkt, wie sehr mir all das doch eigentlich fehlte. Jemanden zu haben, den man mehr als jeden anderen schätzte, der einem Vertrauen und Geborgenheit schenkte und mein Herz mit so viel Zuneigung füllte, sodass ich langsam wieder anfing zu fühlen. Und ohne es zu wollen oder vorher überhaupt daran gedacht zu haben, spürte ich gerade, dass es mir schwerfallen würde, Lana allein für eine Woche nicht zu sehen. Oder zumindest nicht die Möglichkeit dazu zu haben. Vielleicht war es langsam an der Zeit, dass ich mir meine Gefühle doch einstand. Lana war mir zu wichtig, um sie durch meine eigene Dummheit und Unentschlossenheit wieder zu verlieren. „Wenn ich nicht zur Schule müsste, würde ich sofort mitkommen.", sagte ich ehrlich und sah Lana mein Lächeln liebevoll erwidern.

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