Kapitel 15

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Hey ihr lieben,

nachdem mich Wattpad gestern ein wenig um den Verstand gebracht hat, versuche ich es heute nochmal mit dem neuen Kapitel. Ich hoffe, dass jetzt wieder alles lesbar und veröffentlich ist. Habt ein schönes Wochenende und viel Spaß beim lesen :)


Mit einem etwas zu abrupten Bremsen stellte ich meinen Wagen auf dem Parkplatz in der Nähe vom Strand ab. Zwar standen hier vereinzelt noch Autos, doch Menschen suchte man hier um diese Uhrzeit vergeblich. Es war mitten in der Nacht, der Mond schien hell und bildete den perfekten Kontrast zu der beinahe komplett schwarz wirkenden Nacht. Das Meeresrauschen war schon von hier aus gut wahrnehmbar, doch der Wind nahm erst so richtig zu, je näher wir dem Meer kamen. Während Anne die Arme vor ihrer Brust verschränkt hatte, damit der Wind nicht durch ihre Jacke und den von mir ausgeliehenen Pullover zog, trug ich eine Decke und den Rucksack. Ich konnte noch immer nicht wirklich begreifen, was heute Abend passiert war. Annes Gefühlsausbruch und ihre Offenheit fühlten sich auf seltsame Weise gut an. Nicht gut in dem Sinne, dass es mich glücklich machte, dass es ihr schlecht ging und sie all das durchmachte. Es ging mir viel mehr darum, dass sie sich nicht weiterhin vor mir verschloss, sondern ihre Gedanken nun endlich mit mir teilte. Auch wenn ich das Gefühl hatte, ihr nicht wirklich helfen zu können, so war ich trotzdem froh darüber, für sie da sein zu können. Als hätte Anne meine Gedanken hören können, schaute sie zu mir und lächelte mich zurückhaltend an. „Danke, dass du das mit mir machst.", sagte sie und obwohl ihre Augen vom Weinen noch immer gerötet waren, konnte ich die Dankbarkeit in ihnen erkennen. Das Grün in ihren Augen war wieder heller geworden und schimmerte jetzt im Licht des Mondes noch heller. „Natürlich.", sagte ich und biss mir auf die Zunge, damit mir nicht rausrutschte, dass ich alles für sie tun würde, damit es ihr besser geht. „So natürlich ist das nicht.", gab sie leise zurück, doch ich ging nicht weiter darauf ein. Es dauerte nur ein paar Minuten bis wir schließlich durch den Sand stampften und bis zum Steg, der relativ weit ins Meer hineinragte, gingen. Auch hier am Meer war bis auf das Geräusch des Wassers nichts zu hören. Außer ein paar Vögel, die ab und zu am Himmel umherflogen, gab es hier nur Anne und mich. Uns beide und mein pochendes Herz, das ganz aufgeregt schlug. Ich konnte einfach nicht abstreiten, dass Anne ihre besondere Wirkung auf mich immer behalten hatte. Es war egal, ob sie nun mit einem ironischen Grinsen oder weinend vor mir stand, ich war und blieb nervös in ihrer Nähe.

Als wir am Steg ankamen, gingen wir bis zum Ende und legten dort unsere Sachen ab. Das Meer war heute eher ruhig, sodass nur wenige Wellen am Steg brachen und wir weitestgehend trocken blieben. Allein der Wind blies um uns herum und ich war froh, dass ich mir eine Mütze angezogen hatte. „Sollen wir?", fragte ich Anne vorsichtig und wollte sie nicht überrumpeln. Sie sollte sich die Zeit nehmen, die sie brauchte. Anne schaute mich an und nickte, bevor sie sich hinhockte und den Rucksack öffnete. Ich hockte mich gegenüber von ihr hin und schaute zu, wie sie die Flasche und ihre Briefe rausholte. „Pass auf, dass die Blätter nicht jetzt schon wegfliegen." Anne lächelte, ohne mich anzuschauen und rollte die Blätter zusammen. „Das wäre ganz schön mies. Meinst du, dass wirklich alles da reinpasst?", fragte sie und ich nahm die Flasche in die Hand, um ihr zu helfen. „Wenn du alles eng zusammenrollst, bestimmt. Bist du dir sicher, dass du deine Briefe nicht nochmal lesen willst?" Jetzt hob Anne den Blick und schaute mir direkt in die Augen. „Ich habe all das im Kopf, Hannah. Das sind Gedanken, die ich seit ziemlich langer Zeit mit mir rumschleppe, die brauche ich nicht nochmal zu lesen." Nachdem Anne mir davon erzählt hatte, dass sie ihrem Vater gerne noch so viel gesagt hätte, hatte ich ihr vorgeschlagen, ihre Gedanken in einem Brief niederzuschreiben und als Flaschenpost aufs Meer zu schicken. Für mich hatte das Meer schon immer eine besondere Bedeutung gehabt und die scheinbare Unendlichkeit erschien mir passend für sie eine Aktion wie diese. Während Anne auf meinem Balkon den Brief an ihren Vater geschrieben hatte, habe ich extra noch getestet, ob die Flasche auch wirklich wasserdicht war. „Dann wird es wohl Zeit, ein paar davon loszuwerden.", sagte ich und verschloss die Flasche wieder, bevor ich sie Anne zurückgab. „Ist das eigentlich überhaupt erlaubt?", hakte sie nach und verzog ihr Gesicht. „Es ist vielleicht nicht besonders umweltfreundlich, aber verboten ist es sicherlich nicht. Außerdem sieht uns hier ja auch gerade niemand.", sagte ich und lachte leise. „Kommst du mit?", hörte ich Anne fragen. Sie stand auf und ging weiter nach vorne, bis sie ganz am Ende des Stegs stand. Ich spürte, wie sich dieser Anblick in meine Erinnerung einbrannte und dass ich diesen Moment vermutlich niemals wieder vergessen würde. Anne schien auf mich zu warten und drehte sich nochmal zu mir um. „Bin schon da.", sagte ich schnell und stand dann ebenfalls auf, um zu ihr zu gehen. „Glaubst du wirklich, dass das helfen wird?", fragte sie unsicher und hielt die Flasche noch immer fest in ihrer rechten Hand und drückte sie an ihr Herz. „Wenn du an den Gedanken dahinter glaubst, dann bestimmt.", sagte ich und spürte, wie meine Stimme versagte. Ich blinzelte schnell und versuchte die Tränen in meinen Augen damit zu unterdrücken. Anne so zu erleben, ließ in mir sämtliche Emotionen hochkommen. Diese ungewohnte Verletzlichkeit und Schwäche, die sie auf einmal zuließ, war eine Seite an ihr, die ich bisher viel zu selten gesehen hatte, um gut damit umgehen zu können. Ich legte meine Hand auf ihre Schulter und sah aus dem Augenwinkel, wie sie die Augen schloss und tief einatmete. „Okay.", sagte sie und öffnete die Augen wieder, bevor sie einen Moment später weit ausholte und die Flasche mitten ins Meer warf. Wir beide waren in dem Moment komplett still und lediglich das Aufkommen der Falsche auf der Wasseroberfläche war zu hören. Ohne ein Wort zu sagen, setzte sich Anne wieder auf den Boden und blickte starr auf die Flasche. Wäre der Anlass nicht ein so trauriger, dann hätte dies durchaus eine romantische Filmszene sein können. Das Licht des Mondes wurde auf der dunklen Oberfläche des Wassers reflektiert und dieses Naturschauspiel erschien mir beinahe magisch. Bevor ich mich neben Anne setzte, holte ich noch schnell die Decke und legte sie über ihre Schulter. „Ist dir nicht kalt?", fragte sie und unterbrach damit die Stille. „Das geht schon.", antwortete ich, weil ich sie in diesem Moment nicht erst stören wollte. „Lügnerin!", sagte sie schmunzelnd und kurz darauf spürte ich, wie sie die Decke über mich legte und näher zu mir rückte, damit wir auch beide darunter passten. Augenblicklich fühlte ich wieder das Kribbeln, das ich in ihrer Nähe gar nicht mehr fühlen wollte und sollte. Als wir einfach nebeneinandersaßen und schwiegen, konnten wir noch immer die Flasche sehen, die mit jeder Sekunde weiter ins Meer gezogen wurde. Ich spürte jede noch so kleine Bewegung von Anne und hatte Angst, dass sie vielleicht hören konnte, wie schnell mein Herz die ganze Zeit über klopfte. Während ich mit aller Kraft versuchte meine Gedanken auszublenden und auf Meer zu starren, nahm ich erst gar nicht wahr, dass auf Annes Gesicht erneut Tränen runterliefen. Sie schien es ebenfalls richtig wahrzunehmen, sondern blickte weiterhin stumm in die weite Dunkelheit. Ohne groß darüber nachzudenken, legte ich meinen Arm um sie und zog sie noch das letzte Stück zu mir heran. Anne sagte kein Wort, ließ ihren Kopf auf meiner Schulter nieder und ich konnte spüren, wie sich ihr Körper beim Weinen unregelmäßig auf und ab bewegte. Ich weiß nicht, wie viel Zeit verging, während wir so da saßen und die Stille um uns herum teilten. Doch irgendwann hob Anne ihren Kopf wieder von meiner Schulter und bewegte ihren Nacken von rechts nach links, bis es knackste. „Autsch.", sagte ich und wandte mich zu ihr. „Deine Schulter ist zwar wirklich gemütlich, aber auf Dauer auch nicht die beste Position.", sagte sie grinsend, bevor sie sich die Augen rieb. „Und wenn ich weiter so mache, steigt der Meeresspiegel auch noch weiter an." Ich lachte und schüttelte den Kopf, die Stimmung von einen auf den anderen Moment konnte auch nur sie so schnell wechseln. „Was ich eigentlich damit sagen wollte ist: Danke." Noch mehr als ihre Worte berührte mich ihr Blick, der so durchdringend war, dass mir gefühlt die Luft wegblieb. „Ich bin für dich da, okay? Egal, wie weit der Meeresspiegel dank dir noch ansteigt.", brachte ich hervor und hoffte dadurch diese Spannung zwischen uns zu unterbrechen. Doch meine Bemühung blieb erfolglos. Die Spannung wurde spürbar größer und spätestens als Annes Gesicht meinem näher kam, wusste ich, was gleich passieren würde. Anne fesselte mich mit ihrem Blick, ich fühlte mich wie hypnotisiert und als ihre Lippen endlich auf meine trafen, lösten sie ein bittersüßes Gefühl in mir aus. Ihr Kuss war zart und vertraut und ließ mein Inneres verrücktspielen. Gefühlt war dies alles, was ich in dem Moment wollte und es übertraf all meine Erinnerungen an unsere vorherigen Küsse. Annes Lippen schmeckten noch leicht salzig und mit jedem Millimeter ihres Körpers, der meinen berührte, spielten meine Sinne verrückt. Es war so als würde mit diesem Kuss alles hochkommen, was ich je für sie gefühlt hatte. All die Zuneigung und all der Schmerz. Auch wenn jede Zelle meines Körpers sich dagegen wehrte, löste ich mich von ihren Lippen und aus dem Kuss. „Anne, ich...", setzte ich noch immer völlig überrumpelt an, doch sie unterbrach mich. „Ich weiß, es tut mir leid. Ich wollte dich nicht in die Situation bringen, meine Gefühle spielen verrückt." Sie wandte den Blick von mir ab und fuhr sich nervös durch ihre Haare. Ihr war die Situation unangenehm, das spürte ich sofort. „Du musst dich nicht entschuldigen. Ich weiß, ich sollte es nicht sagen, aber es ist nicht so als würde ich das nicht wollen.", sagte ich und sie schaute überrascht zu mir. In ihren Augen spiegelte sich meine Traurigkeit und ich fühlte mich auf seltsame Weise schuldig, weil ich sie zurückgewiesen hatte.  „Aber es geht nicht.", beendete sie meinen Satz und ich presste die Lippen aufeinander. „Es geht nicht.", wiederholte ich und nahm trotzdem ihre kalte Hand. Anne wollte sie mir zuerst entziehen, doch ich hielt sie fest und versuchte ihren Blick erneut zu erwischen. „Das heißt aber nicht, dass ich nicht trotzdem für dich da bin, wenn du mich brauchst." Anne nickte und wollte etwas antworten, doch schloss direkt wieder ihren Mund. Sie schien zu überlegen, ob sie ihre Gedanken laut aussprechen sollte und entschied sich dann offenbar dagegen. Stattdessen sagte sie: „Vielleicht sollten wir langsam wieder gehen? Ich will nicht, dass du dich wegen mir auch noch erkältest." Ich konnte nur vermuten, dass sie ähnlich durcheinander war wie ich in dem Moment, wenn nicht sogar noch mehr. Vielleicht war sie aber auch verletzt und wollte es nur nicht zeigen. „Ich lebe hier, das härtet einen ab.", sagte ich und versuchte die Stimmung nach dem Kuss wieder ein wenig zu lockern. Ich konnte ihre Lippen noch immer auf meinen spüren, es war so als würden meine Lippen dieses Gefühl nicht vergessen wollen. Annes Kuss hatte sich so richtig und gleichzeitig falsch angefühlt und ich konnte nicht im Geringsten einschätzen was und ob er überhaupt etwas zu bedeuten hatte. Die Gedanken in meinem Kopf spielten verrückt, ich wusste nicht so recht, was ich gerade fühlen sollte oder besser gesagt fühlen wollte. Zumal sich mein schlechtes Gewissen Lana gegenüber meldete und ich den Gedanken daran einfach nur versuchte zu verdrängen. Anne hatte meine Hilfe gebraucht, sich für einen kurzen Moment vergessen und ich hatte den Kuss unterbrochen. Zwar nicht direkt, aber sobald mir klar geworden war, was da gerade passierte.

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