Kapitel 18

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Hello,
ich melde mich mit einem neuen Kapitel zurück. Es ist zwar etwas kürzer als sonst geworden, ich hoffe dennoch, dass es euch gefällt! Viel Spaß beim Lesen und danke für eure Geduld ;)

Ich schluckte. Mir schossen Tränen in die Augen. Ich war verwirrt.
Anne ließ sich von meinem Schweigen nicht beirren und fuhr fort, ohne eine Antwort von mir abzuwarten. „Kannst du dich an die eine Sprechstunde erinnern, in der du mich nach meiner Augenfarbe gefragt hast?", fragte sie und ich nickte, ohne daran zu denken, dass sie das gar nicht sehen konnte. „Damit fing alles an. Ich kann dir nicht genau sagen, was es war, aber irgendwas hatte sich seit Beginn des Semesters verändert. Anfangs hatte ich keine Erklärung für deine plötzliche Nervosität und deine ständigen Blicke, die sich auch für mich auf einmal so anders anfühlten. Aber nach und nach hat sich alles wie ein Puzzle zusammensetzen lassen, auch wenn ich es immer noch für absurd hielt, dass du mehr für mich empfinden könntest. Ich hatte vorher nie darüber nachgedacht, dass sowas überhaupt passieren könnte. Aber während der Sprechstunde wurde es so offensichtlich, dass es mich selbst aus der Fassung brachte. Und dann konnte ich irgendwann an nichts anderes mehr denken, Hannah", sagte Anne und die Vernunft in mir schrie förmlich danach, sie zu unterbrechen und zu fragen, was das Ganze überhaupt soll. Die Realität war jedoch, dass ich jedes einzelne Wort wie ein Schwamm aufsog und die Bilder zu ihren Worten wie ein Film vor meinen Augen abliefen. „Du warst ständig in meinem Kopf, ohne dass ich das wollte. Ich kam mir wirklich lächerlich dabei vor, wenn ich mich auf unser Seminar wegen dir freute, oder mich fragte, ob ich deinen Blick wohl wieder auf mir spüren würde. Das war alles andere als professionell, um das mal kurz festzuhalten. Aber es war mir mit der Zeit egal, weil ich tief in mir spürte, dass ich dem einfach nachgehen musste, weil ich etwas fühlte, was ich noch nie auf diese Weise gefühlt hatte. Also pfiff ich irgendwann auf mein schlechtes Gewissen und auf die Stimme in mir, die mir immer wieder sagte, dass ich mich damit in ein großes Chaos stürzen könnte." Es machte auf mich den Eindruck , als hätte Anne lange über ihre Worte nachgedacht. Das war kein Monolog, der einfach aus ihr raussprudelte, denn Anne war kein Mensch, der Kurzschlussreaktionen nachging.

„Und wann wolltest du mich jetzt zum ersten Mal küssen?", fragte ich und zwar so leise, dass ich befürchtete, sie hätte es gar nicht gehört. „Hannah, du kannst mich doch nicht einfach unterbrechen", sagte Anne ernst, doch ich wusste ganz genau, dass sie gerade lächelte. Ich konnte mir bildlich vorstellen, wie sie gerade wahrscheinlich auf dem Boden in ihrem Wohnzimmer hockte, sich gegen die Rückseite ihres Sofas lehnte und durch ihre großen Fenster die Skyline Kölns beobachtete. Vermutlich hatte sie sogar schon das Feuer in ihrem Kamin an und ein Glas Wein neben sich stehen. Vielleicht trug sie gerade auch den dunkelblauen, kuscheligen Cardigan, den sie sonst nur abends beim Korrigieren von Hausarbeiten trug und niemals zur Uni anziehen würde. Und ganz vielleicht lag sie aber auch grade in ihrem Bett, war am Schlafwandeln und würde sich morgen womöglich gar nicht mehr an dieses Gespräch erinnern.

„Eine Frage habe ich noch: Hast du mal auf die Uhr geschaut?", hakte ich nach und wollte so herausfinden, welche von meinen Vermutungen wohl eher zutraf. „Ja, tut mir leid. Aber das kann nicht bis morgen warten. Also kann ich meinen Monolog jetzt weiter vortragen?", fragte sie und ich stellte mir vor, wie sie ihre Brille aufsetzt und von ihren Notizen abliest.

„Es gab so viele Momente vor unserem ersten Kuss, in denen ich dich so gerne geküsst hätte. Mich hat es teilweise verrückt gemacht nicht zu wissen, wie sich deine Lippen auf meinen anfühlen und welches Gefühl deine Küsse womöglich in mir auslösen würden. Aber das erste Mal habe ich tatsächlich erst daran gedacht, als wir beide in der Uni im Café saßen. Kannst du dich daran erinnern? An dem Morgen war ich komischerweise viel zu früh an der Uni und hatte noch Zeit, um mir einen Kaffee zu holen. Dass ich dich da getroffen habe war reiner Zufall und doch hat sich danach so viel verändert. Mir gefiel es zu gut, dort einfach mit dir zu sitzen, zu erzählen und mehr von dir zu erfahren. Und dann ist dein Blick ständig zu meinem Mund gewandert und ich konnte sofort erahnen, woran du gerade dachtest, weil ich diese Verbindung und die Spannung zwischen uns langsam selbst spürte. Und obwohl es so vollkommen untypisch für mich war, fragte ich mich, wie du reagieren würdest, wenn ich deine Nähe suchen würde und ich hatte das dringende Bedürfnis danach, das zu testen. Weißt du, Hannah, ich war nie eine von diesen Personen, die sich verhalten als wären sie auf der Jagd und alles dafür tun, um die Person ihrer Träume zu erobern. Wahrscheinlich war ich bisher immer eher das Gegenteil und habe es meinen früheren Partnern schwer gemacht mich zu erobern. Aber ich wollte dich kennenlernen, ohne zu wissen, was mich auf einmal so sehr an einer Frau reizte und wie ich das überhaupt anstellen sollte", sagte Anne und mir schossen erneut Tränen in die Augen. Jeder ihrer Sätze schaffte es, all meine Erinnerungen wieder hervorzubringen und beinahe auch die Gefühle, die sich damals in meinem Inneren abgespielt hatten. Ich spürte wieder die Unsicherheit, die sich immer in mir ausgebreitet hatte, sobald Anne in meiner Nähe war und diesen starken Wunsch in mir, dass sie jemals mehr in mir sehen könnte als nur eine von vielen Studentinnen. Mir wurde klar, wie schnell sich alles geändert hatte und wie schnell ich mich am Ziel geglaubt hatte, obwohl ich es niemals wirklich erreicht hatte.

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