Kapitel 25

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Hey ihr Lieben, 

nachdem die Masterarbeit nun beinahe fertig geschrieben ist und ich die dritte Staffel von Dark endlich sehen konnte, kam ich auch dazu mal wieder ein neues Kapitel zu schreiben... Ich bin immer wieder erstaunt, dass täglich neue Leser hinzukommen und freue mich sehr darüber. Natürlich wie immer auch über Nachrichten, Kommentare oder Votes! ;) Während Hannah sich nun eine kurze Auszeit auf Ibiza gönnt, fahre ich gleich nach Holland und lasse mir auch ein wenig Meeresluft ins Gesicht wehen! Bleibt gesund und viel Spaß beim Lesen! 


Später, morgen, nächste Woche. Viele von uns verschieben gerne oder schieben Dinge auf. Wir verdrängen, dass da ja noch was war, oder denken, dass wir ewig Zeit haben. Wann in unserem Leben wird uns die Endlichkeit unseres Daseins schon mal bewusst? Vielleicht höchstens, wenn wir mit dem Tod in unserem Umfeld oder Krankheiten konfrontiert werden. Dann kommt die Gewissheit hoch, die wir doch eigentlich immer in uns tragen, nur nicht wahrhaben möchte: Irgendwann ist es zu spät. Es ist zu spät für Entschuldigungen oder Entscheidungen. Es ist zu spät für den Kuss, bei dem du dich immer gefragt hast, wie er sich anfühlen mag. Es ist zu spät für die Träume, die du nur in deinem Kopf auslebst und nicht gesagte Worte, die du lieber hättest aussprechen sollen. Irgendwann wird dir die Möglichkeit versagt bleiben, zu deinen Gefühlen zu stehen oder anderen zu sagen, wie wertvoll und wichtig sie für dich sind. Ich kannte vieler solcher verpassten Momente oder Chancen und wollte es diesmal anders machen. Dieses eine Mal wollte ich handeln, bevor es zu spät sein würde. Einmal wollte ich über meinen Schatten springen und ins kalte Wasser springen. Natürlich war ich aufgeregt und machte mir den ganzen Flug über Gedanken darüber, was wohl auf Ibiza passieren würde. Wie wird Anne reagieren? Was wird zwischen uns passieren? Werden wir uns wieder annähern? Bei diesen Gedanken tanzte mein Herz Tango. Ich fühlte Vorfreude, aber auch Angst. Was war, wenn ich mit zu großen Hoffnungen nun nach Ibiza reiste? Was würde passieren, wenn ich am Ende enttäuscht werde? Das zwischen mir und Anne war doch schon immer kompliziert gewesen. Ein ständiger Wechsel zwischen Tal- und Himmelfahrt. Doch das Problem war, dass wir wohl einfach nicht voneinander loskamen. Ich war wie ein Magnet, der immer das Gegenteil anzog. Aber vielleicht sollten wir einfach eine zweite Chance bekommen und es besser als beim ersten Mal machen. Einen Neuanfang wagen und uns diesmal ohne Hindernisse und kryptische Verwickelungen kennenlernen. Ich habe doch selbst gemerkt, dass Anne sich verändert hatte. Dass sie nicht mehr die äußert anziehende Egoistin war, die aus Selbstschutz alle möglichst weit von sich entfernt hielt. Die Frau mit der harten Schale, die ihren weichen Kern nur so selten zeigte. Anne war offener geworden, sogar emotionaler und erreichbarer. Sie war menschlicher geworden und dadurch auf eine gewisse Weise nur noch liebenswerter. Doch wann ist man des Liebens wirklich wert? Nur, wenn alles möglichst perfekt und reibungslos läuft? Oder auch, wenn es Schwierigkeiten gibt, an denen man gemeinsam wachsen kann? Ich mochte schon immer Ecken und Kanten und ihre umso mehr. Mir war klar, dass da noch etwas zwischen uns war. Sie hatte mir ihre Gefühle gestanden und ich fühlte mich auch noch immer zu ihr hingezogen. Zwischen uns lag noch immer Spannung in der Luft, auch wenn ich wusste, dass dies nicht automatisch bedeuten musste, dass der Reiz nicht auch irgendwann wieder verfliegen konnte. Doch was auch immer das zwischen ihr und mir war oder werden sollte, ich wollte es herausfinden.

Als ich aus dem Flugzeug stieg, schien die Sonne und gab mir ein gutes Gefühl. Vielleicht war es wirklich die richtige Entscheidung gewesen, hierhin zu kommen. Ibiza hatte für mich immer einen besonderen Reiz gehabt, war wie ein kleines Paradies gewesen. Obwohl ich erst zweimal hier gewesen war, hatte ich die Vielfalt hier immer bewundert. Ibiza war bunt und ein Gemisch aus allen Lebensformen, die man sich nur vorstellen konnte. Zwischen Party und Exzess bis hin zu Selbstversorger und Yoga-Auszeit konnte die Insel einem alles bieten. Die Natur war an vielen Stellen noch immer unberührt und magisch. Doch Ibiza war auch chaotisch und laut. Allein der Gedanke an die Nächte, die ich hier schon in den Clubs verbracht und durchgetanzt hatte ließ mich grinsen. Ich hatte spannende und unvergessliche Momente auf dieser Insel erlebt und Geschichten, die ich nur mit denen teilte, die dabei gewesen waren. Ibiza war besonders, das hatte ich auch wieder nach der Landung gespürt und ich war gespannt darauf, was die Insel diesmal für mich bereithalten würde. Als ich auf mein Gepäck an einem der wenigen Kofferbänder wartete, vibrierte mein Handy. Mellie hatte mir eine Nachricht geschrieben und mir erzählt, dass sie mir einen Fahrer organisiert hatte, der mich zu unserem Ferienhaus bringen würde. Sie fügte die Info hinzu, dass ich ihn an seinem orangen Schal erkennen würde. Gespannt ging ich mit meinem Koffer Richtung Ausgang und hielt nach einem Mann mit besagten Schal Ausschau. „Hannah, ich bin hier!", rief mir eine unbekannte Stimme entgegen und ich versuchte ausfindig zu machen, woher sie kam. Dann sah ich einen Mann winken, der tatsächlich einen orangenen Schal trug, den ich gar nicht hätte übersehen dürfen. Ich hatte hier schon wirklich viele verrückte Menschen gesehen, doch bei seinem Anblick musste ich wirklich grinsen. Er sah exakt so aus, wie man sich einen Hippie vorstellte, der in den 70er-Jahren steckengeblieben war. Seine schulterlangen, gelockten Haare wippten mit, als er mich mit ausgestrecktem Arm zu sich winkte. Er trug neben dem leichten Schal auch ein helles Leinenhemd, eine weite Hose und Sandalen, die ich auch an Jesus erwarten würde. Mit schnellen Schritten kam er mir dann doch entgegen und überrumpelte mich bei der Begrüßung mit drei Küsschen auf die Wange. „Willkommen auf Ibiza, Hannah. Ich bin Harald, es ist schön dich kennenzulernen." Mit seinen dunklen Augen schaute er mich freundlich an und nahm meinen Koffer. „Ich habe direkt vor dem Eingang einen Parkplatz bekommen, aber wir sollten uns beeilen, bevor ich doch noch abgeschleppt werde", fügte er lachend hinzu und setzte sich in Bewegung. Ich weiß nicht was ich erwartet hatte, doch als wir den Flughafen verließen und ich die parkenden Autos sah, sagte mir mein Gefühl sofort, welches zu Harald gehörte. Zwischen all den mittelpreisigen und teuren Autos stand genau ein Wagen, welcher komplett voller Lehm und mit einer dicken Staub- oder Sandschicht umhüllt war. Das Auto sah aus, als würde es jeden Moment auseinander fallen und ich fragte mich, ob ich dort wirklich einsteigen wollte. Ich hatte nichts gegen ältere Autos, doch ich hing an meinem Leben und wusste nicht, ob ich dieses in die Hände von Harald legen wollte. Doch dieser ließ sich überhaupt nicht beirren, zog meinen Koffer munter weiter und erklärte mir, wo er sein Auto geparkt hatte. Hilflos suchte er in seinem Beutel den Schlüssel, um den Kofferraum aufzuschließen. Als er ihn fand und aufschloss, um meinen Koffer dort reinzulegen, konnte ich kurz einen Blick in den Kofferraum werfen, den ich mir lieber erspart hätte. Neben einer Menge an Flaschen lagen dort auch Decken, Schuhe und ein Berg an Kleidung, der fast den Anschein auf mich machte, dass Harald in seinem Auto schlief. „Setz dich ruhig schon mal rein, ich schaffe ein wenig Platz", sagte er und drückte mir seinen Beutel in die Hand, welchen ich mit nach vorne nahm.

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