Kapitel 4

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‚Willst du dann einen Film gucken?'

„Oh ja gerne, welchen denn?"

Er antwortete nicht sondern hob nur eine Augenbraue und zwinkerte mir zu. Was heißt denn das jetzt?

‚Was willst du auf dein Toast?' , fragte er als das Brot aus dem Toaster schnipste.

„Habt ihr Kräuterbutter?", stellte ich die Gegenfrage.

‚Ja, reicht dir das schon?'

„Jap, mehr brauch ich nicht zum Leben", erklärte ich lachend.

Mit den Toasts auf zwei Brettchen und zwei Gläsern Wasser gingen wir in ein kleines aber gemütliches Wohnzimmer und fläzten uns auf die Couch.

Vincent legte noch schnell den Film ein, dessen Titel

„Ein magisches Drama" in einer verschnörkelten Schrift grellweiß auf schwarzem Untergrund leuchtete.

Der Film war sehr spannend und handelte zwar von einer Liebesgeschichte, aber es war überhaupt nicht kitschig oder klischeehaft, sondern schön gemacht und vor allem hatten die Hauptpersonen magische Fähigkeiten, was dem Ganzen eine großartige Note verpasste.

Jedoch schien es mehr und mehr auf ein trauriges Ende hinauszulaufen und ich war echt mitgenommen, als Elena, eine der Hauptpersonen starb. Noch nie war ich von einem Film so erschüttert gewesen dass ich weinte. Das lag wahrscheinlich daran, dass ich eigentlich nie Filme sah.

Ich versuchte mir nichts anmerken zu lassen, doch Vincent bemerkte es und schmunzelte kurz.

Dann spürte ich Vincent vorsichtig einen Arm um mich legen und näher zu mir rutschen.

Ungewollt spannte ich mich an und machte mich kleiner, aber als Vincent seinen Arm wieder wegnehmen wollte, merkte ich, dass es mit ihm eigentlich schöner war. Deshalb lehnte ich mich an seine Schulter und genoss die Wärme, als Elena im Film beerdigt wurde. Vincent schmunzelte wieder und nahm mich wieder in den Arm.

Auch als der Film zu Ende war und der Abspann begann, wollte ich mich noch nicht bewegen. Ich musste mir eingestehen, dass ich Angst hatte, mit einer Bewegung die Situation zu zerstören, dass Vincent vielleicht seinen Arm wegnehmen könnte. Warum genoss ich das so sehr? Wieso war ich überhaupt hier? Ich kannte ihn erst zwei Tage und ich war schon bei ihm zuhause und vertraute ihm voll und ganz. War ich nicht einmal pessimistisch und kalt gewesen?

Er muss gespürt haben, dass ich irgendwie mit mir rang, denn er guckte mich fragend an.

„Alles gut", sagte ich mit der kratzigen Stimme, die ich immer hatte wenn ich lange nichts gesagt hatte, doch die Stimmung war anders als vorher.

‚Wir sollten ins Bett gehen. Es ist schon fast halb elf und wir müssen morgen in die Schule.'

Ich nickte matt während ich mich schwerfällig erhob.

Vincent führte mich in sein Zimmer, in dem ein Bett aus hellem Naturholz stand. Außerdem waren hier ein ebenfalls hölzerner Schreibtisch mit Laptop und zwei Schränke.

Vincent zog aus dem Bett ein weiteres hervor und suchte aus dem Schrank Bettdecke und Kopfkissen heraus

‚Willst du an der Wand oder auf dem zweiten Bett schlafen?'

„An der Kante", antwortete ich, obwohl es mir ziemlich egal war.

Vincent legte das Bettzeug auf die untere Matratze und führte mich dann in ein Badezimmer, wo er mir eine Zahnbürste in die Hand drückte.

Wir putzten Zähne und gingen anschließend wieder in Vincents Zimmer. Er öffnete das Fenster und guckte mich fragend an, weil ich etwas planlos im Raum stand.

‚Ist noch etwas?'

„Ne", antwortete ich kurz und legte mich ins Bett.

‚Willst du ernsthaft in Jeans schlafen?' , fragte er grinsend.

„Naja..", druckste ich ein wenig herum, „Ich weiß nicht ob ich mich dabei so wohl fühle. Weil... Du bist ja da und... Ist das nicht irgendwie komisch wenn ich mich jetzt ausziehe?", fragte ich, während ich spürte, wie ich ein bisschen rot wurde

Aber Vincent grinste nur breit und schrieb:

‚Du sollst dich ja nicht ganz ausziehen, aber nur in Boxershorts habe ich dich doch eh vorhin in der Umkleide beim Klettern gesehen, was spricht also dagegen?'

Wie zur Unterstützung entledigte er sich seiner schwarzen Jeans, die eine ebenso schwarze Boxershorts zum Vorschein brachte und kletterte über mich in sein Bett.

Seine positive Art hatte die schlechte Stimmung wieder gebrochen, trotzdem war mir immer noch etwas unwohl, als ich meine Hose auszog.

Ich legte mich hin und zog mir die Decke bis zum Hals, da es ziemlich kalt durchs Fenster zog. Vincent schaltete noch das Licht aus und legte Block und Stift weg, bevor er sich mit Blick zur Wand schlafen legte. Ich war müde, merkte aber dass ich noch nicht schlafen können würde. Ich lag einfach nur da und dachte an alles und nichts.

„Vincent?", flüsterte ich irgendwann.

Langsam drehte er sich um und schaute mir direkt in die Augen. Ich sah nicht viel, aber das Mondlicht reichte, um das zu erkennen.

Er legte den Kopf ein wenig schief und guckte mich fragend an.

„Also.. Ich..", stotterte ich. Vincent bemerkte meine Unsicherheit, rutschte an die Kante seines Bettes und legte mir beruhigend eine Hand auf die Schulter.

„Ich... Ich bin nicht schwul... aber... ich fand das irgendwie schön... vorhin auf der Couch."

Ich hatte große Angst vor seiner Reaktion aber er lächelte nur wissend. Dann rutschte er wieder zur Wand und schlug seine Decke zurück. Wollte er, dass ich zu ihm ins Bett kam? Und wollte ich das überhaupt?

Vincent schien meine Gedanken zu lesen, denn er nickte kaum merklich und lächelte mich warmherzig an.

Ich zögerte noch kurz, kroch dann aber unter meiner Decke hervor und kletterte zu ihm ins Bett. Nervös legte ich mich mit gebührendem Abstand neben ihn und schaute ihn mit klopfendem Herzen an.

Vincent verdrehte kurz die Augen und zog mich eng an sich, sodass sich unsere Nasenspitzen fast berührten und ich seine Wärme spürte. Sofort legte sich meine Aufregung und ich genoss diese Nähe zu einem Menschen, die ich noch nie gespürt hatte. Ich fühlte mich in seinen mich umschlingenden Armen so beschützt und akzeptiert, so geliebt. Um die Decke über uns zu streifen ließ er mich noch einmal ganz kurz los, bevor er mich noch näher zu sich zog. Er schaute mich lange an, bevor er seine Augen schloss. Ich tat es ihm gleich und schlief fast sofort ein.

Am nächsten Morgen wurde ich von Vincent geweckt, der mir über den Kopf strich.

„Es ist noch dunkel", stöhnte ich genervt, „ach so... Scheiße. Schule."

Moment. Er strich mir über den Kopf. Warum tat er das? Und warum störte es mich nicht?

Ich wollte mich aus seiner Umarmung winden und aufstehen, doch er verstärke seinen Griff und hielt mich fest.

Als ich ihn genervt anguckte lächelte er und hielt mir sein Handy vor die Nase. Darauf stand:

Sehr geehrte Eltern, liebe Schüler,

aufgrund einer Bombendrohung bleibt die Schule heute leider geschlossen. Bitte begeben Sie sich nicht in die Nähe des Schulgebäudes.

Mit freundlichen Grüßen, die Schulleitung.

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Ich entschuldige mich für das ziemlich kurze Kapitel, das Nächste wird sogar länger als der Durchschnitt, versprochen :).

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