Kapitel 10

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Danach wiederholten wir zum dritten Mal die Prozedur der Hausbesuche. Als ich Vincent bei mir ein Glas Wasser reichte fiel es mir wie Schuppen von den Augen.

„Ach deswegen war das Glas zerkratzt", rief ich und schlug mir an die Stirn. Vincent verschluckte sich vor Schreck und fragte dann: „Bitte weswegen war welches Glas zerkratzt?"

„DU", erklärte ich laut und bohrte ihm meinen Finger in die Brust, „hast beim ersten Mal, als wir klettern waren mit deinen kleinen, süßen, spitzen Zähnchen ein Glas zerkratzt und meine Mutter hat sich gefragt, warum. Und hör gefälligst mit dieser heißen Kratzstimme auf."

Vincent lachte und sagte seine noch brüchige Stimme absichtlich tiefer und rauer stellend: „Das tut mir sehr leid, bitte entschuldigen Sie meine Unvorsichtigkeit."

„Du kleiner Spinner", sagte ich und küsste ihn kurz.

Dann machten wir uns auf den Weg in die Kletterhalle.

Dort wurden wir wieder herzlich von Mark begrüßt, der uns diesen ‚Ich-etwas-was-ich-nicht-wissen-kann-Blick' zuwarf. Vincent schien zu wissen, was er meinte, denn er notierte kurz:

‚Ja wir sind jetzt zusammen. Zufrieden?'

„Cool, das freut mich", meinte Mark freudig, doch ich unterbrach: „Momomomoment. Woher weißt du das?!"

„Ich weiß es eben", erklärte er grinsend, „und ich bin mir sicher, dass Vincent es dir gleich erklären wird. Und jetzt macht euch hoch, ihr seid ja nicht zum Spaß hier!" Damit drückte er mir Kletterschuhe in der korrekten Größe in die Hand und scheuchte uns die Treppe zu den Umkleideräumen hinauf.

Während wir uns umzogen und Vincent seine Ausrüstung auspackte verlangte ich eine Erklärung von ihm: „Wie kann denn bitte Mark davon wissen, dass wir zusammen sind?"

„Naja ich kenne ihn halt relativ gut... Er weiß übrigens nicht, dass ich reden kann", wechselte er schnell das Thema. Das ließ ich ihm nicht durchgehen: „Wir sind erst seit dem letzten Freitag zusammen. Woher kann er es schon wissen?"

„Er wusste es nicht. Er hat bloß gut geraten", beschwichtigte Vincent. Ich war nicht wirklich aufgebracht, aber ich entschloss mich, ein bisschen mit ihm zu spielen. Ein bisschen schlecht fühlte ich mich schon, aber den Spaß würde es bestimmt wert sein.

„Und wie kommt er überhaupt auf die Idee?", hakte ich nach.

„Naja... Ich hab ihm eben erzählt, dass... ich... dich...", druckste er herum.

„Gut finde?", versuchte ich seinen Satz zu beenden und er nickte leicht.

„Halt. Willst du mir gerade erzählen, dass du schon lange wusstest, dass du mich liebst?", fragte ich.

„Seit dem ersten Tag", bestätigte Vincent.

„Heißt das, dass du die ganze Zeit versucht hast, mich rumzukriegen?", fragte ich gespielt böse. Mal sehen, wie lange ich das noch durchhalten konnte.

„So würde ich das jetzt nicht formulieren, aber...", wich er aus.

„Aber ja?"

Er nickte betreten und schaute mich mit gesenktem Kopf an.

„Das kriegst du zurück", prophezeite ich. Und brachte ihn damit sichtlich aus dem Konzept.

„Wie... Wie meinst du das?", stotterte Vincent.

„In zwei Teilen", erklärte ich, „über den Zweiten denke ich noch nach, aber der erste sieht so aus.

Mit einer plötzlichen Bewegung presste ich Vincent, der sich gerade die Hose umgezogen und das Shirt vom Kopf gestreift hatte gegen die Wand und nagelte seine Handgelenke links und rechts seines Kopfes fest. Ganz nah vor seinen Lippen verharrte ich und raunte: „Als ob ich dir irgendetwas wirklich übelnehmen könnte, mein kleiner Vampir."

Ein kleines GeheimnisWo Geschichten leben. Entdecke jetzt