66 - Clarity

9 0 0
                                    

Der Rest des Tages verging für mich ziemlich schnell. Nach dem Brunchen machten wir einen Spaziergang am Wasser entlang, fuhren anschließend zu meiner Wohnung um dort nach dem Rechten zu sehen und verbrachten dann den Rest des Tages bei meinen Eltern zuhause. Riika schaute nach der Arbeit auch vorbei und auch mein Vater kam extra früher nach Hause, um mich noch zu sehen. Zwischendurch schweiften meine Gedanken immer wieder ab, ich dachte an Mykko und daran, wie es ihm wohl gehen mochte. Dann aber konnte meine Familie mich wieder ablenken und mich die Sorgen vergessen lassen. Es tat so gut, ein bisschen ruhige Zeit mit ihnen zu verbringen. Am späten Abend stieg ich in den kleinen Volvo meiner Mutter und wir fuhren durch den wieder einsetzenden Regen zu Mykkos Wohnung. Als wir dort angekommen waren, sagte sie: „Linny, meine Große. Heute war so ein schöner Tag mit dir. Ich hab mich echt gefreut." „Ich mich auch, Mama.", antwortete ich, „Ich schau so bald wie möglich wieder vorbei, okay?" Sie nickte und fügte hinzu: „Und Kopf hoch. Mykko und du, ihr habt schon immer zueinander gepasst. Lass dich nicht entmutigen, versprochen?" Immer wieder schaffte sie es, mich zum Lächeln zu bringen. „Danke Mama. Ich geb mir Mühe!", versprach ich. „Bis ganz bald, meine Große.", verabschiedete sie sich. Ich umarmte sie noch einmal und stieg dann aus dem Auto. Bevor ich das Haus betrat, winkte ich ihr nochmal und klingelte dann. Mykko ließ mich ins Haus und ich stieg mit gemischten Gefühlen in den Aufzug. Als ich auf seiner Etage ankam, lehnte er im Türrahmen und wartete auf mich. „Hey.", sagte ich und er begrüßte mich mit einem aufgeräumten, klaren Blick und einem Lächeln. „Linny.", antwortete er, „Schön, dich zu sehen." Ich lief in den Flur und Mykko schloss die Tür hinter uns. Gemeinsam gingen wir ins Wohnzimmer und setzten uns auf sein Sofa. „Und? Wie geht es dir?", fragte ich vorsichtig. Mykko lächelte und sagte: „Erstaunlich gut, ehrlich gesagt. Ich war so nervös heute Morgen, aber... Der Therapeut.. Er hat mir einige echt gute Denkanstöße gegeben. Er hat sogar schon mit einem anderen Musiker mal gearbeitet. Ich habe mich... irgendwie verstanden gefühlt." „Das ist ja großartig.", antwortete ich und lehnte meinen Kopf an seine Schulter, „Vielleicht bekommst du jetzt endlich die Hilfe und Unterstützung, die du brauchst." Mykko legte seinen Arm um mich, streichelte mir übers Haar und sagte: „Ich werde öfter zu ihm gehen. Und ich werde an mir arbeiten, versprochen. Falls ich das vergessen sollte, erinnerst du mich daran?" Ich nickte: „Natürlich, wenn du das möchtest? Ich bin stolz auf dich, dass du so mutig bist, Mykko." Für einen Moment war er still, dann sagte er: „Ich muss lernen, mit der Angst zu arbeiten. Der Therapeut hat mir klargemacht, dass ich mir das selbst eingestehen muss. Aber vor allem... Ich will nicht, dass du Angst vor mir haben musst. Ich merke doch, wie ich mich verändere, wenn ich unter dem Einfluss der Angst stehe. Es ist, wie als ob ich das nur von außen beobachten kann. Das muss sich ändern. Ich will das nicht. Ich will wieder aktiv sein können. Mein Ausraster in Zürich dir gegenüber tut mir immer noch wirklich leid." Ich schaute zu ihm hoch und sagte: „Das glaube ich dir. Weißt du, ich möchte vor allem keine Angst mehr um dich haben müssen." Ganz sanft sagte er: „Ich weiß, Linny, ich weiß. Gib mir ein bisschen Zeit, dann wird sich das alles ändern. Okay?" Ich nickte: „Okay. Hauptsache, du passt auf dich auf." „Klaro.", gab er zurück und nahm meine Hand, „Ich gebe mein Bestes. Und auch jetzt für Paris habe ich irgendwie neuen Mut geschöpft. Es ist meine Chance, weiter zu kämpfen." „Aber du?", fragte ich leise. „Hmm?", gab Mykko zurück. „Wir stehen alle auf deiner Seite. Wenn du uns brauchst, dann sind wir da. Du musst nicht alleine kämpfen.", bekräftigte ich. „Ich weiß, auch wenn es manchmal nicht so scheint.", antwortete Mykko, „Du zeigst es mir jeden Tag wieder. Wäre ich an deiner Stelle, ich würde niemals so lange mit so nem Idioten wie mir aushalten." „Ach Mykko. Du weißt, dass ich es unglaublich gerne mit dir aushalte. Trotz all dem Chaos, das du veranstaltest.", seufzte ich und musste dann lächeln. Und anstelle einer Antwort gab Mykko mir einen kleinen Kuss.

Northern LightsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt