73 - Can you trust?

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Am nächsten Morgen wachte ich durch zwei Stimmen auf, die sich nicht gerade leise unterhielten. Verschlafen rieb ich mir die Augen und setzte mich im Bett auf. Mykko lag nicht mehr neben mir, sondern er stand mit verschränkten Armen in Boxershorts und T-Shirt im Flur des Hotelzimmers. 7 Uhr morgens, eigentlich sonst so gar nicht seine Uhrzeit. Ich konnte die zweite Person von meiner Position aus nicht sehen, aber war mir vom Klang der Stimme her relativ sicher, dass es Joucca war. Eine Weile lang blieb ich einfach im Bett sitzen und beschloss, darauf zu warten, ob Mykko vielleicht nochmal zurück ins Bett kommen würde. Nachdem aber eine ganze Weile lang nichts passierte, entschied ich mich, aufzustehen. Ich hatte mir keine sonderliche Mühe gegeben, der Unterhaltung zuzuhören, aber als ich meinen Namen hörte, begriff ich plötzlich, worum es ging. „Mykko, ich hab's dir doch jetzt schon so oft erklärt, du willst mich einfach nicht verstehen, oder?", hörte ich Joucca sagen. Ich hielt mich zurück und blieb hinter der Ecke zum Flur stehen. Eigentlich war es nicht meine Art, zu lauschen, aber andererseits sah ich mich auch nicht in der Position, ihre Unterhaltung zu unterbrechen. „Joucca, du hast doch selbst gesagt, dass sie eine Bereicherung fürs Team ist. Was willst du denn jetzt machen? Sie rauswerfen, bloß weil wir zusammen sind? Mann!", fragte Mykko genervt. „Nein, natürlich nicht. Linnea ist eine verdammt gute Fotografin und wir können froh sein, dass sie dabei ist. Aber es gibt verdammt nochmal einen Grundsatz, und der gilt auch in der Musik und nicht nur im Büro: Don't fuck the company. Das bringt nur Probleme.", protestierte Joucca. „Was denn für Probleme? Wenn es einen Mensch gibt, der keine Probleme verursacht, dann ist es Linnea. Du kennst sie einfach viel zu schlecht dafür.", antwortete Mykko. „Ich würde niemandem in der Hinsicht vertrauen.", stellte Joucca fest, „Woher willst du wissen, wie sie in ein paar Monaten oder Jahren reagiert? Sie ist jetzt noch nicht mal ein Jahr dabei, wer weiß wie lange sie dieses Hotelleben noch mitmachen will? Vielleicht hat sie andere berufliche Pläne, als dir ständig hinterher zu rennen? Hast du mal über all das nachgedacht, bevor du ja gesagt hast? Ich will dich doch nur davor bewahren, einen Fehler zu machen, Mann. Sie kann schneller weg sein, als du denken würdest." „Linnea ist kein verdammter Fehler, Mann!", rief Mykko und ich erklang an seiner Stimme, dass er nun wirklich wütend wurde. „Bist du dir da wirklich sicher?", fragte Joucca mit einem leicht provozierenden Unterton. Das war genug. Ich erreichte die Beiden genau im richtigen Moment, Mykko war kurz davor, auf Joucca loszugehen, das sah ich in seinen Augen. „Linnea.", sagte Mykko beschämt, als er mich entdeckte und setzte zu einer Erklärung an. „Schon gut, ich hab alles gehört.", unterbrach ich ihn, „Lass dich nicht provozieren, Mykko. Das ist genau das, wovon ich geredet habe. Genau das sollte nicht passieren." „Linnea, bitte, ich...", versuchte er zu sagen, aber ich schüttelte nur den Kopf. Barfuß, in Shorts und einem von Mykkos T-Shirts, verließ ich das Zimmer mit den Worten: „Ich bin bei Aline." Kaum hatte ich das Zimmer verlassen, kamen mir die Tränen. „Toll gemacht, Joucca!", hörte ich Mykko noch rufen, aber ich konnte einfach nicht länger dortbleiben. Die Stimmen verschwammen zu einem eintönigen Lärm in meinem Kopf. Joucca hatte verdammt nochmal Recht mit all seinen Fragen. Wir hatten keine Antworten darauf, wir hatten beide nicht darüber nachdenken wollen. Kann man einfach nur im Moment leben, ohne sich Gedanken über solch essentielle Zukunftsfragen zu stellen? Es war wieder dieses hässliche Gefühl, mich vor jedem für meine Zuneigung Mykko gegenüber rechtfertigen zu müssen. Mit Tränen in den Augen lief ich zu dem Zimmer, das ich mir ursprünglich mit Aline geteilt hatte, bevor ich bei Mykko geschlafen hatte. Ich klopfte an die Tür und nach einer Weile machte Aline mir verschlafen auf. „Linnea? Was machst du denn hier?", fragte sie erstaunt. Dann musterte sie mich und zog mich kurzer Hand ins Zimmer. „Was ist los Süße?", fragte sie erneut. 

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