Chapter ten

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In meinem bisherigen Leben wurde nie Gewalt an mir verübt

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In meinem bisherigen Leben wurde nie Gewalt an mir verübt. Ich kann mich nur das eine Mal erinnern, an dem ich hinter den Mauern war. Meine Mutter wurde angegriffen, während ich bloß daneben stand und ihren Namen schrie. Ich schrie und ich schrie, aber der Mann prügelte immer weiter auf sie ein, riss ihr die Perlen von ihrem Hals und wehrte sich zeitgleich gegen die Männer, die ihre Leibwächter waren. Unsere. Es ging alles so furchtbar schnell und doch wie in Zeitlupe, sodass ich bis heute noch den Schuss in meinen Ohren höre, anschließend wie das Leben aus dem Mann verschwand und sich eine trübe Masse vor seine Augen legte. In diesem Moment habe ich nicht geweint. Nichts gesagt. Ich glaube sogar, ich habe für einen Moment aufgehört zu atmen. Die Gewalt war immer ein Teil von mir, aber ich war nie ein Teil von ihr. Und dies macht mich zu einem perfekten Opfer. Wenn man zumindest von mir weiß.

Seufzend lege ich das Kühlpack nieder auf den Tisch und betrachte meine rote Wange in dem kleinen Spiegel, den mir Susan hingestellt hat. Sie und Dorothea sind auf mich zugekommen, als sie von der Auseinandersetzung gehört haben. Für sie scheint meine Flucht somit revanchiert worden zu sein. „Sieht gräußlich aus." Schnaubt Dorothea angewidert, als sie meinen skeptischen Blick sieht. Sobald der Schlag von dem Raum verschlungen war, habe ich wieder gemerkt, dass ich nicht geweint habe. Das ich nichts gesagt habe. Das ich geglaubt habe, sogar das Atmen zu vergessen. Und alle drei Dinge tat ich erst, als ich aus dem Raum stürmte und die Flüche meines Vaters noch bis zum Ausgang hörte. Es war schlimmer als seine hetzenden Schritte hinter mir zu hören. Denn diese verharrten irgendwann. Seine Schreie nicht. Selbst jetzt, sind sie noch in meinem Kopf verankert, als hätten sie es sich gemütlich gemacht.

Audreys Hand gleitet über den Hinterkopf von Dorothea, als sie an ihr vorbei geht. „Eitelkeit spielt hier nun wirklich keine Rolle." Fügt sie noch finster hinzu, bevor sie sich mir gegenüber setzt und die Salbe auf meine Wange trägt. „Er wird es nicht so gemeint haben, dass weißt du."

Ich würde meinen Kopf schütteln, wenn sie nicht weiter mit der Salbe auf meinem Gesicht malen würde. „Wahrscheinlich habe ich es verdient. Es war grausam, was ich gesagt habe." Schnalzend lehnt sich Susan gegen den Tisch. „Es ist grausam, dass du Stephen einfach nicht zu deinem machen kannst. Du bist noch verklemmter als ich gedacht hatte."

Augenrollend lehne ich mich tiefer in den Stuhl hinein und lasse somit auch von Audrey ab. „Ich bin in meinem Zimmer, falls mich einer suchen sollte." Seufzend richte ich mich auf und ignoriere die letzten gehässigen Kommentare, bevor sich die Tür hinter mir verschließt. Die Ruhe und Stille die in diesem Raum herrscht, hinterlässt eine eisige Kälte in mir.

Mit erbostem Körper ziehe ich die dünne Jacke enger um mich und lege mich auf die Matratze. Ich spüre jeden angespannten Muskel in meinem Körper, jeden Herzschlag, der das aufgebrachte Blut durch mich hindurch pochen lässt. Ich spüre selbst jedes Haar, dass sich aus Kälte oder aus einem mir nicht befindlichen Grund aufstellt. Sich der Ruhe entgegensetzt, die ich mir herbei wünsche. So sehr.

„Abigail." Wie vom Winde geküsst streicht mein Haar über meine Haut. Hinterlässt den angenehmen Schauer, während ich das feuchte Gras unter meinen Fingern spüre, dass saftige Grün betrachte, die sich streichelnden Blätter beobachte. Es scheint so still, so friedlich, während der Nebel durch die Sträucher fährt und meine erhitzte Haut zu kühlen versucht. Als würde es die Anspannung meines klopfenden Herzens wahrnehmen. Als würde es die Nervosität meines rauschendes Blutes riechen. Mein Name scheint noch immer zu existieren, als würde der Nebel und der Wind ihn hinfort tragen. Ihn über mich tragen. Ihn an mir vorbei tragen. Mich zum tanzen animieren, um überall zu sein und gleichzeitig doch nirgendwo. „Abigail." Meine Augen schließen sich bei dem bloßen Klang meines Namens. Meine Lungen inhalieren all die Umgebung, um nichts zu entgehen. Um alles zu erfahren, zu spüren. Um sich lebendig zu fühlen.

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