18. Haarige Sache

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Tristan verzog krampfhaft das Gesicht zu einem Lächeln: "Linda."
Die kleine Blondine, etwa Anfang 20, ging geradewegs auf Tristan zu. Wie angewurzelt haftete er am Boden.
Sie fiel ihm um den Hals und murmelte: "Jeder hat gedacht du wärst tot. Ich, deine Schwester. Oh, wenn Cecilia das erfährt."
Der Kerl griff Linda an ihren Schultern: "Kein Wort. Zu niemandem! Ist das klar?"
"J-ja, aber was ist denn los?", fragte die junge Frau verunsichert.
Tristan ließ sie los und wandte sich von ihr ab: "Interne Verwerfungen. Mehr kann ich nicht sagen. Verzeih."
Linda richtete ihren Blick auf Elena: "Und wer bist du?"
"Ich", begann die Jugendliche.

Der junge Leutnant unterbrach sie und stellte sich schützend vor das Mädchen: "Das ist Isabella. Die einzige überlebende Ebenholzerin. Wir sind gerade noch rechtzeitig aus der Stadt gekommen. Ich begleite sie zu ihren Verwandten nach Teak."
Linda schob Tristan zur Seite und reichte Elena die Hand: "Das ist traurig. Freut mich dennoch, dich kennenzulernen. Ich bin Linda, die Bürgermeisterin von Borkia. Darf ich ihn dir kurz entführen?"
Hinter Linda stehend schüttelte der junge Mann heftig den Kopf und machte die Halsabschneider-Geste.
Die Jugendliche verstand seine Bitte nicht schnell genug und nickte verdutzt: "Klaro."
Während der Leutnant mit der Bürgermeisterin in einer Ecke des Innenhofes saß und redete, trainierte Elena mit Dragonir weiter. Sie absolvierte einige Kämpfe mit den Armeepokémon und quatschte mit Konstantin.

Es dauerte über eine Stunde, bis Linda den schwarzhaarigen Kerl aus dem Gespräch entließ und sich von den Anwesenden verabschiedete. Geschlagen schlich Tristan zu Elena und Konstantin.
Müde seufzte er an das Mädchen gewandt: "Danke für deine Nichthilfe."
Entgeistert fragte sie: "Was?"
Sein Auge zuckte und der Kerl knirschte mit seinen Zähnen: "Hast du meine Geste nicht verstanden? Ich wollte nicht mit ihr reden!"
Frei von jeder Schuld erhob Elena die Hände: "Und was hätt ich ihr sagen sollen?"
Der junge Mann schlug sich eine Hand auf die Stirn: "Keine Ahnung, erfind halt was. Dass wir ein Paar sind und du mich nicht mit fremden Frauen alleine lässt."
"Wir?", fragte sie und zog skeptisch eine Augenbraue in die Höhe und prustete aus: "Ein Paar? Dein Ernst?"
Tristan raufte sich die Haare: "Was weiß ich. Es wäre ein feiner Zug von dir gewesen, wenn du mich nicht im Stich gelassen hättest."
Grinsend verdrehte Elena die Augen und feixte: "Hey. Du siehst k. o. aus... Liegt das an deiner Verehrerin?"
Dann klinkte sich auch noch Konstantin in das Gespräch mit ein: "Also ich verstehe dein Problem nicht. Ich wäre froh, wenn die sich mal so lange mit mir abgeben würde."
Tristan holte weit aus und winkte ab: "Nah. Ihr spinnt doch alle." Mit diesen Worten verschwand er, Arkani hinterhertrottend.

Erst zum gemeinsamen Abendessen trafen sich die drei in der Küche wieder.
Zwischenzeitlich fragte sich Elena schon, ob sie etwas falsch gemacht hatte. Aber als der junge Mann neben ihr am Tisch wieder bei bester Laune zu sein schien, war das Problem aus der Welt. Vermutlich war er deshalb gut drauf, weil es endlich etwas zu essen gab. Nicht noch einmal würde das Mädchen wagen, das Thema Linda anzusprechen.
Stattdessen trat Konstantin in das Fettnäpfchen, als er an Tristan gewandt fragte: "Was wollte die Bürgermeisterin heute eigentlich hier?"
Der schwarzhaarige Kerl seufzte: "Sie sprach davon, dem König Bericht über das Vorankommen in der Trainingsstätte erstatten zu müssen. Deswegen ist sie vorbei gekommen."
"Und hat sie sich gefreut, dich zu finden?", fragte Konstantin mit leuchtenden Augen und einem dämlichen Grinsen.
Einen Moment lang herrschte eine unangenehme Stille. Elena rollte ihren gespannten Blick auf den genervten Tristan, dann auf den erstarrten Konstantin, dann wieder auf Tristan. Sie wagte es nicht, auch nur einen Mucks von sich zu geben. 

Der junge Leutnant lehnte sich in seinen Stuhl zurück und verschränkte die Arme: "Offenbar... Aber damit das klar ist; ich hatte nie was mit ihr!"
Elena ließ den Löffel in ihre Schüssel fallen und fragte empört: "Was? Aber wieso nicht? Sie ist hübsch und schlau, wenn sie hier Bürgermeisterin ist, oder nicht?"
Unterstützung erfuhr sie durch Konstantin: "Ja und blond. Ich steh auf Blondinen."
Der Gepeinigte fasste sich an die Stirn und schüttelte den Kopf: "Das nützt mir wenig, wenn die mir das Ohr abkaut. Ich hoffe nur, dass die über uns die Schnauze hält."
Seine Wortwahl war die Jugendliche nicht gewohnt. Dieses Thema schien ihn emotional zu belasten.

Pokémon - Ruf der Heimat (Band 1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt