Eine unruhige Nacht lag hinter Tristan und Elena. Unweit der rosalianischen Stadtmauer als zwei gesuchte Deserteure schlief es sich nicht gut. Die Gefahr entdeckt zu werden war allgegenwärtig. Selbst Elena war früh wach, zumindest für ihre Verhältnisse.
Nachdem die beiden ein spärliches Frühstück aus Beeren genießen konnten, packten sie ihre Sachen zusammen und machten sich auf den Weg.Tagsüber stand die Stadtmauer von Rosalia offen. Personenkontrollen fanden nicht statt. Genau das, worauf Tristan spekuliert hatte. Keinesfalls durfte er riskieren, von irgendjemanden erkannt zu werden.
Dafür verzichtete der junge Mann seit der Abreise aus Borkia sogar auf seine Rasur. Seinen Steckbrief hatte er als Warnung verstanden. Er musste dagegensteuern - zur Not auch mit Bart. Im Militär war er dazu getrimmt worden, sich täglich zu rasieren. Vermisst hatte er seine Gesichtsbehaarung nie.
Tristan strich sich den Bart zurecht. Seine Stopeln sollten sein Gesicht auch bedecken, sonst hätte er keinerlei Nutzen.
Elena nahm seine Handbewegung wahr: "'N bisschen wild schaust jetzt schon aus."
Dem jungen Mann war klar, dass sie sich einen Kommentar dazu nicht verkneifen konnte. Er zuckte mit den Schultern: "Ich würde ihn ja gern abrasieren, aber Tarnung ist alles... Du weißt schon."
Das Mädchen meinte: "Ouh, und wie ich das weiß! Nachdem du mir das mit den Fukano gesagt hast, hab ich mich tagtäglich mit Schlamm eingeschmiert, damit die mich nicht riechen können."
Der junge Mann runzelte die Stirn: "Mit Schlamm? Ist das dein Ernst? In den Wäldern vor Ebenholz gibt es tausende von Pflanzenpokémon, die Lockdüfte einsetzen und Gerüche versprühen... Na egal, lassen wir das."Die Häuser in Rosalia waren aus Holz gebaut. Die direkte Nähe zu den Bergen war nicht wie bei anderen Städten gegeben. Die Baumeister waren gezwungen, auf Holz statt auf Stein zurückzugreifen. Im Laufe der Jahre dunkelten die Fassaden nach, was die Stadt düster erscheinen ließ.
Jedoch herrschte geschäftiges Treiben in Rosalia. Bauern schoben ihre Karren selbst zum Marktplatz und boten Gemüse zum Verkauf an. Handwerker liefen zu ihren Produktionsstätten. Und Soldaten patrouillierten.
Mit großen Augen erkannte Tristan die Uniform seiner Kameraden.
Schnell drehte er ihnen den Rücken zu und beugte sich zu Elena: "Wir müssen hier weg."
Er legte eine Hand auf ihren Rücken und schob sie an. Der junge Mann wollte nur schnellstmöglich weg von hier. Statt nach Nordwesten, wo der Pfad nach Viola beginnen würde, gingen die beiden in die Südstadt. Das Duo lief vor den Soldaten her, um eine Konfrontation zu vermeiden.
In der Fressmeile lockten die Düfte des Essens verschiedenster Wirtschaften. Tristan konnte kaum widerstehen. Über drei Tage waren seit seiner letzten richtigen Mahlzeit vergangen.
"Ich hab Hunger", klagte er.
Elena schüttelte den Kopf: "Du hast doch gefrühstückt, oder?"
Tristan konnte darüber nur müde lächeln: "Die paar Beeren. 'Tschuldigung, das ist jetzt hoffentlich nicht dein Ernst?"
Sie kniff die Augen zusammen: "Falls es dir entgangen ist: wir werden von zwei Soldaten verfolgt. Ich denke, wir haben nicht die Zeit zu fressen!"
Einen Moment überlegte Tristan. Er fasste sich ans Kinn und kam zum Schluss: "Und wenn das die beste Tarnung wäre? Würden Verdächtige sich die Zeit nehmen, Essen zu gehen?"
Das Mädchen verdrehte ungläubig die Augen.Tristan hingegen nutzte ihre Starre, packte sie am Arm und zog sie in ein Lokal. Er wählte die nächstbeste Fischwirtschaft und zwang seine Begleiterin, dort mit ihm zu essen.
Elena rümpfte die Nase: "Ich hasse Fisch."
"Hier gibt es auch was anderes. Lies dir die Tafel durch und nimm, was du willst. Ich zahl."
Zahlen musste er ohnehin, denn das Mädchen hatte gar kein Geld.
Sie überflog die paar Gerichte, welche auf der Holztafel geschrieben waren und entschied sich: "Die Kuhmuh-Käseplatte mit Brot. Bitte."Die Jugendliche nahm auf einer der langen Bänke Platz und wartete auf ihren Begleiter.
Als er kam und das Essen abstellte, meinte er: "Mich wundert es, wie günstig das Essen hier ist. In der Hauptstadt zahlt man gut und gerne das doppelte dafür. Wobei in Ebenholz die Preise eigentlich auch akzeptabel waren."
Elena schnitt ihren Käse auf und fuchtelte mit dem Besteck: "Lass mich raten, wofür du deinen Sold ausgegeben hast - Essen?"
Er zuckte mit den Schultern: "Richtig. Wofür denn auch sonst?"
Dann deutete sie mit dem Messer auf seinen Fisch: "Ist das 'n Karpador oder 'n Goldini?"
Der junge Mann beteuerte: "Keine Ahnung, schmeckt aber gut."
Dem Aussehen nach war es wohl ein Karpador, wobei das Gerücht kursierte, dass dieser Fisch absolut ungenießbar wäre.
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Pokémon - Ruf der Heimat (Band 1)
Fanfiction1753 in der Pokémonwelt: Seit vielen Jahren herrscht Krieg zwischen Johto und Kanto. Zu jener Zeit fällt Elena eine Entscheidung, die sie von ihrer Schwester trennt. Im Sinn hat sie dabei einzig die Sicherheit ihres Pokémons; ein Dratini, das sie vo...