Schlaflos wälzte sich Elena in ihrem Bett. Der Abend mit Tristan war viel zu schnell vorbei. Ihre Gesichtsmuskeln schmerzten, so lange grinste sie schon wegen ihm vor sich hin. Ruhelos durchdachte sie jede Berührung und jedes Wort, nur um herauszufinden, wie der junge Mann zu ihr stand.
Ob die Jugendliche da nicht etwas überinterpretierte? Aber er hatte zu viele Dinge gesagt, die nicht ohne Bedeutung sein konnten. Nach allem glaubte sie nicht, dass Tristan sie auf diese besondere Weise mochte; sie wusste es. Jetzt musste Elena ihn nur noch aus der Reserve locken. Immerhin durfte der Kerl nicht abreisen, ohne von ihren Gefühlen für ihn erfahren zu haben. Eine Gelegenheit dazu würde sich dem Mädchen bald bieten.Wie Lorenz bestimmt hatte, wurde einen Tag nach der Aprikokos-Versammlung die Wahl des Bürgermeisters durchgeführt. Die Nacht war sternenklar und eiskalt, ein Halbmond stand am Himmelszelt. Lorenz hatte Fackeln aufgestellt, welche Arkani entzündete. Fahler Rauch stieg in den Himmel.
Nach vollendeter Arbeit fanden sich alle Einwohner Merbaums auf dem gepflasterten Marktplatz ein. Und schon stand er neben Elena in der Menge; Tristan.
Er legte eine Hand auf ihren Rücken und beugte sich zu ihr: "Da bist du ja, ich hab dich schon vermisst."
Dazu gab es einen extra langen Blick in ihre Augen und ein verlegenes Lächeln. Es war genau die Art von Verhalten, die Elena so sicher in ihrer Vermutung werden ließen. Er musste sie doch mögen? Zumindest hoffte es das Mädchen. Sie wehrte sich nicht mehr gegen diese unheimliche Anziehungskraft, die Tristan auf sie hatte. Vielmehr fürchtete Elena den Tag des Abschieds. Was, wenn bis dahin kein reiner Tisch gemacht wurde?
Lorenz müder Blick schweifte über die Menschenmenge und er begann seine alles andere als feurige Ansprache: "Schön, dass ihr alle den Weg hergefunden habt. Also ich hab´s euch ja gestern schon gesagt. Wir brauchen ´nen neuen Bürgermeister. Anmerkung: ich wills nicht sein, also sucht euch jemand anderen. Irgendjemand Vorschläge?"Da fielen verschiedene Namen durcheinander und Lorenz bereute in diesem Moment, dass er gefragt hatte. Papier wurde noch nicht in Massen hergestellt in dieser noch so jungen Stadt, weshalb er keine Stimmzettel ausgeben konnte.
Elena und Tristan blickten sich nur fragend an und wussten nicht, was die Bewohner damit erreichen wollten. Das Gewirr aus Stimmen war nicht mehr auseinanderzuhalten.
Lorenz schrie auf: "Seid sofort alle still!"
So leidenschaftlich hatte man ihn selten gesehen. Der Zorn in seiner Stimme weckte das Interesse der Einwohner.
Nachdem es ruhig geworden war, fuhr der grauhaarige Mann fort: "Gut, nachdem sich hier keiner zivilisiert benehmen kann, gilt ab jetzt: Handzeichen, wer einen Vorschlag machen will und wenn ich ihn aufgeruft habe, darf er einen Namen nennen!"
30 der Anwesenden hoben unmittelbar die Hand.
Die Erste, welche aufgerufen wurde, nannte "Robert", den offenbar niemand kannte.
Dann fiel der Name "Benjamin", aber auch dafür interessierte sich niemand.
Der dritte Aufgerufene nannte seinen Favoriten: "Elena!"Das Mädchen blickte zu Tristan und zog eine Augenbraue hoch: "Will der mich jetzt verarschen?"
Sie erwartete, genauso schnell in der Versenkung zu verschwinden wie die beiden anderen Namen vor ihr. Aber entgegen Elenas Hoffnung ging ein Raunen durch die Menge.
Die Leute tuschelten, als würden sie sich beraten. Das Mädchen blickte um sich herum, manche Anwesenden lächelten sie bedächtig an.
"Was wird das hier?", fragte die Jugendliche leise wie panisch, sodass nur Tristan sie hören konnte.
In den hintersten Reihen feierten die Bewohner schon und riefen, als müssten sie nicht länger überlegen: "Elena, Elena, Elena."
Da grinste Tristan über das ganze Gesicht: "Sieht ganz so aus, als hättest du eine neue Aufgabe."
Für diesen Kommentar erntete er einen bösen Blick von dem Mädchen, als nach und nach die Stimmen immer lauter wurden und nur noch ihren Namen riefen.
"Aber wieso? Ich hab für die doch nichts gemacht, im Gegensatz zu dir", fragte sie in Verzweiflung und schlug die Hände über ihrem Kopf zusammen.Der junge Mann strich ihr über den Rücken. "Du bist desertiert. In dem halben Jahr, wo du weg warst, hab ich mitbekommen, dass dich die Leute bewundern. Und du bist eine von ihnen, im Gegensatz zu mir", zwinkerte er.
Elena zweifelte am Verstand der Merbaumer. Gerade, als sie weiterhin deswegen jammern wollte, wurde sie von Lorenz aufgerufen: "Also Elena, komm doch bitte mal nach vorne."
Mit ihrem weißen Vulnonapelz, welchen sie nach ihrer Reise weiterhin nutzte, bahnte sich das Mädchen ihren Weg durch die Menschenmasse. Als sie die freie Fläche bei Lorenz erreichte, erntete sie dafür Applaus.
Der Grauhaarige sah ihren toternsten Gesichtsausdruck. Er fehlinterpretierte nichts, als er sagte: "Du hast da ja mal überhaupt kein Bock drauf, oder?"
Sie nickte schweigend. Die Menge hingegen schien sich über ihre neue Bürgermeisterin zu freuen.
Sie sagte zu Lorenz: "Jetzt weiß ich, wie´s dir geht. Wenn man kein Bock auf so ´nen Scheiß hat und dann auch noch dazu gezwungen wird."
Dann geschah nochmal ein seltener Moment in Lorenz Gefühlswelt; er hatte Mitleid mit der Sechzehnjährigen.
"Tja, wenn du mal Hilfe brauchst, kannst mich ja fragen. Aber wehe, du gehst mir auf die Nerven", ermahnte er sie.
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Pokémon - Ruf der Heimat (Band 1)
Fanfic1753 in der Pokémonwelt: Seit vielen Jahren herrscht Krieg zwischen Johto und Kanto. Zu jener Zeit fällt Elena eine Entscheidung, die sie von ihrer Schwester trennt. Im Sinn hat sie dabei einzig die Sicherheit ihres Pokémons; ein Dratini, das sie vo...