▫▪Kapitel 12▪▫

1.9K 128 11
                                    

TAEHYUNG

Ich musste gestehen, es hatte etwas angenehmes, nicht ganz allein in meinem Büro zu sein und die Anwesenheit des respektlosen Rebellen zu spüren. Wenngleich ich ihm nicht viele Aufgaben gab und er hauptsächlich an der Seite saß, Däumchen drehend und sich langweilend, hatte er zumindest aufgehört, mir aufmüpfige Kommentare und Beleidigungen an den Kopf zu werfen, sodass eine Stille entstanden war, die mir tatsächlich gefiel. Zwar war ich die Einsamkeit gewohnt, ich brauchte keine Menschen um mich herum, die meinten, meine Aufmerksamkeit auf sich ziehen zu müssen. Schweigen war Gold und nach dieser Regel hatte ich lange gelebt, doch die Werte der Gesellschaft verlangten Gespräche; sie verlangten Worte, Dinge, die sie später wieder hervorziehen und einem vorhalten konnten.

Jungkook jedoch tat nichts von alledem.

Er schwieg, genauso wie ich, und es schien ihn nicht im Geringsten zu stören, dass wir weder Gespräche führten, noch auf irgendeine Art und Weise den Kontakt zueinander suchten. Das war angenehm, irgendwie friedlich und ich konnte ohne jegliche Störungen arbeiten, was ich sehr willkommen hieß. Das war es, was ich mir gewünscht hatte und es gefiel mir, wie gefügig er doch war. Offenbar schien er zu verstehen, wie Ernst die aktuelle Situation war, dass er es nötig hatte, sich zusammenzureißen. Ansonsten würde er seinen Gehalt nicht bekommen und das Geld hatte er dringender nötig als sämtliche seiner Kommentare. Und das wusste er nur zu gut.

"Jungkook, sortier das mal in den Aktenschrank", meinte ich eher nebenbei, während ich einen Stapel dicker Akten an den Rand meines Schreibtisches schob, nur aus dem Augenwinkel beobachtend, wie Jungkook sich langsam regte. Ich vernahm einen leisen Seufzer, der ihm entwich, jedoch protestierte er nicht und beklagte sich ebenso wenig über meine unhöfliche Art der Aufforderung. Zumindest war ich nicht ruppellos, immerhin wollte ich ihn nicht verärgern. Nur ein wenig Respekt beibringen, doch dafür sollte er sich zuerst an meine Stellung als sein Vorgesetzter gewöhnen.

"Ja", meinte er nur leise, beinahe tonlos, ehe er nach dem ersten Teil des Stapels griff und diesen zum Aktenschrank trug. Für das alphabetische Einordnen wichtiger Unterlagen brauchte er keine besondere Ausbildung oder generell viel Bildung. Deswegen war er perfekt dafür, solche Arbeiten zu verrichten und ich musste es glücklicherweise selbst nicht tun. Meistens waren es Taten wie diese, die mir meine wertvolle Zeit raubten und mich unnötig aufhielten.

Wieder hatte Stille den Raum erfüllt und ich hatte meine gesamte Konzentration auf den flimmernden Bildschirm gerichtet. Unübersichtlich flogen meine Finger über die Tasten und tippten verschiedene Dinge ein, füllten Aufträge aus, schrieben E-Mail, verfassten Kündigungen oder wichtige Mitteilungen, überflogen lange Texte und E-Mails und begutachtete Bilder für Werbungen oder andere Kampagnen. Es war anstrengend, dies immer und immer wieder zu tun, in einer ständigen Routine, mit dauerhaften Belastung meiner Augen. Ich wusste, dass es mir nicht sonderlich gut tat, allerdings hatte ich keine andere Wahl. Meine Aufgaben waren meine Pflicht, wenn ich sie nicht erledigte, würde sie auch kein anderer erfüllen.

Mit einem kaum merklichen Blinzeln lehnte ich mich ein wenig zurück und zwang mich dazu, für einen Moment meinen Blick von dem Bildschirm abzulenken, damit ich wenigstens kurz eine Pause davon hatte. Stattdessen schaute ich zu meinem Telefon, welches ich mit einem verachtenden Blick strafte. Ein kleines Licht blinkte immer wieder, verdeutlichte mir so, dass unzählige Anrufe darauf warteten, von mir beantwortet zu werden. Und da sich Jungkook leider Gottes noch nicht mit unserem Business auskannte, hatte ich sie allesamt selbst zu tätigen.

"Kannst du das zu Woojin nach unten bringen? Er soll es verarbeiten und in den Computer eintragen", befahl ich meinem 'Sekretär' und schob einen anderen Stapel an Papierkram an den Rand des Schreibtisches. Dieses Mal nahm ich deutlich ein Augenverdrehen seinerseits wahr, er konnte es wohl nicht ausstehen, bis nach unten zu marschieren, bloß, um diese Papiere abzugeben und dann den ganzen Weg wieder nach oben zu kommen. Dennoch war das _seine_ Pflicht, die Pflicht, die allein in seiner Verantwortung lag. Weder Woojin, noch ich hatten Zeit, diese Arbeit zu verrichten, was mir wieder einmal zeigte, dass ich eigentlich zu wenig Mitarbeiter hatte. Doch sicherlich würde Jungkook gute Arbeit leisten und schnell lernen, sodass ich ihn stärker einsetzen und für wichtigere Dinge gebrauchen konnte.

Bis dahin war ich zwar noch dem Stress ausgesetzt, aber das war schon okay. Mein Körper konnte diese Lasten ertragen.

"Ja, guten Tag?", begrüßte ich die Person, die mir auf einmal anrief, nachdem ich abgehoben hatte. Mein Stimme verriet, wie wenig ich dieses Gespräch gerade gebrauchen konnte und wie gern ich mich meiner wichtigeren Arbeiten widmen würde, doch er hielt mich auf und leider befürchtete ich, dass ich mich von diesem Gespräch nicht so schnell wieder lösen konnte. Der Herr am anderen Ende der Leitung klang ziemlich aufgebracht, scheinbar war er über irgendeine Fehlfunktion meiner Firma verärgert und natürlich ließ er es an mir aus. Widerwillig ließ ich mich darauf ein und gab ein kaum hörbares Stöhnen von mir. Dann würde ich eben einen Teil meiner Arbeitszeit mit unnötigen Diskussionen verschwenden, die ich ohnehin an einen Mitarbeiter der entsprechenden Abteilung abtreten würde. Welch eine Freude das doch wahr.

-

Gegen später fiel das wärmende Licht der Nachmittagssonne durch das große Fenster meiner Büros in den Raum. Mein Kopf machte mich auf die aufkeimende Erschöpfung aufmerksam, die meinen Körper heimsuchte und ich nahm einen flüchtigen Schluck von dem zweiten Kaffee, den Jungkook mir an diesem Tag schon hatte bringen müssen. Dieser saß wieder an seinem Platz auf dem Stuhl, starrte still schweigend die Uhr an, als könne er sie so dazu bewegen, schneller zu ticken. Doch das klappte nicht, obgleich wir lediglich noch knapp eine halbe Stunde Arbeitszeit hatten.

"Wir werden nicht früher Schluss machen, nur, weil du die Uhr mit deinen Blicken herausforderst", seufzte ich irgendwann, während ich nebenbei eine Akte auf wichtige Unterlagen durchsuchte. Ein leises Schnauben war von Jungkook zu vernehmen, es nervte ihn sehr deutlich, hier festsitzen zu müssen und nichts zu tun zu haben. Selbstverständlich hatte ich ihm immer wieder ein paar Kleinigkeiten erklärt, Dinge, für die er irgendwann zuständig sein sollte. Ob er es sich einprägte, bezweifelte ich ehrlich gesagt sogar, jedoch drängte ich ihn auch nicht dazu. Die Konsequenzen würde er früher oder später sowieso zu spüren bekommen.

"Schön wär's."

Der genervte Klang seiner Stimme hatte etwas in sich, das mir die Lust raubte, weiter an diesen Tisch zu verharren. Ich unterdrückte ein Seufzen und warf selbst einen Blick auf die Uhr, hoffte, dass nicht mehr viel Zeit übrig war, die wir hier verbringen mussten und tatsächlich war es eine angenehme Zeit. Es würde keinen Unterschied machen, wenn ich jetzt schon meinen Feierabend antrat, meine Motivationslosigkeit verleitete mich dazu, unproduktiv zu werden und die Dinge mehr schlecht als recht zu erledigen. Somit stand ich nun einfach auf, schnappte mir mein Handy und meine Schlüssel und schaltete den Computer aus. Aufräumen brauchte ich nichts, so konnte ich morgen direkt hieran weiterarbeiten. Hoffentlich würde ich es dann schneller hinter mich bekommen, doch da ich Unordentlichkeit verabscheute, sollte es ein Antrieb sein.

"Dann beenden wir einfach den heutigen Tag", verkündete ich dem Jüngeren und ging auf die Tür zu. Augenblicklich war er aufgesprungen, ließ sich nicht seine Freude über die neue Freiheit anmerken und folgte mir brav bis nach unten. Einen kurzen Blick riskierte ich auf ihn, sah, dass seine Wunden nicht einmal ein wenig verheilt waren. Sie mussten dringend versorgt werden, richtig versorgt, ansonsten würde er sie noch einige Zeit mit sich umher tragen und ich wusste nicht, wie lange ich mir noch Kommentare zu seinem Aussehen verkneifen konnte.

Dann aber verließ ich das Hauptgebäude, hatte nur Woojin, der noch etwas länger arbeitete, zugerufen, dass er abschließen sollte und wollte, nachdem ich mich von Jungkook verabschiedet hatte, meinen Heimweg antreten. Nun, ich wollte es, denn eine Hand griff grob nach der Jacke, die ich trug und hielt mich davon ab, mich von meiner Firma zu entfernen, weshalb ich mich mit erhobener Augenbraue zu dem verunstalteten Jungen umdrehte.

"Warte mal, Taehyung." Wie er es doch liebte, meinen Namen auszusprechen, als wäre er giftig. "Was ist mit mir? Du hast mir eine Unterkunft und Versorgung versprochen."

Missing メ VkookWo Geschichten leben. Entdecke jetzt