▫▪Kapitel 8▪▫

2K 146 9
                                    

TAEHYUNG

"Ich fasse es nicht! Was zur Hölle sollte das? Ich bin dein Freund?! In welcher Welt? Wie krank muss man sein, damit man auch nur auf diesen Gedanken kommt?!"

Amüsiert lehnte ich mich gegen die Wand des großen Gebäudes, vor dem wir uns befanden und beobachtete Jungkook dabei, wie dieser sich über meine weise gewählten Worte aufregte, als würden diese ihn zum Tode verurteilen. Dabei schien er völlig den Fakt zu vergessen, dass ich ihm geholfen hatte, lediglich seine Wut posaunte er in einem Tonfall heraus, den andere nicht einmal im Traum wagen würden. Aber genau das war es, was ich an Jungkook mochte und interessant fand; er handelte anders.

Nachdem ich dem grimmigen Ladenbesitzer meine Karte überreicht hatte, damit dieser wegen Jungkooks Überfall auf mich zurückkommen konnte, war dieser abgezischt. Seine Laune hatte sich nicht gerade gebessert, doch wenigens ließ er davon ab, die Polizei hierin zu verwickeln. Dafür war ich ihm ausgesprochen dankbar, denn egal, wie viel Macht ich mich verschafft hatte, bei diesem diebischen Jungen konnte ich keine Freilassung garantieren.

"Bist du dann mal fertig?", wollte ich von ihm wissen. Noch immer waren meine Arme vor meiner Brust überkreuzt, mit hochgezogener Augenbraue musterte ich ihn. Bei meinen Worten hielt Jungkook inne, warf mir einen Blick voller Hass und Wut zu und ballte selbst seine Hände zu Fäusten. Woher diese Aggressivität kam, verstand ich nicht ganz, allgemein war mir sein Handeln ein Rätsel und ich musste gestehen, dass ich wohl noch über ihn zu lernen hatte. So viel Ähnlichkeit ich in ihm gesehen hatte, so viele Unterschiede trug er auch bei sich und ich befürchtete, dass gerade diese mir Probleme bereiten könnten. Und leider hatte ich noch keine wirkliche Recherche über den jungen Mann antreten können, weshalb ich mir vornahm, das später Zuhause zu erledigen.

"Ja, ich bin mit dir fertig. Geh mir aus den Augen und belästige mich nie wieder", fauchte mich Jungkook an. Meine Augenbraue begann zu zucken und einen Moment lang tat ich nichts; ich ließ die Spannung in der Luft bestehen und genoss dieses elektrisierende Gefühl, das meinen Gegenüber offensichtlich wahnsinnig machte. Dann aber machte ich einen schnellen Schritt nach vorne, überbrückte so den Abstand zwischen uns und packte Jungkook am Kragen. Wenige Sekunden später hatte ich unsere Positionen erneut gewechselt und nun war es der Jüngere, der mit dem Rücken zur Wand stand und mich perplex anstarrte.

"Scheinbar hat dir niemand weder Respekt noch Manieren beigebracht", kommentierte ich sein Verhalten. Mit Leichtigkeit hatte ich meine eiserne Miene wieder aufgesetzt, betrachtete ihn mit einem höhnenden Blick, der ihm zeigte, dass er neben mir ein Nichts war. Er musste lernen, wer genau vor ihm stand und wie er sich zu verhalten hatte, denn diese Respektlosigkeit sollte bloß Teil unseres gemeinsamen Anfangs werden. Im späteren Spielverlauf würde ich diese wenig gebrauchen können.

"In dieser Welt lebt doch sowieso nur jeder für sich selbst. Sieh dich doch mal um, überall ist Hass und Krieg. Wieso sollte ich mir dann überhaupt noch die Mühe machen und höflich sein?", erwiderte Jungkook knurrend. Seine Antwort machte mich neugierig, interessiert begann ich, meinen Kopf leicht schief zu legen. Dumm war er nicht, das musste ich zugeben, nur schien er es nicht nötig zu handeln, nachzudenken, bevor er handelte. Und gerade das war ihm zum Nachteil geworden, wodurch er nun hier vor mir stand und wie eine kleine Maus in der Falle saß.

"Lebst du auf der Straße?", fragte ich unbeirrt weiter, ging überhaupt nicht auf seine Antwort ein, die er mir soeben gegeben hatte. So gut er sie auch durchdacht hatte und so perfekt sie für eine Diskussion wäre, das würde sich zu reiner Zeitverschwendung entwickeln. Jedoch wusste ich nicht, wie lange ich ihn hier behalten konnte, bevor sein dünner Geduldsfaden riss und die mir verbleibende Zeit musste ich sinnvoll nutzen. Zumindest so sinnvoll, wie es mir möglich war, denn dieser Junge war eine harte Nuss - ein harter Gegner, mit dem ich noch viel Spaß haben würde.

"Ich wüsste nicht, was dich das interessieren sollte", gab Jungkook zurück und verhärtete seinen Blick, doch ein wirklicher Wehrversuch seinerseits folgte nicht. "Du glaubst also wirklich, unsere Begegnungen wären reiner Zufall?", fragte ich zurück und baute mich unbewusst mehr vor ihm auf. Irgendwie musste ich ihm weis machen, welche Möglichkeiten ich ihm zu bieten hatte und wie viel Nutzen er in meiner Hilfe finden konnte, aber entweder war dieser Junge taub oder hatte verlernt, hinzuhören.

"Warum sollte es auch Schicksal sein, hm? Wieso sollte man mich ausgerechnet zu einem Menschen wie dir bringen?", spuckte er mir vor die Füße. Wieder einmal war er dabei, mich zu beleidigen und meine Geduld auf eine harte Probe zu stellen, jedoch genügte ein einfaches, tiefes Durchatmen, damit ich wieder ruhiger wurde. Diese Runde würde er nicht gewinnen, das wollte ich ihm nicht erlauben.

"Ich habe dir bereits gesagt, dass du Arbeit bei mir finden kannst. Solltest du tatsächlich auf der Straße leben - was offenbar ja nicht gerade unwahrscheinlich ist - würde ich dir sogar eine Wohnung anbieten, in der du leben kannst und versorgt wirst. Alles, was du dafür tun musst, ist, ein einziges Mal von deinem hohen Ross zu steigen und mir zu zeigen, dass du nicht ganz so erbärmlich wie dein aktuelles Leben bist." Meine Stimme war gefüllt mit Kälte, wenngleich ich Worte gewählt hatte, die ihn besänftigen und auf meine Seite ziehen sollten. Doch mit Offenheit und Zärtlichkeiten würde man bei ihm nicht kommen, Feuer konnte man nicht durch Feuer löschen.

Seine darauffolgende Reaktion hatte ich beinahe erahnen können. Er lachte einmal auf, ein gehässiges Lachen, welches mir vermitteln sollte, wie wenig Glaube er meinen Worten schenkte. Was auch immer er von mir dachte, scheinbar registrierte er nicht, wie viel Einfluss ich auf diese Stadt besaß und was ich ihm zu bieten hatte. Andere wären längst auf diesen Köder angesprungen, aber er widerstand ihm ohne Rücksicht auf Verluste. Nur wusste ich nicht, ob Angst, Scham oder der Wille, allein zurecht zu kommen, der Grund für dieses Verhalten war.

"Vielen Dank auch für dieses großzügige Angebot", er sprach fließend Sarkasmus, "aber ich verzichte. Ich bin es leid, von Menschen wie dir abhängig sein zu sollen und werde mich bestimmt nicht wieder jemandem unterwerfen, der meint, etwas Besseres zu sein. Schönen Tag noch." Und hiermit hatte seine Geduld offenbar ihr Ende gefunden, denn mit einer erstaunlichen Kraft stieß er mich nun von sich und huschte an mir vorbei, befreite sich so aus meinem festen Griff. Ich drehte mich mit dem Oberkörper zu ihm, machte keine Anstalten, ihm aufzuhalten oder zu verfolgen. Er brauchte Zeit, musste erst handzahm werden, bevor ich ihn bei mir unterbringen konnte. Sonst würde das mit einem verräterischen Biss enden, der große Gefahr mit sich bringen könnte.

"Wie du meinst, Jungkook. Ich werde auf dich warten", waren meine einzigen Worte. Beinahe ausdruckslos sah ich ihn hat, hielt ihn allein durch meinen Blick an Ort und Stelle fest, ehe ich mich umdrehte und meinen Heimweg fortführte. Das war genug Aufregung für heute, diese Spielrunde war vorbei und den Sieg hatte ich davon getragen. Denn während ich meinen Weg ging, konnte ich noch einige Sekunden lang spüren, wie sich Jungkooks Blick auf meinen Rücken brannte, wie eine Markierung, ein Zeichen, mich wiederzufinden.

Ich hatte ihn verunsichert.

Missing メ VkookWo Geschichten leben. Entdecke jetzt