▫▪Kapitel 23▪▫

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TAEHYUNG

Da heute ein freier Tag war und ich durch das ganze Chaos der letzten Woche nicht dazu kam, mir etwas für heute vorzunehmen, wird mein gesamter Tag vermutlich Zuhause stattfinden. Mit Jungkook konnte ich ohnehin nicht viel unternehmen, alleine davon spazieren war auch keine Option, da ich diesem Straßenjungen nach wie vor nicht genügend Vertrauen entgegen bringe, um ihn alleine in meinem Haus zu lassen.

Interesse war immerhin nicht dasselbe wie Vertrauen und ich wollte ihn nicht glauben lassen, dass ich ihm auf irgendeine Art und Weise Empathie zeigen würde.
Während meine Finger also genervt die Maus vor mir führten, meine Augen über den Bildschirm meines Laptops spazierzen, begann ich mir eine angemesse Tätigkeit für den heutigen Tag zu überlegen.

Lange konnte ich jedoch nicht nachdenken, denn auf einmal erblickte ich die Gestalt von Jungkook in der Mitte des Raumes und spürte seinen brennenden Blick auf meinem Körper. Das war das erste Mal, dass er mich auf diese Weise musterte; kein Hass, keine Abneigung und kein Ekel, es schien pures Interesse zu sein und ich spürte, dass ihm etwas auf der Zunge brannte, er aber zögerte es auszusprechen.

"Was stehst du da so rum wie bestellt und nicht abgeholt?", fragte ich ihn nach einer Weile der Stille in ziemlicher Ungeduld. Erschrocken blickte er zu mir, doch sobald er anfing meine eben ausgesprochenen Worte zu verarbeiten, veränderte sich auch seine Miene und wechselte von überrascht zu bissig.
"Sei still", keifte er und rollte mit den Augen, ehe er sich auf mich zu bewegte und sich anschließend auf einen der anderen Stühle fallen ließ.

"Ich hatte mich nur gewundert", murmelte er dann weiter und ich fragte mich, ob ihn nach wie vor die Tatsache meiner Ordnung verwirrte oder er erneut einen Grund fand, meine Ruhe zu zerstören. Ich hob eine Augenbraue nach oben, aber sprach kein Wort aus. Wenn er mir etwas zu sagen hatte, bedarf es keiner auffordernden Frage.

"Dieses Bild, das du im Wohnzimmer stehen hast", fuhr er fort und sofort begannen sich meine Augen zu weiten. Nicht wirklich stark, ich hatte meinen Körper auch in Situationen unter Kontrolle, von denen ich nicht erwarten würde, dass sie eintreten. Dennoch wunderte es mich nicht, dass er gerade dieses Bild fand, immerhin war es das einzige, das ich hier herumstehen hatte. Und dass es ihn irritierte konnte ich ihm im Grunde auch nicht übel nehmen.

"Was soll damit sein?", hakte ich dennoch nach, immerhin wollte ich wissen, wie viel er sich schon mit mir beschäftigt hatte, um ein Bild wie dieses merkwürdig zu finden.
"Du lächelst", antwortete er ohne zu zögern und mit einem mir unbekannten Beiton in der Stimme. Natürlich lächelte ich, damals hatte ich auch noch Gründe das zu tun.
"Du tust so, als würde ich das nie tun", zischte ich und lachte kurz auf, nicht besonders herzhaft.

"Tust du wirklich so gut wie nie, die wenigen Male waren schlechter gespielt als der Moment, in dem ich wundenübersäht zu mir selbst sagte, dass es mir hervorragend ginge", blaffte er und rollte mit den Augen.
"Und außerdem warst du nicht alleine. Waren das deine Eltern?", hakte er weiter nach und schlagartig ballten meine Hände sich zu Fäusten. Es gab Dinge auf dieser Welt, die ließ man lieber unausgesprochen und das war definitiv eine davon.

"Das waren meine Eltern, ja. Mehr muss nicht gewusst werden", antwortete ich ihm so trocken, dass es sogar mich überraschte. Normalerweise sprach mich niemand auf meine Eltern an, weil sich keiner für meine Vergangenheit oder mein Privatleben interessiert. Und ich hatte damit absolut kein Problem, zwischenmenschliche Beziehungen waren im Grunde alles nur unlogische Lasten, die sich meiner Karriere in den Weg stellen konnten.

Aber Menschen waren auf sie angewiesen, sie waren ein Teil des Lebens, den man nicht umgehen konnte.

Was mich nun aber wunderte war die Tatsache, dass ich ihn zu interessieren schien. Woher kam das?

"Du scheinst nicht gut auf sie zu sprechen zu sein, kann das sein?", wollte er dann von mir wissen und wirkte, als würde er sich teilweise über mich lustig machen. Aber dieser Tonfall sagte noch etwas anderes aus, ich konnte nur nicht deuten, was genau das war.
"Ich wüsste nicht, was dich das angehen soll", erwiderte ich und versuchte dabei, mir nichts anmerken zu lassen.

Dennoch hatte ich das Gefühl, dass man einem Menschen etwas besonders gut ansehen konnte, wenn dieser versuchte es zu verstecken und das war eine Sache, in der ich noch nicht einmal geübt war. Jungkook war nicht dumm, ich betitelte ihn gerne als einen Idioten, aber in menschlicher Hinsicht war er ein reifer Mann.

"Dachte ich mir", sagte er dann lachend und rieb sich frech mit dem Finger unter der Nase. Er wirkte wie ein kleines Kind, das sich darüber freute, seine selbst erteilte Mission erfüllt zu haben.
"Aber was ist mit dir? Seit wann interessierst du dich so für mich?", höhnte ich dann und begann selbstgefällig zu grinsen. Ich wusste, ihn würde das auf die Palme bringen und wenn das erst mal erreicht war, konnte ich problemlos als Gewinner aus dieser kleinen Konfrontation hervorgehen.

"Tue ich wirklich nicht, nur hat diese Sache zu meinem eigenen Bedauern mein Interesse geweckt", antwortete er mir und schien nicht im geringsten wütend zu werden.
Was sollte das werden?

"Ach, und wie kommt es dazu?", hakte ich erneut nach und merkte, dass ich zu der Person wurde, die viel zu viel Interesse zeigte.

"Ich habe nur dieses dumpfe Gefühl, dass du und ich in gewissen Aspekten im Leben gar nicht so verschieden sind."

Missing メ VkookWo Geschichten leben. Entdecke jetzt