▫▪Kapitel 36▪▫

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JUNGKOOK

Als ich Taehyungs Appartement verließ, war ich außer mir vor Wut. Meine Wange pochte, prickelte unangenehm, doch der Schmerz spielte für mich keine Rolle. Auch die Feuchte in meinen Augen interessierte mich nicht, es kümmerte mich nicht das Geringste, dass die Härte des Schlags und der Schock mir die Tränen in die Augen getrieben hatten. Ich war sauer, verletzt, gekränkt, gedemütigt und gescheitert. Unzählige Adjektive waren dazu in der Lage, meine jetzige Situation zu beschreiben und dennoch traf keines so recht auf das zu, was soeben in mir brodelte.

Taehyung hatte mich also geschlagen. Er hatte nicht eine Sekunde gezögert, sondern mich einfach geschlagen. War nicht er derjenige gewesen, der mir versprochen hatte, er würde auf mich aufpassen? War nicht er derjenige gewesen, der mir seinen Schutz geschworen hatte?

Ich hätte es besser wissen müssen. Von Anfang an. Wieso hatte ich ihm überhaupt geglaubt, vertraut? Als hätte mir das jemals wirklich geholfen. Klar, für kurze Zeit hatte ich es gut bei ihm, für kurze Zeit hatte ich tatsächlich das Gefühl, ich wäre sicher bei ihm. Doch dieses Gefühl war nun verschwunden und es würde nicht zurückkehren. Taehyung war kein Stück besser als einer dieser zwielichtigen Gestalten, denen man auf der Straße begegnete; sobald man ihn irgendwie verärgerte, war es vorbei.

Frustriert blieb ich auf der Straße stehen und raufte mir meine Haare. Ich zwang mich dazu, nicht zurück zu diesem beschissenen Appartement zu schauen, in dem ich die letzten Tage verbracht hatte. Den Schmerz versuchte ich auszublenden, jedoch machte sich Verzweiflung bemerkbar und langsam realisierte ich, dass ich wieder am Anfang angelangt war.

Ich saß schon wieder auf der Straße. Allein.

Es war dumm von mir gewesen, auch nur für einen Moment daran zu glauben, dass Taehyung mir helfen würde. Er hatte mir den Rücken zugedreht und den Funken an Vertrauen, den ich zu ihm aufgebaut hatte, sofort wieder zerstört. Hass kochte in mir und doch wusste ich, dass ich selbst auch irgendwie Schuld trug - wenngleich ich aus Frust gehandelt hatte und nicht, um Taehyung zu verärgern.

Ich biss mir auf die Lippe und schaute mich um, überlegte fieberhaft, was ich nun tun wollte. In diesem Teil der Stadt befand ich mich selten, hier waren zu viele reiche Menschen unterwegs. Ein armer Straßenköter wie ich fiel bereits beim ersten Anblick auf. Deswegen war ich auch ausgesprochen verwirrt, als ich einen anderen Mann am Straßenrand entdeckte, direkt neben einer Gasse, der mich zu beobachten schien. Zwar schien mir dieser nicht ungepflegt zu sein, auf meinem Niveau war er ganz bestimmt nicht angelangt, doch auch Taehyungs Niveau entsprach er nicht. Seine Klamotten waren alltäglich, kein Anzug oder ähnliches. Nur ein schwerer Mantel und ein Hut, selbst ein Mundschutz, um sich selbst zu verbergen.

Für einen kurzen Augenblick starrten wir einander an. Ein merkwürdiges Gefühl durchfloss mich, weshalb ich zögerte und nicht einfach ging. Aber dann fiel mir wieder ein, dass ich noch immer vor Taehyungs Appartement stand. Das war der Auslöser dafür, dass ich mich einfach umdrehte und wegging, fort von diesem Ort. Doch so weit würde ich nicht kommen.

"Hey! Warte!" Die Stimme des Fremden ließ mich zusammenzucken, ich hatte nicht damit gerechnet, angesprochen zu werden. Rennen oder warten, rennen oder warten? Nur diese Frage herrschte in meinem Kopf, die Frage, die mein Überleben in den letzten Jahren stets gesichert hatte. Man rannte, um Konflikten aus dem Weg zu gehen und man wartete, wenn man wusste, dass man nicht fliehen konnte.

Ich entschied mich für 'Rennen', die weitaus sicherere Variante und setzte mich in Bewegung. Allerdings war ich nicht schnell genug gewesen, denn plötzlich wurde ich am Arm gepackt und festgehalten. "Hey!", rief ich laut und drehte mich um, protestierte und wollte mich seinem festen Griff entziehen. Mein Herz klopfte mir bis zum Hals. Doch der Fremde hielt mich weiterhin fest, starrte mich unentwegt an, bis ich seinen Blick erwiderte und aufhörte, mich gegen ihn zu wehren.

Missing メ VkookWo Geschichten leben. Entdecke jetzt