Missing ﾒ Vkook

▫▪Kapitel 56▪▫

TAEHYUNG

Ich verstand nicht, warum Jungkook auf einmal davon gerannt war, aber aus seinem Gesichtsausdruck war herauszusehen, dass es dafür einen guten Grund geben musste. Ich war mir fast sicher, dass es nicht an mir lag oder er vor mir fliehen wollte, dafür gab es viel zu viele Möglichkeiten und er hatte keine einzige davon ergriffen. Warum sollte er also die offensichtlichste von allen wählen?

Ich stieg aus meinem Auto und war gerade dabei die Haustür aufzuschließen, bis auch ich bemerkte, dass etwas nicht so war, wie es sein sollte.
Vorsichtig betrat ich mein Haus und musterte das Licht, das immer noch in einem der hinteren Zimmer brannte. Die Tür stand offen und ich schnappte mir den nächstbesten Gegenstand - welcher sich hierbei um eine Glasskulptur handelte - und tappte mit ihm in der Hand leise in Richtung des besagten Zimmers.

Ich konnte mir nicht vorstellen, dass das noch von heute Morgen sein konnte, einfach aus dem Grund, dass keiner von uns beiden dort drinnen war. Es handelte sich hierbei um eine Art Büro, in dem ich wichtige Dokumente sammel und verschließe, Jungkook hatte ohne den Schlüssel keinen Zugang zu diesem Raum und ich war in letzter Zeit nicht dort drinnen. Zumal war die Tür immer verschlossen.

Vorsichtig spähte ich um die Ecke, nur um zu erkennen, dass sich niemand anderes in dem Raum aufhielt. Es war totenstill, das einzige das ich in diesem Moment hören konnte war mein eigener Herzschlag und trotzdem musste ich sicher stellen, das nichts wichtiges entwendet wurde.

Ich ging alle meine vergleichsweise wichtigen Dokumente durch, aber bemerkte relativ schnell, dass keines von ihnen fehlte oder unvollständig war. Was aber im nächsten Moment meine Aufmerksamkeit auf sich zog war das Regal, das sich über meinem Schreibtisch befand. Fragend zog ich meine Augenbraue nach oben und griff nach dem dort stehenden Bilderrahmen, der aus einem mir unerklärlichen Grund mit dem Gestell nach vorne zeigte.

Ich erblickte das Bild und für einen Moment kamen Erinnerungen in mir hoch, die ich über Jahre hinweg bereits verdrängt hatte.
Schnell wurde ich aber aus meinen Gedanken gerissen als ich hörte, wie jemand meine Wohnung betrat und die Tür hinter sich zu machte.
,,Taehyung?" Eine mir bekannte Stimme drang in mein Ohr und zum ersten Mal in meinem Leben beruhigte mich dieser Klang.

,,Hier hinten", antwortete ich lediglich und hörte kurz daraufhin die näherkommenden Schritte.
Jungkooks und mein Blick kreuzten sich als er ankam und sich leicht gegen den Türrahmen lehnte.

Er musterte mich von oben bis unten und ich fragte mich, was sich wohl gerade in seinem Kopf abspielte.

,,Ich hab die Silhouetten verfolgt, aber ich konnte sie nicht einholen", berichtete er mir und bestärkte damit nur noch meinen Verdacht, dass jemand anders sich hier unbefugten Zugang zu meinem Haus verschaffen hatte. Ein Seufzen entwich meinen Lippen, ,,Ich glaube auch nicht, dass hier etwas entwendet wurde."

Jungkook nickte langsam, doch ich bemerkte, wie sein Blick gebannt auf dem Bild in meiner Hand lag. Er wirkte fast so, als würde ihn etwas beschäftigen.

,,Fragst du dich, was das für ein Bild ist?", fragte ich ihn deshalb und er schaute auf. Ich nickte ihn zu mir rüber und schon gleich schauten wir zusammen auf das Bild, das in mir gemischte Gefühle auslöste.

,,Bist du das?", amüsierte er sich bei dem Anblick von meinem jüngeren Ich.
Es war ihm nicht zu verübeln, wenn man das Bild mit meinem Image von heute vergleichen würde, würde wohl kaum einer glauben dass es sich hierbei um dieselbe Person handelt.

Ich nickte und er zeigte mit dem Finger auf die anderen beiden Personen auf dem Bild. ,,Das war meine Familie", erklärte ich ihm, allerdings bemerkte er sofort, dass meine Wortwahl etwas ungewöhnlich war.

Verwirrt schaute er mich an, "Was meinst du mit war?"

Ich zeigte mit dem Finger auf die Person links von mir. ,,Das ist Seokjin und er ist vor einigen Jahren bei einem Autounfall gestorben", erklärte ich ihm und konnte den bitteren Unterton in meiner Stimme nur schwer verstecken.

,,Das... tut mir leid. Tut es noch sehr weh?", fragte er mich dann und erneut blickten wir uns in die Augen. Ich zuckte nur leicht mit den Schultern, denn das war eine der Fragen, die ich nur schwer beantworten konnte. Ich war ein Mensch, der es gewohnt war seine Emotionen zu verstecken, sie unter keinen Umständen nach außen zu zeigen, doch genau wie jeder andere war ich eben auch bloß ein Mensch.

,,Manchmal wache ich nachts auf weil er wieder in meinem Traum erschienen ist. Ich wünschte, ich hätte wenigstens die Chance gehabt, mich richtig von ihm zu verabschieden", sprach ich weiter, ohne zu wissen, aus welchem Grund ich Jungkook gerade so viel aus meinem Leben mitteilte. Nicht einmal Hoseok kannte mich in diesem Zustand und wir arbeiteten schon seit Jahren zusammen.

,,Ich verstehe gut wie du dich fühlst. Dieses Gefühl von Reue, weil man glaubt, man hätte der Person noch so vieles sagen müssen und das Gefühl der Einsamkeit, weil man glaubt, man sei allein gelassen worden", setzte er an und ein Teil von mir war überrascht von der Einfühlsamkeit, die Jungkook mir gerade offenbarte. Es war, als würde ich eine komplett neue Seite an ihm kennenlernen.

,,Aber selbst in dem Moment würden dir die Worte fehlen, kein Vokabular der Welt würde ausreichen um einen Schmerz zu beschreiben, der aus dem tiefsten Inneren kommt."

Er wusste, wovon er sprach und ich hatte unterschätzt, wie viel Lebenserfahrung er womöglich mit sich brachte. Ich hatte keine Ahnung von dem Leben, das er lebte bevor wir uns kannten, doch ich wusste, dass es einem einiges im Leben beibrachte. Und das nicht auf die sanfte Tour.

Als ich ihm erneut in die Augen schaute bemerkte ich darin eine kleine Flamme brennen. Diesmal war ich derjenige, der sich langsam aber sicher in seinen Augen verlor. Vielleicht lag es daran, dass mich gerade die Schatten meiner Vergangenheit einholten, aber so bemerkte ich erst, wie anziehend seine haselnussbraunen Augen waren.

,,Entspann dich, ich werde dafür sorgen, dass du auf andere Gedanken kommst."

Und wenige Augenblicke später spürte ich plötzlich seine Lippen auf meinen und ein leichtes Feuer in mir entfachte.

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