▫▪Kapitel 22▪▫

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TAEHYUNG

Leise summte ich eine mir wohl bekannte Melodie vor mich her, während ich der Stille des Hauses an diesem Samstagmorgen lauschte. Meine Finger, die ein feuchtes Tuch festhielten, glitten mühelos über die weißen Schränke und befreite sie von überflüssigem Staub und Dreck. Ein unscheinbares Lächeln zierte meine Lippen und ich genoss die friedliche Ruhe, die ich zum Reinigen des Hauses verwenden konnte.

Man mochte meinen, dass ich eine Putzfrau oder ähnliches zum Säubern meines Appartements besaß, da ich oft beim Arbeiten war und tatsächlich nur wenig Zeit Zuhause verbrachte. Allerdings trug ich eine Art 'Sauberkeitstick' in mir, ich konnte Schmutz und Dreck schlicht und ergreifend nicht abhaben. Es war nichts, wovor ich mich ekelte oder sogar phobieartige Reaktionen zeigte, doch ich fühlte mich deutlich wohler, wenn meine Umgebung aufgeräumt und sauber war. Zudem hatte das Putzen seltsamerweise einen beruhigenden Effekt auf mich und schenkte mir inneren Frieden, den ich außerhalb meines Arbeitslebens wirklich benötigte. Andauernd dem Stress eines Firmenleiters ausgesetzt zu sein und noch dazu auch noch beinahe sechs Tage die Woche arbeiten zu müssen, war unmenschlich, selbst für einen Mann wie mich, der nur selten seine Emotionen zeigte.

Man mochte meinen, es lag an meiner Persönlichkeit, mein Innerstes vor den Menschen zu verschließen und ja, vielleicht trug dies wirklich einen kleinen Teil dazu bei. Jedoch hatten mich vor allem Erfahrungen aus der Vergangenheit geprägt, sie hatten mir gezeigt, dass Gefühle einen Menschen bloß verletzlich machten. Aber Verletzlichkeit war an meinem Posten eine schwere Sünde, ein Firmenchef, den man so einfach wie ein offenes Buch lesen konnte, würde niemals seinen Beruf über Jahre hinweg ausüben können. Ich wusste das nur zu gut, weshalb dieser Fakt eine wichtige Rolle in meiner Persönlichkeitsentwicklung gespielt hatte. Emotionen machten Menschen schwach. Deswegen durften sie nie Überhand ergreifen, sondern mussten verschlossen und versteckt werden.

Das war seit Jahren meine Einstellung gewesen, die ich aufgrund des dadurch entstandenen Erfolgs gewiss nicht ablegen würde.

"Taehyung?" Eine verschlafene Stimme zog meine Aufmerksamkeit auf sich und freundlicherweise verkniff ich mir ein leises Seufzen. Es war mir zuwider, dass Jungkook keinen Respekt vor mir zeigte, weder in der Art, wie er mit mir umging, noch in der Art, wie er mit mir sprach. Allerdings war mir bewusst, dass er ein Straßenjunge war, wie ein Köter, den man aus der dunkelsten Gasse gezogen hatte. Dort gab es sowohl kein Respekt, als auch Benehmen und dennoch spielte ich mit dem Gedanken, ihm genau dies schon bald effektiv auszutreiben.

"Ja?", fragte ich neutral, kaum hatte ich mich in seine Richtung gewandt und hob fragend eine Augenbraue an. Der Jüngere rieb sich über seine Augen und gähnte einmal herzhaft, womöglich hatte er in dieser Nacht nicht allzu gut geschlafen. Verständlich, zwischen meinem Bett und dem Sofa lagen immerhin Dimensionen. Dennoch war es sein eigener Wunsch gewesen, seine Nacht nur ein einziges Mal in meinem Bett zu verbringen und ansonsten auf dem Sofa, demnach hatte ich das getan, was er gewollt hatte. Außerdem war ich fest davon überzeugt, dass, selbst wenn ich ihm anbieten würde, mit mir in meinem Bett zu schlafen, er verzichten würde.

"Was machst du da? Und wonach riecht es hier?", wollte Jungkook verwundert wissen und schnupperte in der Luft. Ein kleines Grinsen schlich sich auf meine Lippen, da mir durchaus bewusst war, wovon er sprach. Ein betörender Duft von zartem Fleisch hing in der Luft und erfüllte den Raum, ausgehend von meinem Backofen, der gediegen Hitze für sein Inneres produzierte.

"Ich habe gestern noch einen Braten vorbereitet, der nun im Backofen ist. In einer Stunde gibt es Essen, also solltest du jetzt bereits Hunger haben, wähle etwas leichtes", erklärte ich ihm und widmete mich wieder dem Putzen, "Ich werde solange die Küche restlich reinigen."

"Warte, du machst das echt alles selbst?", hakte der Straßenjunge mit den verwuschelten Haaren verwundert noch, so als hätte ich ihm erzählt, ich könne schwanger werden. Das entlockte mir ein kaum nennenswertes, kurzes Schmunzeln und nickend schaute ich erneut zu ihm. Wenngleich er mir keinen Glauben schenken wollte, machte ich das Meiste ganz allein. Von Kochen bis hin zu Putzen waren dies meine eigenen Aufgaben, schließlich war es mein eigener Haushalt und der Wert der Gegenstände, die sich hier befanden, war teilweise höher als ein Jahresgehalt. Manchmal vermutlich nicht für jeden, doch für mich persönlich.

"Ja, Jungkook, das tue ich. Ich bin ein selbstständiger Mann, weißt du", erwiderte ich ruhig auf seine Frage hin und ließ das Tuch über den Rest des Wandschranke gleiten, bis auch dieser vor Sauberkeit glänzte. Zufrieden nickte ich einmal leicht und warf einen Blick auf die hier hängende Uhr, dabei feststellend, dass meine Wäsche im Erdgeschoss in wenigen Minuten fertig sein sollte. Das war gut, denn aufgrund von Jungkooks Anwesenheit wurden mehr Klamotten in kürzerer Zeit dreckig und da ich wegen meiner Einfachheit nicht viel benötigte, drohte meine Kleidung bald aufgebraucht zu sein.

"Aber du bist doch ständig arbeiten", kommentierte der eben Genannte irritiert und ging an mir vorbei zur Kaffeemaschine, um sich erst einmal eine Tasse des heißen Getränks herauszulassen. Danach nahm er sich einen Apfel, der in einer Schüssel auf der Kücheninsel lag und sah wieder zu mir, musterte mich mit schief gelegtem Kopf. Schweigend erwiderte ich seinen Blick und versuchte in seinen Augen etwas zu erkennen, wohingegen ich mich selbst völlig vor ihm verschloss. Doch ich fand nichts. Seine Augen waren beherrscht von Dunkelheit, genau wie sein Temperament.

"Dennoch habe ich - wie ich dir bereits gesagt habe - nur ungern Besuch", gab ich unbeeindruckt zurück und beobachtete seine Reaktionen. Leicht nickte Jungkook und biss von seinem Apfel ab, kaute kurz auf dem saftigen Stück herum, bevor er es herunterschluckte. Dabei ging sein Blick in die Leere, so als würde er über meine Worte nachdenken, oder aber er dachte zurück an unsere bisherigen Gespräche.

"Stimmt", meinte er irgendwann und biss ein weiteres Mal ab, "Trotzdem merkwürdig und unerwartet." Nun fiel auch sein Blick wieder auf mich und wir beide betrachteten einander schweigend. Ich wusste nicht, was ich darauf erwidern sollte, wusste nicht, ob ich von meiner alten Freundin erzählen sollte, die mir gelegentlich beim Putzen unter die Arme griff, wenn die Arbeit zu viel Zeit forderte, oder einfach weiterhin schweigen. Es gab für mich keinen Grund, ihm Näheres über mein Privatleben zu erzählen, zeitgleich wollte ich aber auch eine Bindung zu ihm aufbauen. Dieser Junge konnte mir noch nützlich sein, das wusste ich zu gut.

Doch zu diesem Zeitpunkt hatte ich nicht geahnt, dass sich das als schwieriger herausstellen würde, als geplant.

Missing メ VkookWo Geschichten leben. Entdecke jetzt