▫▪Kapitel 52▪▫

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JUNGKOOK

Seit dem Telefonat, welches kurz vor meinem Eintreten geendet hatte, herrschte unangenehmes Schweigen. Weder Taehyung wandte sich an mich, noch wagte ich es, ihn anzusprechen. Während es bei Taehyung den Grund hatte, dass er sich beruhigen und ablenken konnte, blieb ich stumm, um ihn nicht weiter zu provozieren. Ich musste gestehen, die verschiedenen Szenarien, die sich in meinem Kopf ausmalten, waren interessant und drängten mich beinahe zur Nachfrage, doch ich riss mich zusammen. Taehyungs giftige Reaktion hatte bereits Bände gesprochen.

"Überprüf nochmal den Spam-Ordner, ob dort irgendwelche wichtigen Mails gelandet sind. Danach kannst du aufräumen, wir machen für heute Schluss", ertönte irgendwann seine tiefe Stimme. Kurz hob ich meinen Blick und schaute zu ihm. Seine Tonlage war kalt, nicht so eisig wie zuvor, aber als freundlich ließ sie sich auch noch nicht bezeichnen. Deswegen verdrehte ich lediglich meine Augen und kam seiner Aufforderung nach - eine andere Wahl hatte ich eh nicht. Mich heute noch mit diesem stursinnigen Mann anzulegen grenzte an Selbstmord, besonders, weil ich keine Kraft mehr hatte. Die Entschuldigung an Hoseok hatte bereits genug Überwindung gekostet.

Ich tat also wie mir geheißen und klickte mich stumm durch die einzelnen E-Mails. Unzählige Werbe-Anzeigen und Benachrichtigungen für jeglichen Blödsinn war darin zu finden, wegen dem ich schnell die Lust verließ. Wie schafften es Menschen bloß, in so einem Luxus zu leben, dass ihr größtes Problem diese bescheuerte Werbung war? Das war doch lachhaft. Andererseits zählte ich neuerdings auch zu dieser Art Mensch, deshalb sollte ich mich gar nicht beklagen. Doch in solchen Momenten musste ich zurück an meine Zeit auf der Straße denken... kaum zu glauben, dass ich schon seit etwa drei Wochen in einer Wohnung bei einem reichen Vollidioten lebte. Und es mir auch noch gefallen ließ.

Aber gutes Essen gab es, das musste man ihm lassen.

Doch plötzlich stach mir etwas ins Auge, das mich verwundert innehalten ließ. Leicht legte ich den Kopf schief und starrte den Namen der E-Mail an. Hatte sich da wer einen Scherz erlaubt? Oder fing ich nun an zu halluzinieren? Doch auch nach mehrfachen Blinzeln änderte sich die E-Mail nicht. '.' hieß sie. Einfach nur ein Punkt. Was zur Hölle sollte das bedeuten, wieso ein Punkt? Man schrieb nicht einfach einen Punkt, das ergab keinen Sinn. Und der Name des Absenders war noch viel merkwürdiger. 'Wxtchyu@korea.com'. Das konnte doch bloß ein schlechter Witz sein, oder? Kopfschüttelnd öffnete ich die E-Mail, aber alles, was ich entdeckte, war ein einzelner Satz.

Vertraue niemandem, den du nicht kennst.

Was zum...?
Schlagartig musste ich an den seltsamen Typen denken, der mir aufgetragen hatte, Taehyung auszurauben. War er der Absender? Steckte er hinter dieser E-Mail? Es war so verdammt gruselig, wie zutreffend dieser eine Satz doch war und ich haderte. Sollte ich meinen Chef hierüber informieren? Andererseits... könnte er dadurch nicht vermuten, dass ich womöglich einen Pakt mit dem Teufel geschlossen hatte?

Schnell wollte ich die E-Mail schließen, allerdings hatte ich nicht bemerkt, dass Taehyung hinter mir stand. Sofort griff er nach meinem Handgelenk, sodass ich die Maus nicht erreichte und erschrocken sah ich zu ihm.
"Was ist das?", fragte er, doch ich wusste nicht, was ich antworten sollte. Verdammt... das wollte ich doch verhindern... Innerlich verfluchte ich mich, so offen gezeigt zu haben, dass die E-Mail ungewöhnlich war.

"Ich... weiß nicht", stammelte ich somit etwas unbeholfen, als sich Taehyungs Gesicht plötzlich verfinsterte. Er stieß ein tiefes Grollen aus, welches mich tatsächlich leicht zusammenzucken ließ und mit gerunzelter Stirn beobachtete ich, wie er zu seinem Schreibtisch zurückkehrte. Dort schlug er einmal mit flacher Hand auf das dunkle Holz, ehe er tief durchatmete und mit wütend funkelndenden Augen zu mir blickte.

"Lösch die E-Mail sofort und vergiss, dass sie existiert", knurrte er mich regelrecht an. Irritiert blinzelte ich. Was war denn in ihn gefahren, wieso reagierte er so... unerwartet? Was hatte es mit der E-Mail auf sich, dass sie ihn so wütend machte? Sie war doch an mich gerichtet, nicht wahr?

Langsam richtete ich meinen Blick wieder auf die E-Mail und las ein letztes Mal die gruseligen Worte, ehe ich sie tatsächlich löschte. Wie sehr es nur auf meiner Zunge kribbelte, zu fragen, was diese E-Mail zu bedeuten hatte, ich befürchte, sie zu verlieren, sollte ich nun sprechen. Ich musste wohl oder übel abwarten, bis sich seine Laune nicht mehr am absoluten Tiefpunkt befand. Vorher hatte ich keine Chance auf eine Antwort.

Die Stimmung war angespannt, während ich die restlichen E-Mails durchforstete und die zwei, drei wichtigen E-Mails aus dem Spam-Ordner hinauszog. Danach schaltete ich den Computer ab und räumte den Schreibtisch auf, packte die ganzen Dokumente weg. Ich würde sie erst morgen wieder benötigen. Anschließend richtete ich mich auf. Aus dem Augenwinkel heraus bemerkte ich, dass Taehyung es mir gleich tat, offenbar hatte er lediglich auf mich gewartet und ohne ein Wort schnappte er sich seine Jacke. Rasch folgte ich ihm nach draußen und sah zu, wie er den Raum abschloss, bevor wir uns zum Fahrstuhl begaben und das Gebäude verlassen konnten. Erreichen taten wir jedoch nur die Empfangshalle, da hier unten Jimin und Hoseok standen und sich unterhielten. Kurz musterte ich beide, versuchte etwas Auffälliges zu finden, das mir etwas über ihr Verhältnis zueinander erklärte. Doch mir blieb nicht genug Zeit, weil sie ihr Gespräch beendeten, kaum hatten sie uns entdeckt. Hoseok ging mit schnellen Schritten auf uns zu und deutete Taehyung an, dass sie einen Moment lang miteinander sprechen mussten und ein leises Seufzen äußernd nickte Taehyung.

"Du kannst draußen auf mich warten", wies er mich neutral an. Ich hingegen nickte nur und ging dann durch die Eingangstür hinaus. Wie sehr ich doch Geheimnisse verabscheute... auch wenn mir bewusst war, dass ich selbst kein Stück besser war.

Die kühle Abendluft schlug mir erfrischend ins Gesicht und ich atmete einmal tief durch, um meine Gedanken zu klären. Neben mir erblickte ich Jimin, der wohl ebenso darauf zu warten schien, dass er eine Mitfahrgelegenheit erhielt. Deshalb entschied ich mich dazu, zu ihm zu schlendern und noch ein wenig mit ihm zu plaudern.

"Und? Wie ist's auf der Arbeit bisher, Jimin?", fragte ich ihn schief grinsend. Sogleich hob er seinen Kopf an, er hatte bis eben intensiv auf sein Handy gestarrt, begann bei meinem Anblick jedoch zu lächeln.

"Gut. Die Leute sind nett und die Arbeit ist in Ordnung, nicht zu anstrengend, aber sein Geld wert", erzählte er mir fröhlich. Woher nahm er eigentlich die Energie, so ein Sonnenschein-Lächeln auf den Lippen zu tragen und so viel Lebensfreude auszustrahlen? Wurde das nicht mit der Zeit anstrengend?

"Freut mich zu hören."
"Wie ist es bei dir?", stellte er mir nun die Gegenfrage. Neugierig musterte er mich und ich wusste instinktiv, dass er sich tatsächlich für mich interessierte. Süß.

"Ach, es geht. Die Arbeit selbst ist nicht so schlimm, nur Taehyung geht mir manchmal echt auf die Nerven. Vor allem, wenn er aus der Haut fährt, ist er unausstehlich", erzählte ich ehrlich. Meine Hand fand ihren Weg in meine Haare, durch die ich etwas genervt strich, wohingegen Jimins Augen überrascht zu glänzen begannen.

"Oh, das kenne ich! Das ist mit meinem Freund genauso", erzählte er mir und schüttelte belustigt seinen Kopf. "Ich ziehe ihn dann aber immer damit auf. Das kannst du bei Mr. Kim aber nicht tun, wie ich vermute, richtig?", fügte er kichernd hinzu und leicht nickte ich.

"Leider", schnaubte ich frustriert, wodurch Jimin leise zu kichern begann. Aufmunternd legte er seinen Kopf schief und boxte mich sanft, seine Augen wurden schmaler, während sein Lächeln breiter wurde.

"Keine Angst, irgendwann wird sich das ändern. Du darfst nur nicht aufgeben", ermutigte er mich. Dankbar nickte ich ihm zu, auch wenn ich irgendwie bezweifelte, dass Taehyung mir je seine weiche Seite zeigen würde. Doch wenn man vom Teufel spricht, taucht dieser auch für gewöhnlich auf und somit vernahm ich ein Räuspern hinter mir. Mit einem erneuten Seufzen verabschiedete ich mich von Jimin, erwiderte tatsächlich sein warmherziges Lächeln und folgte dann Taehyung zum Auto.

Zumindest schienen Jimin und ich das Potential zu einer Freundschaft zu haben. Mit seiner Hilfe würde ich diesen sturen Miesepeter sicher ertragen können.

Missing メ VkookWo Geschichten leben. Entdecke jetzt