Kapitel 14

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Farahs Augen, die bis vor kurzem noch auf den Boden gerichtet waren, hoben sich nun. Es war fast als würde sie versuchen, Amalie mit ihren Blicken festzuhalten. Doch diese hob nur abwehrend die Hand. "Du hast es also getan. Sag mir wenigstens eins Farah, wer hat euch gesehen? Wer wird uns jetzt wegen dir etwas anhaben können?" Bei ihren Worten zuckte Farah schmerzlich zusammen und weitere Tränen rannen ihr die Wangen hinab. Sie brannten wie Feuer auf ihrer Haut. "Graf Paschow weiß es, er hat uns gesehen. Er wird es Vater ganz sicher sagen und dann sind wir erledigt."       "Jetzt seid ihr also schon eine Einheit, hm?" Amalie wich von ihrer Schwester zurück. "Warum hast du es mir nicht gesagt, Farah? Warum nicht? Dachtest du, ich gönne euch das nicht? Ich wäre eifersüchtig?" Ihre Stimme wurde zum Ende hin immer leiser, fast schon gefährlich ruhig. "Ich wusste, dass Thilo auch Frauen mag. Aber er sagte es mir nie. Und du sagtest mir nie, dass du ihn mochtest, du hast mich immer in dem Glauben gelassen, dass das, was ich tat, falsch sei. Dass es nicht rechtens sei mit einer Tunte befreundet zu sein und dabei war er nicht mal eine und du wusstest es, hast es aber immer abgetan, als ich es sagte. DU warst sein Grund, um beide Geschlechter zu mögen! Ihr habt es mir beide verheimlicht." Sie war bereits an der Tür angelangt, als sie sich noch mal zu ihrer einst so geliebten Schwester umdrehte. Ihr Mund öffnete sich wie von selbst, nur kamen keine Worte heraus. Amalie schüttelte ihren Kopf, als wollte sie sich selbst dafür rügen, dass sie noch einmal stehen geblieben war.

Amalie lief aus dem Zimmer hinaus. Bevor sie überhaupt realisieren konnte, in wen sie da hineingelaufen war, wurde sie von zwei starken Armen aufgefangen. Sie brauchte gar nicht aufzublicken, um zu wissen, wer da vor ihr stand. Thilo räusperte sich. "Ist alles okay? Du wirkst so aufgelöst." Fast schon schupste Amalie Thilo von sich. "Du!" Sie hielt mitten in der Bewegung in. "Wiederst mich an!" Und dann konnte sie ihre Tränen nicht mehr zurückhalten. Sie rannen aus ihren Augen wie Sturzbäche. In diesem Moment vermochte sie nicht zu sagen, ob der Schmerz wohl jemals nachlassen würde! Wie eine kühle Hand legte sich etwas um ihr Herz. Über diese plötzliche Kälte in ihrem Inneren zuckte sie zusammen. Ihr Verstand arbeitete auf Hochtouren, dennoch gab es für sie keinen ersichtlichen Grund, warum ihre wahrscheinlich engsten Vertrauten ihr das angetan hatten. Die Tränen versiegten langsam, aber die Kälte blieb.

Als Konstantin in den Speisesaal kam, begrüßte ihn so gleich eine Eiserne Kälte. Sie war fühlbar. Sie lag wie ein stilles Versprechen in der Luft. Ohne großes Aufsehen zu erregen, setzte er sich. Amalie und Farah saßen nicht wie sonst nebeneinander, sondern womöglich sogar am weitesten voneinander entfernt. Amalies Augen blickten stur auf den Teller und es schien als wäre sie gedanklich kaum anwesend. Als sie ruckartig aufblickte, trafen ihre Augen auf die von Konstantin. Es lag einzig und allein kalte Wut in ihnen. Dennoch hielten ihre Augen nicht lange an seinen fest, da sie von etwas Anderem in Anspruch genommen wurden. Farah beugte sich in diesem Moment zu ihrem Vater, mit einem Blick, der wohl über tausende todeswütige Soldaten dazu bewegt hätte umzudrehen. Ihr Vater jedoch reagierte nicht ganz so, sondern nickte nur. Sie stand auf und ging mit federnden Schritten zu Amalie. Diese blickte sie nur gefühllos an. Da Amalie keine Anstalten machte sich zu erheben, zischte ihr Vater ihr etwas wütend zu. Sie jedoch beugte sich nur zu Farah und murmelte ihr etwas zu, was sie blass werden ließ. Farah blickte geschockt auf Amalie hinab, diese jedoch blickte nur stur nach vorne. "Jetzt setz dich doch hin, verdammt." Beide zuckten bei der Stimme ihres Vaters zusammen und nach einem letzten Blick setzte sich Farah wieder auf ihren Platz.

Graf Paschow räusperte sich. "Mein lieber Graff Weißenstedt, wie ich hörte unterstehen Ihnen auch Schwuchtel? Das ist ja wirklich gemeinnützig, aber meinen sie nicht, dass das ein schlechtes Licht auf diese Familie wirft, in die mein Lieber Neffe einheiraten soll?" Alle anwesenden zogen scharf die Luft ein. Ein Blick zu Amalie reichte um Konstantin glaubhaft zu machen, dass Amalie wusste, von wem gesprochen wurde. Ihre Hände krallten sich in den Sitz und ihre Augen verdüsterten sich merklich. Auch Farah schien zu wissen, um wen es geht. Ihre Augen waren weit aufgerissen und ihre Brust fing an sich unregelmäßig zu heben und zu senken. Graf Weißenstedt sah seine Töchter mahnend an. Farah fasste sich so gleich, doch bei Amalie schien es als würden ihre Augen Blitze schießen. Bevor Graf Weißenstedt ansetzen konnte, etwas zu sagen, kam ihm Graf Paschow wieder dazwischen. "Oder sollte ich sagen, beidgeschlechtlich liebend?" Jetzt hatte er die volle Aufmerksamkeit aller weiteren Anwesenden. Es saßen noch drei Berater des Grafen hier sowie auch deren Frauen und Kindern. Amalie sah so aus als würde sie am liebsten aufspringen wollen, um ihn in irgendeiner Art und Weise zu verletzten. Doch eine einfache Bedienstete trat zu ihr und flüsterte ihr etwas ins Ohr, was sie aber nur noch mordlustiger zu machen schien.

AmalieWo Geschichten leben. Entdecke jetzt