Kapitel 21

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In weit entfernten Gemächern des Hauses Weißenstedt stand ein junges Mädchen vor ihrem Paravent. In ihr waren die bombastischsten Vorstellungen und Gefühle am Werk, die sie in eine Welt voller Hochgefühl katapultierten. Es war schier wahnsinnig, was sie sich alles ausmalte. Heute, dachte sie so bei sich, heute würde jeder Respekt und Achtung vor ihr haben. Heute würde jeder Wissen, was sie wirklich wert ist und was sie primär schon immer war. Denn heute würde die beste Nacht ihres Lebens werden und jedes Mädchen würde vor Neid erblassen. Auch oder in gewissermaßen vorrangig Amalie. Sie war erfüllt mit Genugtuung, da sie nun wusste, dass sie besser war! Natürlich wusste sie, dass auch schon vorher, aber nun hatte sie es so weit gebracht, dass es jeder letzte, dümmste und schmutzigste Tölpel wissen musste. Denn ab heute würde sie Izabelle von Paschow sein. Und als diese könnte sie endlich ihren rechtmäßigen Platz einnehmen. Sie würde in Amalies Gesicht blicken und Konstantin küssen und dann, dann würde sie Amalie als Lustmolch bezichtigen. Schließlich hatte sie zugesehen. Oh, wie oft hatte sie sich das schon vorgestellt. Wie immer wenn sie sich in ihrer Fantasie befand, lief ihr ein Schauer über den Rücken und wie jedes mal begann sie Stück für Stück mehr an ihre eigenen verwirrenden Hirngespinste zu glauben. So bildete sie sich oft Sachen ein.

Es dauerte noch bis der Ball begann, allerdings war Izabelle schon fertig gekleidet und lief durch die Gänge, als wäre sie schwer beschäftigt. Denn es sollte jeder noch so dumme, unprivilegierte Diener ihr Kleid zu Gesicht bekommen. Sie führte sich auf, als wäre sie die Herrin dieses Hauses und des Balles, ungeachtet den Tatsachen fragte sie sich, wäre sie das nicht bald?

Wie schon so oft an diesem Tag zupfte Izabelle an irgendwelchen Blumen im Ballsaal herum, die vorher aufwendigst von den Dienern hergerichtet wurden. Als sie hinter sich eine schwache aber sanfte Stimme vernahm. "Ah Izabelle, schön dich zu sehen!" Mit einem ihres ermessenem freundlichen Lächeln, triefend vor selbstsicherer Hochnäsigkeit, drehte sie sich langsame zu Graf Weißenstedt um. "Ich freue mich auch sie zu sehen." Er blickte sie abwartend an. Fest trafen ihre Zähne aufeinander, als sie gezwungen Lächeln knickste. Bevor ihre Gedanken wieder in die Ferne ihrer Fantasie abdriften konnten, fing der Graf ein Gespräch an. "Es freut mich so, dass sie helfen, es ist so großmütig von Ihnen und zeigt ihre Selbstlosigkeit, wirklich bemerkenswert." Selbstlosigkeit? Diese Charaktereigenschaft konnte sie sich nicht einmal selbst in ihren kühnsten Fantasien zu sprechen. "Entschuldigen Sie Graf, ich verstehe nicht." Ein Krachen und Splittern war zu hören. Eine Vase war gesprungen. Eilig lief eines dieser nichtsnutzigen Dinger darauf zu. So eine beschäftigte sie. Was für eine Verschwendung der Mittel. Sie würde mit ihrem Vater darüber sprechen müssen. Freundlich lächelte der Graf sie an. "Sie verstehen nicht? Nun meine Dame, dass wiederum verstehe ich nicht. So klären sie mich doch bitte auf!" Warum redete er so fremd mit ihr? Waren sie etwa Fremde? Gar Unbekannte? Kurz lichtete sich etwas in ihrem Blick, doch es ging so schnell wieder wie es kam. Aufmüpfigkeiten lagen ihr auf der Zunge. Das Mildeste was sie hervorbringen konnte war. "Ich bin mir sicher, dass auch so eine tölpelhafte Dienerin wie diese es nicht versteht. Niemand tut das. Aber entschuldige Sie, sie kann ja nichts dafür." Ihr Ton war schmeichelnd. Wie der einer Schlange, die gleich ihre Beute zu fassen bekam. Etwas entgeistert blickte der Graf Izabelle an. Doch bevor er etwas sagen konnte, sprach die Dienerin, mit einem entschuldigendem Lächeln. "Meine Dame. Mein Graf. Ich verstehe sehr wohl und sehe, was sie beide verwirrt." Um eine Aufforderung bittend sah sie den Grafen an. Wütend stemmte Izabelle die Hände in die vollen Hüften. "Aber liebe Izabelle, wenn es zu einer Aufklärung dieser Situation führt, möchten wir es doch sicher beide hören! Fahren sie bitte fort Katherine." In Wirklichkeit lächelte Katherine scheu, doch in Izabelles Fantasie sah es ganz anders aus. Dort wurde sie erniedrigend belächelt. Schnell sprühte sie ihre Wut hochkochen. Ganz zielsicher und schnell wollte sie an die Oberfläche. Die Kammerzofe redete und redete, aber das einzige was Izabelle wahrnahm, war das sie nicht zum Ball eingeladen war. Als die Flut der Worte von dieser dämlichen Magd abebbte, wollte Izabelle widersprechen. Es war die Furcht, die sich hinter diesem Versuch versteckte. Die Angst davor wirklich alles verloren zu haben. Izabelle ergriff ihre Chance als sie sie sah. "Konstantin! So warte doch!" Ein lächelnder Konstantin betrat den festlich geschmückten Saal. Sie hatte ihn wirklich gut dekoriert. "Ich komme doch auch, oder? Es ist ja meiner." Verwirrt verblasste sein Lächeln. "Wie?" Liebevoll lächelte sie ihn an. "Zum Ball!" Noch verwirrter von dieser Aussage, als zuvor antwortete er. "Das weiß ich doch nicht, Izabelle! Ich veranstalte ihn schließlich nicht!" Aufgebracht deutete er eine Verbeugung an und ging wieder hinaus. Verwirrt blickte sie in die Spiegelung eines der Fenster.

AmalieWo Geschichten leben. Entdecke jetzt