Amalie sah Graf Paschow wutentbrannt an. Wäre sie nicht so körperlich schwach, so war sich Konstantin sicher, hätte sie ihn schon längst angegriffen. Ihr Vater nahm gelassen sein Glas in die Hand und trank einen Schluck. Sein Gesicht verzog sich für einen Moment und seine Miene glich mehr einer weißen Wand als dem gesunden Gesicht eines stattlichen Mannes. Farah nahm vorsichtig seine Hand in die ihre und musterte ihn besorgt. Sie wäre bestimmt eine gute Ehefrau. Bei diesem Gedanken glitt sein Blick zu Farah. Ob sie wusste, was mit ihnen beiden war? Ihr Blick war immer noch mehr als wütend auf Graf Paschow gerichtet. Dieser Anblick ließ ihn schmunzeln. Doch das verging ihm schon im nächsten Moment, als er sah wie Amalie panisch ihren Vater anblickte. Dieser lag gekrümmt auf dem Boden und hielt sich die rechte Brust. Einer seiner Arme stand ihm in einem unnatürlichen Winkel ab. Sogleich wurde der Arzt gerufen und ein wildes Gewusel entstand. Graf Weißenstedt wurde auf sein Zimmer gebracht, doch der Tumult ließ nicht nach. Bevor Konstantin einschreiten konnte, tat dies Amalie. "Ruhe jetzt!" Alle blickten sie mit einem verwirrten und geschockten Blick an. Aber wer konnte es ihnen verübeln. Ihr zierlicher und anmutiger Körper im Kontrast mit ihrem von der Wut verzerrtem Gesicht. Und natürlich nicht zu verachten war die Tatsache, dass sie eine Frau war.
"Alle wieder hinsetzten, ich habe etwas zu sagen!" Ihre Stimme duldete keinen Widerspruch und alle gingen geschockt auf ihre Plätze zurück. Doch sie schien das kaum zu bemerken. Ihr Blick lag barbarisch ruhig auf Graf Paschow. Man konnte ihm keine Gefühle ansehen.
In ihr kochte es nur so vor Wut und als sich alle hingesetzt hatten, atmete sie einmal tief ein. Ihre Stimme schnitt sich durch die Stille wie Glass. "Graf Paschow." Ein teuflisches lächeln zierte ihren engelsgleichen Mund. "Wie kommen sie zu dieser Annahme?" Er setzte an etwas zu sagen, doch sie fuhr fort. "Nichts zu sagen, wie ich mir das gedacht habe. Aber der verehrte Graf Paschow hat ja auch nicht seinen gesamten Besitz an seinen Bruder verloren, weil er etwas zu sagen hatte." Ihre Augen sahen so unschuldig aus, als sie fort fuhr. "Wie ich mir das dachte, ist das, was er hier tut, rein aus der Missgunst geboren. Wahrscheinlich will er uns auch noch gleich erzählen, das meine reine Schwester eine Liebesbeziehung zu einem unser Bediensteten hegt? Oder noch besser, die Hunde meines Vaters seien Katzen!" Die Berater und Angehörigen lachten leise. Amalie wusste, dass sie eher aus Erleichterung lachten, aber ihr sollten die Lacher nur recht sein. Sie sah ihn angeekelt an. "Vergessen sie nicht, in welchem Haus Sie sich befinden. Es könnte auf andere so wirken, als würden sie uns etwas anhängen wollen. Wir wollen doch alle nur, dass es keine Missverständnisse gibt. Nicht wahr?" Seine Augen sprachen Bände, als er mit tonloser Stimme antwortete. „Wie recht Sie doch haben, Gräfin. Ich muss wohl falsche Informationen bekommen haben. Ich hoffe doch, Sie können mir diesen einmaligen Ausrutscher verzeihen!" Süffisant lächelte sie ihn an, als sie ihm antwortete. „Aber natürlich, Graf Paschow. Wie könnte man Ihnen denn nicht verzeihen? Diesen einmaligen Ausrutscher werde ich ihnen wohl verzeihen können." Sie seufzte schwer, als sie mit mädchenhafter Stimme fortfuhr. „Wie könnte man das nicht? Sie sind doch ein so liebenswürdiger und charmanter Mensch!" Und somit hatte sich Amalie wieder in die Rolle der jungen, angepassten Gräfin eingefunden. Alle Anwesenden lachten über diese Aussage und schüttelten belustigt den Kopf. Dabei fielen Aussagen wie „So eine angenehme, hübsche junge Dame. Wie reizend sie doch ist." Und hätte sie, als alle in ihren Gesprächen gefangen waren, dem Graf Paschow nicht noch einen vor Abscheu triefenden Blick zu geworfen, so hätte Graf Konstantin ihr diese Rolle wohl abgenommen.
In diesem Moment konnte er nicht sagen, ob ihn es glücklich machte, dass Amalie nicht so war wie alle anderen oder ob es ihn beunruhigen sollte. Schließlich würden die beiden noch viel Zeit miteinander verbringen müssen.
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Amalie
Fiksi SejarahEr blickte sie an, doch Amalie erwiderte nichts. Sie versuchte sich mit versteinerter Miene auf die Ansprache, die ihr Vater gerade hielt, zu konzentrieren. Er beugte sich etwas zu ihr nach vorne, so dass sie einen zarten Duft von Zedernholz wahrnah...