Schweifende Habichtaugen

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Doch bevor dieser auch nur etwas sagen konnte, richtete sich Graf Paschow auf und erhob sein Glas zum Tost. „Meine lieben Leute, ich weiß, dass ich nicht der Hausherr bin und deswegen dieses traute Heim nicht mein eigen nennen darf, doch trotzallem fühlt es sich bereits jetzt, nach diesen wenigen Tagen, so an." Er ließ seine Habichtaugen über jeden einzelnen schweifen. Es war, als würde er nach dem schwächsten Glied dieser Gemeinschaft suchen, um es mit einer schnellen Bewegung von den anderen zu reißen, um es zu vernichten. Nicht aus Hunger oder genereller Notwendigkeit. Es schien gar, als wären die Anwesenden Mäuse und er die Katze, die mit ihnen spielte.
Seine Bewegungen waren fließend, jeder Schritt ging in den andern über. Seine Augen leuchteten, als würden sie, mit einer unbekannten Kraft, zum Leben erweckt.
Sein Verhalten war rein animalisch. Keiner von den hier anwesende mochte es gerne zugeben, doch jedem jagte sein kalter Blick einen mehr als nur verheißungsvollen ängstlichen Schauer über den Rücken.
Amalie blickte sich im Raum um, alle Blicke ruten auf Graf Paschow.
„Wegen dieser wundervollen Gastfreundschaft und wegen der hoffentlich baldigen frohen Nachricht, haben der verehrte Graf von Weißenstedt-Boursen und meine Wenigkeit uns erlaubt, eine Jagd zu veranstalten. Ja, sagen wir, ich habe den Grafen fast angefleht, Ihnen diese freudige Botschaft überbringen zu dürfen." Höfliches Klatschen erfüllte den Salon.

Und so war es dann auch, an den nächsten Tagen erfüllte ein geschäftiges Treiben die Gänge und Räume des Anwesens. Keiner war vor der Aufregung sicher. Jeder schien sich um etwas Wichtiges zu kümmern. Das eine war wichtiger als das andere und keiner konnte warten.

Die Reiter mit den Pferden hatten sich auf einer angrenzenden Lichtung versammelt.
Graf Konstantin hatte sich neben Amalie gesellt. Sein Pferd war von reinem Geblüht und hatte schwarzes Fell, was in der Sonne glänzte. Amalies Pferd hingegen schien das genau Gegenteil von Graf Konstantins. Wo Graf Konstantins Pferd stark und kraftvoll wirkte, war Amalies Pferd zart und von eher feinen Muskelsträngen durchzogen.
Das Pferd von Graf Konstantin überragt Amalies um fast einen Kopf. Dies schien ihr gar nicht zu gefallen, da sie, als er sich neben sie stellte, hinaufblicken musste, um ihn zu begrüßen. Wenn es nach ihr gegangen wäre, hätte er gar nicht zu ihr herüberkommen müssen. Sie war es leid, wie er sie aufzog. Als wäre sie seine kleine, nervige dumme Schwester. Und für ihn, wie eine Schwester zu wirken, wollte sie auf gar keinen Fall. Am liebsten hätte sie ihre Stute gewendet und wäre zu Farah getrappt.
Graf Konstantin räusperte sich.
„Gestatten Sie mir die Frage, Madame. Aber wie kommt es, dass Sie immer so spät erscheinen? Liegt es vielleicht an meiner all zu entzückenden Anwesenheit?"
Er blickte sie an, doch Amalie erwiderte nichts. Sie versuchte sich mit versteinerter Miene auf die Ansprache, die ihr Vater gerade hielt, zu konzentrieren.
Er beugte sich etwas zu ihr nach vorne, so dass sie einen zarten Duft von Zedernholz wahrnahm. Sein Atem strich wie eine sanfte Berührung über ihre Wange.
Hätte das eine von den Klatschbasen vom Hof erfahren, wäre sie wahrscheinlich Gesprächsthema Nummer eins gewesen. Nicht nur weil schon Wetten abgeschlossen wurden, wer zuerst eine Tändelei mit Graf Konstantin beginnen wurde, sondern auch weil es Amelie war. Keine einfache Dame vom Hof, sondern Amelie, die Tochter des Hausherren. Doch an das alles konnte sie in diesem Moment nicht denken, da sie von seiner Nähe viel zu benebelt war. Sie spürt nur noch seinen Atem auf ihrer Wange.
„Weißt du, ich habe schon viele junge Damen, wie Sie erlebt und eins muss ich Ihnen lassen, noch keine hat es versucht durch zu spät kommen, meine Aufmerksamkeit zu erlangen." Es war wie als erwachte sie aus einem Nebel. Wie konnte er es wagen, ihr so etwas vorzuwerfen? Sie richtete sich wütend auf, sie war gerade dabei ihm etwas wirklich Undamenhaftes an den Kopf zu werfen, als sich zwei weitere Gäste der Jagdgesellschaft zu ihnen nach hinten gesellten.

AmalieWo Geschichten leben. Entdecke jetzt