Carlotta, die kleine Meerjungfrau, ist eine Träumerin. Nichts beschäftigt sie mehr als das Leben der Menschen, die Natur, die unendliche Weite. Nichts wünscht sie sich sehnlicher, als die Oberwelt zu entdecken. Bald schon ist dieser Wunsch in ihr so...
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,,Sie will was?", fragte Kobe ungläubig und leicht genervt.
,,Carlotta möchte, dass wir alle mit zum Strand kommen", wiederholte Emilie geduldig. ,,Ich vermute, dass sie uns etwas zeigen möchte. Und ich bin mir sicher, dass sie uns nicht ohne Grund darum bitten würde."
Kobe hörte den leisen Vorwurf deutlich heraus, der darin mitschwang. Emilie würde es zwar niemals laut sagen, um sich nicht einzumischen, doch Kobe wusste auch so, wie weh es ihr tat, wenn er sich gegenüber Carlotta abweisend verhielt. Emilie würde es wohl am liebsten haben, wenn alle ein Herz und eine Seele sind; sie war einfach zu gut für diese Welt.
,,Na schön, ich hab' ja ohnehin nichts vor." Das stimmte zwar nicht, aber ihr zuliebe und weil er nun doch ein wenig neugierig auf das geworden war, was Carlotta ihnen zeigen wollte, beschloss er den Ruhetag im Wirtshaus dieses Mal eben anders zu verbringen.
*
,,Kobe, da bist du ja endlich!", rief ihm Rosalie bereits aufgeregt entgegen. Es erstaunte ihn immer wieder, wie viel Energie seine Schwester in sich hatte. Unwillkürlich lächelte er bei ihrem Anblick. Die kunstvolle Flechtfrisur, die Carlotta ihr auch diesen Morgen ins Haar gezaubert hatte, begann sich bereits aufzulösen und vereinzelte Strähnen wehten um ihr liebliches Gesicht. Barfuß hüpfte sie am Ufer auf und ab und strahlte mit der Sonne um die Wette, während Oscar freudig bellend um sie herumtanzte.
Aus dem Augenwinkel bemerkte er, wie jemand an den Strand geschwommen kam und sich, sobald derjenige wieder festen Boden unter den Füßen spürte, aufrichtete, um die letzten Schritte zu Fuß aus dem Wasser zu waten. Die zierliche Gestalt kam ihm vor wie eine Erscheinung. Ganz selbstverständlich bewegte sie sich zwischen den Wellen. Es war beinahe als wäre der Ozean ein Teil von ihr. Die Strahlen der Morgensonne ließen die Wassertropfen auf ihrer blassen Haut glitzern; die perlrosafarbenen Lippen lächelten schüchtern und ihr nasses Haar glänzte dunkel.
Als er in der Gestalt schließlich Carlotta erkannte, schämte er sich für sein Starren. Mal ganz abgesehen davon, dass er verwirrt war: Was machte dieses Mädchen nur mit ihm, der sonst so überhaupt kein Interesse an Rendezvous hatte? Zum Glück war es offenbar wenigstens niemandem aufgefallen.
,,Nun, was möchtest du uns denn zeigen, Carlotta?", fragte Emilie schließlich sanft.
Carlotta schien ein wenig unsicher, wie sie die Frage am besten beantworten sollte. Nach kurzem Zögern trat sie jedoch hinter Rosalie, die inzwischen aufgehört hatte herumzuzappeln und die Szene aufmerksam beobachtete. Carlotta umschloss sanft Rosalies Handgelenke, wartete kurz, um Rose die Möglichkeit zu geben sich zu wehren und begann dann die Hände seiner Schwester in eine Art Schwimmbewegung zu führen. Kurz darauf ließ Carlotta Rose' Hände wieder los, trat einen Schritt neben sie und sah Hannes, Emilie und ihn abwartend an.
,,Du möchtest uns um Erlaubnis bitten, Rosalie das Schwimmen beizubringen, ja?", formulierte Emilie als erste ihre Vermutung.
Carlotta nickte vorsichtig und legte schüchtern den Kopf leicht schief.
Der Wirt brummte nur. Vermutlich hielt er ihr Vorhaben für verrückt. Aber wenn Kobe nicht alles täuschte, schwang in seinem Blick auch so etwas wie Stolz mit.
,,Mensch, Carlotta, du weißt gar nicht, wie viel mir das bedeuten würde", brach es da aus Emilie mit tränenerstickter Stimme heraus und sie schloss Carlotta beherzt in ihre Arme. ,,Dann muss ich endlich nicht mehr so viel Angst um die Kleine haben."
Kobe wollte sich schon umdrehen, um unbemerkt wieder zu gehen, da wurde er von Carlotta am Arm zurückgehalten. Ihr tiefblauer Blick traf fragend den seinen und da verstand er, dass Carlotta ihn ganz bewusst ebenfalls hierhergebeten hatte: Seine Meinung war ihr wichtig. Schließlich ging es hierbei um seine kleine Schwester.
,,Ich kann euch doch eh kaum davon abhalten, oder?", meinte Kobe und lächelte schief. ,,Aber ich möchte dabei sein", bestimmte er dann. ,,Passt das für dich?"
