Carlotta, die kleine Meerjungfrau, ist eine Träumerin. Nichts beschäftigt sie mehr als das Leben der Menschen, die Natur, die unendliche Weite. Nichts wünscht sie sich sehnlicher, als die Oberwelt zu entdecken. Bald schon ist dieser Wunsch in ihr so...
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,,Und jetzt schlaf schön, meine kleine Carlotta", sagte die Großmutter und strich ihr zärtlich mit ihren warmen, weichen Händen über die Wange.
,,Aber Omi, du musst mir doch noch eine Gute-Nacht-Geschichte erzählen", rief sie empört aus. ,,Von der Oberwelt!"
,,Überwasserwelt, meine Kleine", korrigierte ihre Großmutter sie traurig lächelnd. Sie seufzte tief. ,,Also gut, aber nur ganz kurz. Morgen wird wieder ein langer Tag."
Und so bekam die kleine Meerjungfrau einmal mehr, was sie sich wünschte: Ihre Gute-Nacht-Geschichte von der Oberwelt. Allabendlich kuschelte sie sich dazu gespannt in ihre rosa Schlafmuschel und lauschte mit großen Augen den Worten ihrer Großmutter, die davon erzählte, wie ihre geliebte Oberwelt aussah.
Von den Bewohnern, die sich Menschen nannten und auf zwei Stelzen, die sie Beine hießen, gingen. Von den Tieren dort oben, die so ganz anders seien als bei ihnen unten. Damit sie es besser verstünde verglich ihre Großmutter die Vögel dort oben mit den Fischen bei ihnen unten. Sie erzählte von der atemberaubenden Architektur, die sie sich überhaupt nicht vorstellen könne. Vom Himmel und seinen Sternen. Vom Schnee, der glitzernd und weiß die Landschaft wie mit einer schützenden Decke verhülle. Von den Bergen, auf denen zu stehen sich wie pure Freiheit anfühle.
Und immer wieder versuchte sie ihr von der Musik dort oben zu erzählen. Sie zu beschreiben. Das Gefühl zu beschreiben, das einen dabei überkomme. Und immer dann lauschte die kleine Meerjungfrau besonders aufmerksam. Ebenso wenn sie von den Gerüchen erzählte. Von den Blumen, die so bunt und wunderschön seien und so unterschiedlich und betörend dufteten, dass man es kaum glauben konnte.
Aber früher oder später kam ihre Großmutter in ihren Erzählungen immer zum Stillstand. Plötzlich saß sie dann einfach nur noch still an Carlottas Schlafmuschel und blickte in die Ferne.
Manchmal wirkte sie so unendlich traurig, dass die kleine Meerjungfrau fürchtete, sie würde nie wieder lächeln. In diesen Momenten stand ihre Großmutter meist auf und strich ihrer Enkelin ein letztes Mal fahrig über ihr Haar, murmelte ein letztes Mal ,,Gute Nacht" und verließ anschließend leise das Zimmer.
Danach lag Carlotta oft noch lange wach, machte sich Sorgen um ihre Omi und träumte von ihrer geliebten Oberwelt in all ihrer sonderbaren Pracht, bis sie endlich ins Land der Träume hinüberglitt.
