30. Kapitel - Kobe

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Unruhig wälzte sich Kobe von einer Seite auf die andere

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Unruhig wälzte sich Kobe von einer Seite auf die andere. Verwirrende Gedanken und Gefühle machten es ihm unmöglich zur Ruhe zu kommen. Hellwach blickte er zum Fenster hinaus; der Mond schien hell auf sein Laken und tauchte den Raum in ein kühles Licht.

Immer wieder blitzte vor seinem inneren Auge dieses eine Bild auf, bei dem Carlotta sich mit letzter Kraft hilflos aus den schmierigen Armen des Fremden zu winden versuchte. Ihr verzweifelter, verlorener Blick fraß sich tief in seine Seele. Er machte sich riesige Vorwürfe, dass es überhaupt dazu gekommen war. Wie hatten er und Hannes nur zulassen können, dass diese Truppe das Wirtshaus überhaupt nur betraten? Alles an ihnen hatte von Anfang an nach Ärger gerochen.

Jedes Mal, wenn der Schlaf einen erneuten Versuch machte, seine müden Glieder zu übermannen, hatte er ihre sonst so strahlend blauen Augen vor sich. Panische Angst war aus jeder ihrer Poren gedrungen. Eine brodelnde Mischung aus Beschützerinstinkt und nagender Eifersucht durchströmte sein Innerstes. Noch nie in seinem Leben war ihm jemand auch nur annähernd so wichtig gewesen wie seine kleine Schwester. Noch nie hatte ein Mädchen solche starken Gefühle in ihm hervorgerufen. Er war bereit gewesen, alles zu tun, nur um Carlotta aus dieser Lage zu befreien. Er wollte diesen Ausdruck aus ihrem Gesicht wischen, der wie mit kalten Klauen sein Herz umklammerte. Er wollte sie wieder lächeln sehen. Durch ihre wunderschönen Augen in ihre wunderschöne Seele blicken.

Zum Glück war just in diesem Moment Hannes mit einem frischen Fass voller Most zur Hintertür hereingekommen. Kobe wusste nicht, was er sonst alles vielleicht getan hätte und wollte es auch lieber gar nicht so genau wissen. Es war eine Sache, sich seine starken Gefühle für Carlotta einzugestehen; eine ganz andere jedoch ihretwegen über Leichen zu gehen.

Emilie und Colette hatten sich dann schließlich um die in sich zusammengesunkene Carlotta gekümmert. Ihn hatte man weggeschickt. ,,Sie braucht jetzt Ruhe", hatte Emilie ungewohnt bestimmt und doch so liebevoll wie immer zu ihm gesagt.

Es hatte Kobe einiges abverlangt, Emilies Bitte zu respektieren. Sein Verstand sagte ihm zwar, dass sie Recht hatte; trotzdem drängte es ihn, selbst nach ihr zu sehen. Er wollte wissen, ob es ihr schon ein wenig besser ging und ob sie wieder bei Bewusstsein war. Wäre gerne einfach für sie da gewesen.

Da Hannes jedoch bei der Verabschiedung der letzten Gäste, die nach diesem Vorfall ganz freiwillig nach und nach den Ort des Geschehens verließen und nach Hause gingen, und beim Aufräumen seine Hilfe gut gebrauchen konnte, blieb er schließlich widerwillig bis zum Schluss in der Schenke. Die gewohnte Arbeit lenkte ihn immerhin ein wenig ab. Doch hier und jetzt, als er endlich in aller Ruhe in seinem Zimmer lag, war es ihm unmöglich zur Ruhe zu kommen.

Ein Knarzen auf dem Dielenboden und das Geräusch einer sich leise schließenden Tür vermochten es, sein sich drehendes Gedankenkarussell für einen Augenblick anzuhalten.

Ob Rosalie wohl aufgewacht war und schlafwandelte? Nein, das glaubte er kaum. Rose schlief gewöhnlich wie ein Stein. Und nach einem so ereignisreichen Tag wie heute wohl erst recht. Blieb nur noch Carlotta. Unvermittelt setzte Kobe sich auf und tapste so leise wie möglich barfuß zur Tür. Alles still. Vorsichtig schlich er weiter zur Stiege, die nach unten führte. Dort angekommen, vernahm er gerade noch, wie die Haustür ins Schloss fiel.

*

Es war tatsächlich Carlotta gewesen, die sich still und heimlich aus dem Haus hatte schleichen wollen; sorgsam darauf bedacht bloß niemanden zu wecken.

Unbemerkt war Kobe ihr bis zum Strand gefolgt. Sie stand jetzt etwa knietief im Wasser. Die Wellen leckten an ihrer vom Mond beschienenen, blassen Haut; das helle Nachthemd umspielte ihre schlanke Figur, während die sanfte, salzige Meeresbrise nach den Strähnen ihres nachtschwarzen, glänzenden Haares griff. Sie wirkte auf seltsame Art und Weise verloren. Und obwohl Kobe nur ein paar Schritte entfernt stand, hatte er den Eindruck, als wäre sie Welten von ihm entfernt.

Unschlüssig betrachtete er sie nachdenklich. Er wusste nicht recht, ob er sich ihr nun nähern oder doch lieber fernbleiben sollte. Auf keinen Fall wollte er sie verschrecken oder ihr seine Gesellschaft aufdrängen. Sie, ohne auf sich aufmerksam gemacht zu haben, einfach stehen zu lassen, kam für ihn aber auch nicht in Frage, weshalb er sich schließlich an Ort und Stelle in den kühlen Sand sinken ließ.

Vielleicht spürte sie, dass sie nicht alleine war. Vielleicht auch nicht. Sicher wusste Kobe nur, dass sie sich wenig später fast zögerlich zu ihm umdrehte, als wäre sie nicht sicher, ob sie überhaupt wissen wollte, ob sie nun alleine war oder nicht.

,,Ich hab mir Sorgen gemacht und wollte wissen, wohin du gehst", gestand Kobe leise und setzte sogleich nach: ,,Aber wenn du lieber allein sein möchtest, kann ich das auch verstehen." Er machte Anstalten aufzustehen.

Als Antwort schüttelte sie einfach nachdenklich den Kopf. Erleichtert ließ er sich auf den Boden zurücksinken. Ein Lächeln umspielte seine Lippen. Ihm war, als wäre eine große Last von ihm abgefallen. Zaghaft deutete er neben sich, lud sie ein, sich neben ihn zu setzen.

Schulter an Schulter gelehnt saßen sie schließlich nebeneinander am Strand, lauschten dem Wogen der Wellen unter funkelndem Sternenhimmel, während sich sein Herz vor Glück weitete und von einem Gefühl tiefer Zuneigung erfüllt wurde.

Das Mädchen mit den sprechenden AugenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt